Eine der gefährlichsten Irrungen am Finanzmarkt ist die Verwechslung von ausgewiesener Rendite und Ertrag. Rendite ist das, was man zu bekommen hofft. Ertrag ist das, was man bekommen hat. Für die Anleger ist entscheidend, wie groß schlussendlich der Unterschied zwischen beiden Parametern ausfällt… Eine ebenfalls besonders hübsche Annahme vieler Marktteilnehmer ist diejenige, jede Aussage ließe sich umkehren. Sicherlich kennen Sie den nicht ganz so schlauen Satz, um mehr Erträge einzufahren, müsse man mehr Risiken eingehen. Diese noch recht harmlos daherkommende Aussage wird dann gefährlich, wenn man vom Umkehrschluss ausgeht. Denn wer mehr Risiken eingeht, der hat am Ende nicht zwangsläufig mehr Erträge in der Tasche.

Das wäre ein schön einfacher Automatismus, von dem auszugehen derart grotesk ist, dass man nur darüber lachen könnte, wenn nicht zahlreiche Pensionskassen nach diesem Prinzip agierten.

Die Ausrede, die Gefahren einer Anlage habe man nicht erkennen können, zeigt, wie unsicher der Umgang vieler institutioneller Anleger mit dem Begriff Risiko ist. Dabei ist die Unterscheidung im Gegenteil zur erfolgreichen Anlage recht einfach. Risiko ist quantifizierbar.

Ein Kasino beispielsweise kann auf Grund der mathematischen Grundlagen der angebotenen Glücksspiele seine Risiken kalkulieren. Die Auszahlungsprofile sind exakt definiert. Das bedeutet nicht die genaue Kenntnis der täglichen Einnahmen, es ermöglicht aber die langfristige Quantifizierung der Auszahlungen auf Basis der fixen Wahrscheinlichkeiten und Zahlungen. Am Finanzmarkt hat man es jedoch nicht mit Risiken, sondern mit Unsicherheiten zu tun. Man weiß schlichtweg nicht, was passiert.

So ist zwar der Rahmen des Auszahlungsprofils einer Anleihe im Zeitraum bis zur Fälligkeit festgelegt, es liegt zwischen 0 und 100% plus allen Kupons. Die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Auszahlungsmöglichkeiten ist jedoch nicht bekannt. Niemand weiß, ob und wann ein Anleihe ausfällt und welchen Restwert in diesem unerquicklichen Falle der Anleihehalter erhält. Die weit verbreiteten und oft simplen Modelle zur Quantifizierung der Unsicherheiten (wie etwa der unselige und schlichte VaR-Ansatz)  suggerieren die Händelbarkeit, machen aber aus einer Unsicherheit kein Risiko im mathematischen Sinne.



Von solchen Spitzfindigkeiten ließen und lassen sich Investoren jedoch nicht aufhalten. Es wird bei der Jagd nach Rendite, bezeichnenderweise heißt es nicht Jagd nach Erträgen, weiterhin munter alles gekauft, was den erhofften Ertrag verspricht. Dies führt zu bemerkenswerten Kapitalströmen, bei denen nicht selten die europäischen Investoren noch schnell auf diejenigen Schiffe aufspringen, von denen sich andere bereits in ihren Rettungsboten abseilen.

Ein aktuelles Beispiel ist der High Yield Markt. Während US-Investoren sich 2014 im großen Stil aus der Assetklasse verabschiedeten, kauft man auf dem europäischen Kontinent noch munter zu. Auch extrem niedrigen Renditen, bei denen schon viel Hoffnung und wenig Ratio nötig sind, um auf ein Einfahren entsprechender Erträge zu setzen, konnten den Trend auch in den letzen Wochen nicht stoppen.

Nun bröselt der High Yield Bond Markt und derjenige für entsprechende Kredite (leveraged loans) merklich ab. Vor allem ETFs hatten in diesem Jahr schon mehrfach mit der Illiquidität in diesem Segment zu kämpfen. Um für rasche Preiseinbrüche zu sorgen genügen schon vergleichsweise kleine Handelsvolumina. Der eine oder andere Anbieter sah sich schon dazu gezwungen, die Anteilsscheinrücknahme temporär auszusetzen. Eine liquide Hülle macht eben auch bei Anleihen aus illiquiden Anlagen keine liquiden Anlagen.

Die Probleme im High Yield Bereich haben sich vor geraumer Zeit angekündigt. So brach das Emissionsvolumen alle Rekorde. Auf einen Emissionsrekord folgte in der Vergangenheit stets ein Ausfallrekord. Das wird sich auch zukünftig nicht ändern. Zudem nahm die Qualität der Emissionen zuletzt wieder deutlich ab. Die Rendite war dennoch das einzige, auf das viele Käufer noch achteten.

Wer auf die schwindenen Schutzklauseln in den Prospekten hinwies, dem wurde entweder Haarspalterei vorgeworfen, oder aber man bemühte das oberste Argument der Geistlosigkeit: Die Zentralbanken sind ja da und machen im Fall der Fälle “whatever it takes”. Ja, das mag sein, aber dieser Zentralbankput wurde in den letzten 15 Jahren bereits zweimal gespielt. Vergessen haben viele, dass der Strike dieses Puts beide Male gut 50% aus dem Geld lag.

Zur Einordnung der aktuellen Probleme und Kursstürze sei kurz an einige Zeilen erinnert:

Mai 2014: Vor dem Jadgunfall

August 2014: Schmerzen mit Ansage

September 2014: Stoßgebete aus dem Zinstempel

Das alles dient nicht der Schlaumeierei sondern lediglich der rückblickenden Darstellung der bekannten Sachlage zu einem Zeitpunkt, da viele Pensionskassen und Fonds weiterhin auf der Käuferseite unterwegs waren. Manchmal ist es für alle Beteiligten besser, wenn man vor dem Abenteuer im Ramschland darüber nachdenkt, ob es nicht sinnvoller sein könnte, Auszahlungen zu reduzieren oder Beiträge zu erhöhen. Sollten einige geistlos zusammengekaufte Positionen in den Büchern implodieren, kommt das Thema ohnehin wieder auf den Tisch, nur sind die Deckungslücken dann noch größer.

Zu den Risiken ihrer Altersvorsorge fragen Sie Ihren Fondsanbieter oder Ihre Pensionskasse.

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