Der Irrsinn, der sich morgens aus dem Radio über die Republik ergießt, wird immer schräger. Nachdem sich der germanische Finanzbarbar langsam in sein alternativloses Euroschicksal ergeben hat, türmt sich auf seinem Rücken immer mehr Schuld auf. Wer dachte, Herr Münchau von der gescheiterten FTD mit seinem „deutschen Wirtschaftsterrorismus“ sei nicht zu toppen, der wird tagtäglich überrascht.

Unlängst fragte eine Sprecherin eines staatlichen Rundfunksenders allen Ernstes, ob „der deutsche Sparkurs“ – von welchem Sparkurs sie auch immer redete –  daran schuld sei, dass die südeuropäischen Banken so schlecht dastünden. Auf was man alles kommen kann, wenn man den ganzen Tag im Staatsschoße Journalist spielen darf!

Besonders putzig ist derzeit auch das Getrommel gegen den deutschen Export. Dafür müsse Deutschland zahlen, denn man mache Gewinne auf dem Rücken der ach so armen Nachbarländer. Natürlich exportierten die deutschen Firmen nur deshalb so viel, weil sie den Arbeitnehmern so wenig bezahlten, und das müsse sich ändern. Es ist nicht einfach, derartige Konzepte unter einen Hut zu bringen. Das wird der Grund dafür sein, dass beide Theorien selten gleichzeitig durchleuchtet werden.

Einmal angenommen Deutschland exportiere „zu viel“, was auch immer das heißen mag. Warum sollte Deutschland anderen Ländern dafür etwas zahlen? Nehmen wir an, die deutschen Firmen seien wirklich nur deshalb so erfolgreich, weil sie so niedrige Löhne zahlen. Das hieße doch im Umkehrschluss, die Konsumenten in den anderen Ländern würden die deutschen Waren zu billig bekommen – sich quasi auf dem Rücken der deutschen Arbeiterklasse finanziell gesundstoßen, wenn man es im gleichen Sprech formulieren würde. Nun, in diesem Falle müssten natürlich eher die Konsumenten aus dem Ausland eine Ausgleichszahlung leisten, wenn man so etwas generell für sinnvoll hielte. Aber die Firmen verdienen doch das Geld, schallt es uns entgegen! Ok, nehmen wir an, dies sei korrekt. Dann müsste die Ausgleichszahlung von den Firmen an die Mitarbeiter fließen. Einen Grund für eine Strafzahlung des sinisteren deutschen Export-Fieslings lässt sich auch in diesem Falle nicht herleiten.

Interessant ist zudem, was man so alles unter „Sparen“ versteht. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Staatseinnahmen und –ausgaben europäischer Länder seit 1999. Die wundervoll heilsame Wirkung von Mehrausgaben lässt sich aus dieser Tabelle nicht herauslesen.

Besonders viel gebracht haben den Ländern, die über keinerlei Ausgabenkontrolle zu verfügen scheinen, die Mehrausgaben offensichtlich nicht. Vor allem der wie ein Mantra widerholte Verweis auf das angebliche Korsett durch den Maastricht-Vertrag ist lächerlich. An diese Blattsammlung hält sich in Europa ohnehin niemand mehr. Vertragsbruch ist im Haus Europa zum Kavaliersdelikt geworden, wer die Einheit erzwingen will, muss wohl die Willkür in Kauf nehmen. Trübe Aussichten.

Auch aus der Sofaecke einiger Gazetten kommen derzeit viele warme Worte, denen es nicht an Aufrufen, wohl aber an Konsistenz fehlt. Das Fazit für den deutschen Bürger lautet meist, man solle doch allen mehr geben, freilich ohne anderen etwas wegzunehmen, eine durch und durch politische Weltsicht. Die gerne herangezogene „Lösung“ für dieses real natürlich nicht lösbare Problem liegt stets in der Aufnahme neuer Schulden oder, gerade wieder en vogue, im Gelddrucken. Man gibt in dem Falle heute etwas aus, dass man erst einmal niemanden wegnimmt. Das übernimmt dann später jemand anderes. Über das Thema Geld drucken ist genug gesagt worden, natürlich halten die großzügigen Geldverteiler dies mangels ausreichender Geschichtskenntnisse für folgenlos. Warum man auf diesem doch so unglaublich einfachen Wege nicht alle wirtschaftlichen Weltprobleme umgehend löst, bleibt ein Rätsel.

Beim Thema Aufnahme neuer Schulden kommt die nächste Inkonsistenz ins Spiel. Die Sparer kann man bekanntlich nicht leiden. Dies sollten ihr Geld nicht horten sondern investieren. Wenn nun der gute Staat sich Geld leiht, fragt man sich sogleich, wer es denn verleihen mag. Möglicherweise kann man seitens der EZB denjenigen, die kein Geld haben welches geben, damit sie es dem Staat leihen können, der es dann ausgibt um neue Stellen zu schaffen, durch die dann noch mehr Dinge erledigt werden, die niemand braucht. Der Lohn für das Ausheben und wieder Zuschaufeln zahlreicher Erdlöcher kann dann natürlich besteuert werden, damit der Staat die Zinsen für die Schulden bedienen kann, die er zur Finanzierung des Aushebens der Löcher aufgenommen hat. Ein bemerkenswertes Gesamtkonzept. Der vorher Geldlose wird natürlich über die Geldleihe selbst zum bösen Sparer, denn er hätte sein Geld ja eigentlich „investieren“ müssen, ein finanzieller Akt zu dem für einige die Bereitstellung von Fremdkapital offenbar nicht zählt. Es ist schon ein heimtückisches Virus, diese Geldhorterei...

Aus der journalistischen Kuschelecke meldete sich auch Theo Sommer, ehemaliger Chefredakteur der Zeit, zum Thema. Er zählt ein paar beliebte, dem Zeitgeist entsprechende Vorwürfe gegen Deutschland auf und nimmt Stellung dazu. Der Titel des Artikels legt die Denkweise des Autors dar.

(Die Zeit) Mitleidsloser ökonomischer Purismus schadet Europa

Deutschland sollte weniger orthodox Wirtschaftspolitik betreiben und mehr Nachsicht mit den Nachbarn haben. Rigides Sparen allein hilft nicht und nützt den Europhoben.

Mitleidslos ist in diesem Zusammenhang ein seltsamer Begriff. Sollen die Deutschen nun den Südländern Geld überweisen, weil sie Mitleid mit ihnen haben? So etwas ließe sich über Spenden erreichen. Ein staatlicher Zwangstransfer von Steuergeldern unter dem Deckmäntelchen „Mitleid“ ist absurd. Was genau das Feuilleton unter „ökonomischen Purismus“ versteht, deckt sich vermutlich sehr gut mit der Sichtweise vieler Politiker, die gerne über das Geldausgeben sprechen und ungerne darüber reden, wo das Geld eigentlich herkommt.

Ökonomischer Purismus, das darf man vermutlich mit der einfachen und wichtigen Ungleichung Ertrag > Aufwand in Zusammenhang bringen. Wenn ich 100 Euro ausgebe um 90 Euro einzunehmen verfolge ich sicherlich einen „unorthodoxen“ Kurs, sinnvoll ist dieses Verhalten in der Regel nicht. In einer Zeit jedoch, in der auch für Windräder in Süddeutschland, die schlicht nicht genug Wind mitbekommen, um rentabel zu arbeiten, eine “Kapazitätsprämie” fordert, dem ist ohnehin nicht zu helfen. Wir hätten auch noch ein paar volle Batterien in der Schublade, mal sehen ob für uns auch noch ein paar Mark drin sind.

Wo der unorthodoxe Wirtschaftskurs hinführen kann darf man sich in vielen Ländern Europas anschauen. Zum Thema Sparen muss man wohl nicht viel sagen. Wer denkt er könne langfristig mehr ausgeben, als er einnimmt, der schreibt schlichtweg seine Ausgaben auf einen Bierdeckel. Die Rechnung kommt in diesem Falle zwar später, ist dafür aber größer. Steuererhöhung, rasche oder schleichende Enteignung, Schuldenschnitt – der Köcher der Wohlfahrt ist reichhaltig.

Der wohl zukünftig nicht zu vermeidende Schuldenschnitt, sprich Enteignung, der nun auch politisch wieder salonfähig zu werden scheint, erhöht nicht eben den Anreiz, sein Geld in Europa anzulegen. Natürlich sind diejenigen, die ihr Kapital in Sicherheit bringen noch üblere Gesellen als diejenigen, die ihr Geld hier investieren, pardon sparen. Wenn erstmal alle gleich sind meint man schon wieder zu hören und denkt an einen grundsätzlichen Denkfehler vieler Gewerkschaften, der sich jedem, der arbeitet oder mal gearbeitet hat, offenbart haben dürfte. So wird munter von der ewigen Gleichung „gleiche Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz = gleiche Arbeitsleistung“ ausgegangen. Das ist eine beneidenswert fantasievolle Denkweise, die sich wohl nur dem 100%igen Theoretiker erschließt.

Zum guten Schluss werden von Sommer noch schnell die „Europhoben“ erwähnt. Die Bezeichnung „Euro-Dogmatiker“ hingegen hört man nicht, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Die weiteren Tipps des Herrn Sommer sind ebenfalls eher schlichter Natur. So fragt er, ob es nicht ein „versöhnliches Signal“ sei, einige Maßnahmen, wie früheren Renteneintritt, Mütterrente oder Elterngeld auszusetzen. Unabhängig davon, ob man diese Regelungen für sinnvoll hält oder nicht, wem gegenüber sollten die Deutschen durch die Aussetzung derartiger Maßnahmen ein „versöhnliches Signal“ senden? Und vor allem warum? Sind die Spanier wie die Lemminge auf Weisung aus Berlin oder auf Grund eigener Meinungen in den vollkommen absurden Boom auf dem heimischen Immobilienmarkt geströmt? Gruppen, die hier versöhnliche Signale fordern, sollten sich zunächst einmal der Ursachenforschung widmen. Die Krise der spanischen Banken hat ihre Ursachen in Spanien. Wenn Erna K. aus Cuxhaven dafür nun „unorthodox“ und „solidarisch“ aufkommen soll, dann dürfte man sich ein versöhnliches Signal wohl eher aus Madrid erwarten als umgekehrt. Das wäre jedoch ein geradezu europhober und schrecklich nationalistischer Gedankengang …

Auf die weiteren Gedankengänge des Herrn Sommer und anderer Zeitgenossen wollen wir nicht eingehen, es sei auf den verlinkten Artikel verwiesen. Lediglich zur Aussage, Deutschland investiere zu wenig, worüber sich so ziemlich alle einig seien, darf man etwas beisteuern. So werden die Probleme bei Teilen der deutschen Infrastruktur erwähnt, die es natürlich an vielen Orten wirklich gibt.

(Die Zeit) Seit 1995 sind die Investitionen von 23 auf 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken. Das Ergebnis sind verkommende Schulen und Universitäten, geschlossene Schwimmbäder, verfallende Brücken, Straßen, Kanäle und Schleusen. In der Bildungspolitik wie bei Instandhaltung und Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur ist ein enormer Investitionsbedarf entstanden.

Die Frage die sich anschließt wäre nun, inwieweit eine Reparatur deutscher Schwimmbäder den geplagten Nachbarstaaten ökonomisch helfen sollen. Darauf findet sich im Artikel leider kein Verweis. Vielmehr liegt die Hoffnung des Autors wie die der meisten Politiker auf dem Füllhorn. Mehr Geld ausgeben, egal wie. Wenn das nicht reicht, dann muss man eben noch mehr Geld ausgeben. Einfallslos ist wohl die höflichste Beschreibung derartig platter Forderungen. Immerhin kann man damit wundervoll auf der Konsenswelle mitschwimmen, denn mehr Geld bekommen findet immer Zuspruch. Woher das Geld kommen soll? Keine Fragen, keine Lügen!

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