Wer früher das Glück hatte, eine Million anlegen zu können, konnte noch mühelos von den Zinsen leben. Da es heute darauf nur noch 100 Euro jährlich gibt, muss die Vermögenssubstanz schneller verzehrt werden als eine Ackerfläche von Heuschrecken. Leider macht die Zinsnot vor nichts Halt: Betriebliche und private Versorgungswerke - sogar die für die Anlageexperten der Finanzindustrie - werden regulatorisch gezwungen, sich in Zinspapieren zu suhlen wie das Borstenvieh im Dreck.
Zinsvermögen verhindert keine Altersarmut, sondern verstärkt sie
Bei Staatspapieren muss das Argument herhalten, sie seien sicher, risikofrei. Jedoch konnten diese vermeintlich heiligen Kühe dem Schlachthof bereits in der Vergangenheit nicht entkommen. Wie wollen eigentlich die Länder der Eurozone, aber auch Amerika ihre heutigen Schulden jemals zurückzahlen? Überhaupt, weil steigende Staatsschulden uns weiter verfolgen werden wie der Mond der Erde, bleiben die Messer gewetzt.
Je höher das Ausfallrisiko früher war, desto größer fiel der Risikoaufschlag mit höheren Zinsen aus. Heute muss es absurderweise umgekehrt sein. Ansonsten wären die Schuldenstaaten bankrott. Und wenn sie nicht gestorben sind, werden die Notenbanken - man nennt sie im Volksmund finanzpolitische Erfüllungsgehilfen - auch morgen noch die Zinsen plattmachen wie Schnitzelklopfer das Fleisch.
Und wo es keine Zinsen gibt, da hat sich ebenso der Zinseszinseffekt erledigt. Den Rest gibt uns die Inflation, die schon offiziell über den Zinsen liegt, von der tatsächlichen ganz zu schweigen. Das einzig sichere an Zinspapieren ist der sichere Vermögensschwund.
Insgesamt ist die deutsche Altersvorsorge im Status Quo eine tickende Zeitbombe.
Deutsche sind Aktienmuffel
In Deutschland ist Aktiensparen elitär. Nur eine Minderheit investiert in diese Anlageform. Das liegt nicht zuletzt an ideologisierten Politikern, die Aktien als Teufelszeug brandmarken. Sie haben gut reden. Mit Blick auf ihre privilegierten Altersbezüge müssen sie vor der Versorgung der Normalos so wenig Angst haben wie Nutztiere vor Veganern. Dabei fußen auf unseren börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften jede Menge Wohlstand und gute Arbeitsplätze. Was ist falsch daran, das breite Publikum an diesem substanzstarken Produktivvermögen zum Zweck der Alterssicherung zu beteiligen?
Natürlich sind Aktien mit Risiken versehen. Sie schwankten früher schon und werden es auch zukünftig tun. Doch selbst von den größten Einbrüchen haben sich Aktien ausnahmslos nicht nur erholt, sondern sind immer wieder zu neuen Höhen aufgestiegen. Allen Schwächephasen wie z.B. Dotcom-, Immobilien- oder Euro-Krise zum Trotz hat der deutsche Leitindex DAX seit seiner Einführung vor 30 Jahren eine durchschnittliche Rendite von 8,6 Prozent erzielt.
Apropos Aktienschwankungen, sie machen regelmäßige Sparpläne so attraktiv, dass Vater Staat sie zur Alterssicherung unbedingt fördern muss. Denn in sinkenden Kursphasen erhält man für den gleichen Sparanteil mehr Aktienanteile, die bei Börsenerholung das gesamte Aktienvermögen anheben wie ein Lastenaufzug.
Zur Risikobegrenzung dieser aktienbasierten Altersvorsorge soll der Staat Vorkehrungen treffen: Der Anlagefokus liegt auf Aktien-Fonds bzw. Aktien-ETFs aus dem Euro-Raum, um Währungsverluste zu verhindern. Diese basieren am besten auf den großen Leitindices, um das Einzeltitelrisiko zu mildern. Bei der Aktienauswahl geht es schwerpunktmäßig um Titel mit langfristig robustem Geschäftsmodell: Essen, Trinken, Wohnen, zum Onkel Doktor gehen, Mobilität oder Kommunikation sind stabilste menschliche Grundbedürfnisse.
Ohnehin bieten diese Titel typischerweise hohe Dividenden, die im Ansparzeitraum die verloren gegangene Sinnlichkeit des Zinseszinseffekts durch den Genuss des Wiederanlageeffekts von Ausschüttungen ersetzen. Schon der DAX als sicher nicht dividendenstärkster Aktienindex hat eine durchschnittliche Dividendenrendite von 2,7 Prozent, gemessen als Differenz aus allgemeinem Performance- und reinem Kursindex. Dividendenstarke Aktien haben zudem eine kursstabilisierende Wirkung.
Übrigens, im Gegensatz zu deutschen Staatspapieren überstanden z.B. Daimler und Siemens zwei Weltkriege.
Sicherlich schlagen Kursverluste bei wachsendem Aktienvermögen in immer größerem Ausmaß negativ zu Buche. Bei nahendem Auszahlungsbeginn sollen daher das Aktienrisiko heruntergefahren und Kursgewinne durch Verkäufe immer mehr realisiert werden.
Aktien bleiben ohne Steueranreize links liegen
Je früher man mit regelmäßigen Sparplänen anfängt, umso weniger lässt es sich verhindern, vermögend zu werden. Dennoch, die Vorteile des Aktiensparens kann man deutschen Anlegern wohl nur steuerlich schmackhaft machen. Daher sollte ein ordentlicher Batzen aus dem monatlichen Steuerbrutto in Aktien angespart werden dürfen und das so angesparte Vermögen auch bei späterem Verzehr steuerfrei bleiben.
Die Bedingungen dazu wären, über viele Jahre einzuzahlen und die Ansparleistung nur bei vordefinierten Härten des Lebens anzutasten. Diese steuerliche Großzügigkeit bei der Aktien-Förderung ist gut investiertes Geld. Damit wirkt die Berliner Politik der ansonsten zunehmenden Altersarmut entgegen. Bereits in diesem Jahr zahlt Deutschland eine Billion Euro an Sozialleistungen, Tendenz steigend.
Berlin sollte wie in Schweden eigene Vermögensbildungsfonds auflegen, um den individuellen Aufwand bei Aktienanlegern zu reduzieren. Außerdem wäre es sinnvoll, einen Staatsfonds nach dem Vorbild Norwegens zu gründen, der Finanzmittel für Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur und Digitalisierung sammelt. So könnten sich die Anleger an der verbesserten volkswirtschaftlichen Substanz beteiligen.
Weg mit der Zinsarmut und her mit der Revolution in der Altersvorsorge mit Aktien für alle und nicht nur wenige. Es lebe der „Volkskapitalismus“.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Kommentare
Wenn ich in meinem Bekanntenkreis das Thema zu Diskutieren versuche, schauen mich die Leute an als ob ich den Mond anbeten würde".
Bei diesem Thema ist Deutschland in seiner Mehrheit noch im Entwicklungsstadium, was für ein Volk, von "Dichter und Denker" man nicht wirklich verstehen kann.
Rudolf
die Problematik gelöst ist. Vilemehr bedeutet dies für mich dass aufgrund aktuell sprudelnder Steuereinnahmen und nicht vorhandener Lösoungen das Thema unter den berühmten Teppich gekehrt wird. Der sukzessive Anstieg der Bersteuerung von Gesetzlichen Renteneinkünften wird nirgends annähernd gewürdigt.
Und... die geburtenstarken Jahrgänge beginnen erst in Rente zu gehen. Topverdiener fallen als Einzahler aus und werden zu Rentenempfängern.
Das Umlagesystem aus Bismarck’s Zeiten funktioniert eben nicht mehr. Augen auf, statt Brot und Spiele...
Woran liegt es, das in Deutschland Aktien-Fonds verpönt sind. Ganz einfach an der BRiD und ihren kourrupten Partein. Ansonsten hätten unsere Kinder an unseren Schulen das Fach Wirtschaftslehre.
Die Menschen in Deutschland sollen weiterhin daran glauben, dass Ihre Renten bzw. Lebensversicherungen sicher sind. Somit lässt sich der Raubzug und die stille Enteignung der Deutschen besser verschleiern.
Die Altersarmut wird in den nächsten 10 Jahren unvorstellbare Ausmaße annehmen.
Nur keiner der verblödeten Deutschen Bürger will es wahrhaben. Ich höre nur immer wieder, dass kann und wird die Regierung nicht machen.
Herr Halver, Sie vergessen in Ihren Bericht zu erwähnen, dass 50% der Deutschen gar nicht für Ihr Alter Vorsorgen können, weil dafür schlicht und einfach das Geld fehlt. Siehe Leiharbeiter und anderen Lohndumpings, eingeführt von einer ROT-GRÜN Regierung und noch verschärft von einer CDU-SPD Regierung.
das mag im Allgemeinen alles richtig sein, ich hatte mal viele Geld in Nokia, Commerzbank und EMTV investiert. Ja vielleicht war die Auswahl grottenschlecht, aber zum Zeitpunkt der Investition waren alle Analysten und Berater von diesen Werten hellauf begeistert. Geldvernichtung zu 95 Prozent.
Klar wäre es mit einer Amazon Aktie anders gelaufen, aber das weiß man erst Jahre später...
Was Ihnen mit Aktien passiert ist, ist auch Millionen Amerikanern passiert, die inzwischen auch noch als 80-Jährige Hilfsarbeiter-Jobs suchen, um über die "letzten" Runden zu kommen und wird immer wieder passieren, weil die einzig "SICHERE" Altersrente die STAATLICHE ist, die ganz nebenbei auch noch die billigste ist!
Nur Beamte und diesen Gleichgestellte brauchen sich diesbezüglich noch immer keine Sorgen zu machen; denen sind 70%(oder sind es inzwischen sogar noch mehr?) ihres Endgehaltes als Pension sicher!!
https://m.youtube.com/watch?v=t6OWc3R_7Gk
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