Steigende Spritpreise, überteuerte Winterreifen, höhere Versicherungsprämien, kostspielige Reparaturen – Autofahrer hatten in diesem Jahr wahrlich wenig zu lachen. So teuer war die Nutzung des eigenen Wagens noch nie. Zur bitteren Wahrheit gehört: Der Spritpreis wird eher noch ansteigen als wieder sinken. Allein der technische Fortschritt kann Abhilfe schaffen, ist in den Medien häufig zu lesen. Zum Beispiel könnten noch sparsamere Motoren Autofahrer künftig entlasten und ihm wieder Fahrspaß vermitteln, heißt es.

Ich bin jetzt auf der Homepage des Sportwagenherstellers Porsche auf eine Werbeanzeige gestoßen, die massive Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage aufkommen lässt – jedenfalls was die Effizienzsteigerung angeht. Dabei ist die Energieeffizienz für nachhaltig denkende Menschen aber ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn ein Autokauf ansteht oder ein Investment in Automobilaktien geplant ist.

Zum 911 Carrera GTS lese ich: „Der leistungsgesteigerte 3,8-Liter-6-Zylinder-Boxermotor mit Benzindirekteinspritzung (Direct Fuel Injection) liefert nun 300 kW (408 PS). 23 PS mehr als der 911 Carrera S. Gleich geblieben sind nur die Verbrauchs- und Emissionswerte.“ An anderer Stelle der Website sprechen die Marketingstrategen von „Intelligent Performance“. Mal abgesehen davon, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen Sportwagen mit einer so hohen Leistung zu fahren, macht die Anzeige ein in der Regel von Autofahrern gar nicht oder zumindest kaum beachtetes Charakteristikum deutlich: den Rebound-Effekt, auch Bumerang-Effekt genannt. Damit wird in der Energieökonomie die Tatsache beschrieben, dass die Einsparmöglichkeiten von Effizienzsteigerungen nicht oder nur zum Teil verwirklicht werden. Diese Erkenntnis ist eine bittere Pille für alle, die davon überzeugt sind, dass in erster Linie der technische Fortschritt einen grün gefärbten Aufschwung ermöglicht, der mit den nicht unbegrenzten Ressourcen des Planeten Erde in Einklang steht.

Ich möchte Ihnen an dem Auto-Beispiel das Phänomen des Rebounds noch etwas genauer erklären. Sinkt der Spritverbrauch, dann vermindern sich bei konstantem Benzinpreis die Kosten pro Kilometer. Weil fallende Preise in der Regel die Nachfrage erhöhen, steigt die Zahl der gefahrenen Kilometer. Vor allem viele Amerikaner handelten beim Kauf ihres fahrbaren Untersatzes bisher nach der Devise: „Hurra, mit der neuen Technologie kann ich für einen Dollar nun fast doppelt so weit fahren!“ Wenn dies die Botschaft ist, müssen wir uns damit abfinden, dass ein Teil der Effizienz verloren geht. Am Porsche-Beispiel aufgehängt: Die Effizienzzuwächse werden hier gar nicht erst in einen niedrigeren Verbrauch, sondern schnurstracks in höhere Leistung bei konstantem Verbrauch investiert. Doch selbst wenn technologische Neuerungen intelligent genutzt werden, um Verbrauch und Abgase zu senken, kommt es zu Bumerang-Effekten – und zwar wegen der bei fallenden Preisen zunehmenden Nachfrage.

 

Rebound-Effekt historisch belegt

Das Phänomen wurde erstmals im 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit Effizienzgewinnen bei der Kohlenutzung dokumentiert als sich die Herstellungsverfahren von Eisen verbesserten und neue Dampfmaschinen genutzt wurden. Als Beispiel aus dem frühen 20. Jahrhundert möchte ich die Einführung von Wolfram- statt Kohlefaser-Glühlampen nennen. Die Innovation verbraucht für dieselbe Leuchtleistung nur ein Viertel so viel Energie wie die Vorgängerin. Als die Birne in Großbritannien auf den Markt kam, machten sich zahlreiche Elektrizitätswerke Sorgen über Umsatzeinbrüche. Andere jedoch wurden gewahr, dass das auf diese Weise verbilligte Licht jetzt einen Massenmarkt erobern könnte, und setzten an die Preise den Rotstift an. Sie trafen ins Schwarze: Der Stromverbrauch nahm maßgeblich wegen der effizienteren Lampen stark zu.

An dieser Gesetzmäßigkeit gibt es nichts zu deuteln. Doch wie groß ist nun dieser Rebound-Effekt? In Ihrem neuen, in diesem Jahr erschienenen Buch „Plenitude“ schreibt die Soziologin, Ökonomin und Bestseller-Autorin Juliet B. Schor vom Boston College, dass in den Vereinigten Staaten der Energieverbrauch zwischen 1975 und 2010 insgesamt um mehr als 40 Prozent gestiegen ist, obwohl die Energieeffizienz der volkswirtschaftlichen Produktion um beinahe die Hälfte vorangetrieben wurde. Noch viel imposanter fiel das Verhältnis im Luftverkehr aus. Im Autoverkehr blieb der Verbrauch gleich, obwohl der Wirkungsgrad der Motoren im Betrachtungszeitraum um 30 Prozent stieg.  

 

Plädoyer für eine „Moderne Ökosteuer“

Ich zähle zwar nicht zu jenen, die bei jeder Gelegenheit gleich nach dem Staat rufen. Doch um die Effizienzverluste abzustellen, sollten die Regierungen der Weltgemeinschaft gleich in zweifacher Hinsicht schnell handeln. Auf unsere schwarz-gelbe Regierungskoalition bezogen: Angela Merkel sollte nicht nur die im Energiekonzept der Bundesregierung formulierten Anreize für Forschung und Entwicklung geben, sondern muss zudem veranlassen, dass technologisch mögliche Einsparungen auch tatsächlich verwirklicht werden. Denn der Bumerang-Effekt kann nicht durch gesetzliche Effizienzvorgaben oder ineffektive freiwillig zu erfüllende Programme zum Energiesparen außer Kraft gesetzt werden. Vielmehr sollte die von Umweltforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker angeregte „Moderne Ökosteuer“ möglichst rasch umgesetzt werden. Die Abgabe müsste – auch wenn weiterhin Wissenschaftler uneins darüber sind, ob Treibhausgase für die Erderwärmung verantwortlich sind – als europäische CO2-Steuer so ausgearbeitet werden, dass sie langfristig den Energieverbrauch verteuert. Jedes Jahr oder alle fünf Jahre sollten die Energiepreise in dem Ausmaß angehoben werden, wie in der vorangegangenen Periode die Effizienz zugenommen hat. Dann würde die Nutzung der Ressourcen über die Zeit nicht billiger, und eine zusätzliche Nachfrage bliebe aus. Ein Alleingang Deutschlands wäre dagegen in dieser Angelegenheit ein wirtschaftliches Eigentor, da auch die bereits nachhaltig produzierenden Unternehmen Nachteile in Kauf nehmen müssten und damit deutschen Konzernen im weltweiten Konkurrenzkampf Schaden zugefügt würde.

Doch noch einmal zurück zu Porsche. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dem Sportwagenbauer der Rebound-Effekt nicht bekannt war, als er die Anzeige ins Netz stellte. In der Vorstandsetage dürfte man also auch ohne an die Politik adressierten Vorschläge wissen, was unter „Intelligent Performance“ wirklich zu verstehen ist. Daher werte ich die Werbebotschaft als „Greenwashing“ (Grünfärberei). Auch wenn ich persönlich meine, dass Porsche-Fahrer von Ethik nichts oder nur wenig halten, so klingt doch ein grünes Image allemal gut und lässt sich für Werbezwecke geschickt nutzen. Doch hier noch ein paar Zahlen und Fakten, denen ein gänzlich anderes Verständnis von Effizienz zugrunde liegt: Porsche steigerte von August bis Oktober 2010 den Absatz im Vergleich zum Vorjahresquartal um 86 Prozent auf mehr als 21.000 Fahrzeuge. Der Umsatz betrug 2,06 Mrd. Euro – ein Plus von 80 Prozent. Der operative Gewinn verachtfachte sich fast auf 395 Mio. Euro. Auch die Aktie lief eineinhalb Monate lang im Turbo-Modus, wenn auch die alten Höchststände von über 175 Euro noch sehr weit entfernt sind.

 

Grünfärberei in der Automobilbranche

Eine Methode der Grünfärberei in der Automobilindustrie besteht auch darin, kleine Umwelterfolge aufzubauschen und so vom unsauberen Kerngeschäft abzulenken. So brüstet sich etwa die Porsche-Mutter Volkswagen damit, dass der 2011 auf den Markt kommende und in Konkurrenz zu Porsches Cayenne stehende Geländewagen Touareg 300 Kilogramm leichter sei als das Vorgängermodell. Solche „abgespeckte“ Autos werden von den Konzernen gerne als "nachhaltige" Fahrzeuge angepriesen. Dabei wäre doch der Geländewagen, der erst gar nicht gebaut wird, der nachhaltigste.

Schon am Wortlaut können Sie erkennen, wo nach wie vor das Hauptproblem der deutschen Autobauer liegt: In der breiten Masse der Modellpalette haben noch immer die schweren und klotzigen Spritschleudern die Oberhand. Die Effizienzgewinne, die bei Verbrennungsmotoren schon in den vergangenen Jahren möglich waren, wurden häufig wieder durch das immer weiter steigende Gewicht der Fahrzeuge zunichte gemacht. Wie sehr die Hersteller der Karossen auf vier Rädern selbst hinter ihren eigenen Öko-Ansprüchen hinterher hinken, verdeutlicht eine zwölf Jahre alte Erklärung, auf die ich kürzlich in meinem Archiv stieß: Damals, vor dem Hintergrund zu erwartender schärferer EU-Umweltauflagen, verpflichteten sich die europäischen Autoproduzenten, den Kohlendioxidausstoß ihrer Fahrzeuge bis 2008 auf durchschnittlich 140 Gramm pro Kilometer zu verringern. Dieses Ziel haben neben Volkswagen auch Audi und Daimler bis zum heutigen Tag mit Pauken und Trompeten verfehlt.

Die Beispiele zeigen, dass Sie als ethisch motivierter Anleger und Autokäufer auf der Hut sein sollten, wenn Automobilkonzerne Begriffe und Formulierungen wie „Intelligent Performance“ oder „300 Kilogramm leichter“ verwenden. Häufig sind damit keine Effizienzgewinne verbunden. Im Gegenteil: Die Wirtschaftlichkeit und Effektivität der Autos bleibt in den meisten Fällen nicht nur im übertragenen, sondern auch im korrekten Wortsinn auf der Strecke.

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