Als US-Außenminister John Kerry und die EU-Außenbeauftragte Frederica Mogherini vor einigen Tagen die Aufhebung der Strafmaßnahmen gegenüber Iran bekanntgaben, war dieses der Beginn einer gravieren geopolitischen Neuorientierung, die die Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens, sowie die westliche Politik gegenüber dieser Region, nachhaltig prägen werden...

Dieser Schritt war dringend erforderlich, denn Iran wird als Partner gebraucht, auch weil die gesamte geopolitische Strategie und Bündnispolitik des Westens in der Region gescheitert ist.

Weder wurden "Leuchttürme der Demokratie" errichtet, noch hat der Demokratie-Export funktioniert. Stattdessen stürzten im Arabischen Frühling Regime, die mit Washington und der EU verbunden waren, ohne dass aus deren Trümmern prowestliche Systeme zu entstehen scheinen.

Als Verbündete blieben Könige, Scheichs und Emire auf der arabischen Halbinsel. Doch zu Saudi-Arabien beispielsweise trübt sich das Verhältnis ein – eigentlich überfällig, war es doch schon lange widersprüchlich. Es ist ein "Sleeping with the devil“, ein Mit-dem-Teufel-Schlafen. So charakterisierte der ehemalige CIA-Agenten Robert Baer die skandalöse Komplizenschaft zwischen der saudischen Erbmonarchie und den amerikanischen Erdöl-Kapitalisten.

In Washington und der westlichen Welt schaut man gerne darüber hinweg, wenn saudische Geldgeber den religiösen Fanatismus, in Form des dort praktizierten Wahhabismus und Salafismus, weltweit finanzieren. Weder die Besetzung Bahrains durch saudische Truppen, noch die permanenten Menschenrechtsverletzungen im Königreich selbst, führen zu einem Sturm der Entrüstung. Stattdessen wird der Wüstenstaat mit modernsten Waffen geradezu überschüttet.

Riad führt den Westen vor. Saudi-Arabien gibt sich als Alliierter, um den gemeinsamen Gegner Teheran in Schranken zu weisen. Bekämpft aber hinterrücks westliche Initiativen in der Region. Protegiert - ob im Irak oder in Syrien - gleichermaßen antischiitische wie antiamerikanische Strömungen. Riad will einerseits Washington dazu bewegen, das Assad-Regime zu stürzen, schürt andererseits zwischen Sunniten und Schiiten religiöse Konflikte, die weder eine friedliche noch eine demokratische Zukunft erwarten lassen.

Gemessen an diesem Umfeld, sei die Frage erlaubt, warum die saudischen Familien die besseren Partner als die iranischen Mullahs sein sollten. Iran ist beim Kampf gegen die IS-Truppen hilfreich, von denen es existenziell bedroht wird, haben sich doch diese Banden die Vernichtung aller Schiiten zum Ziel gesetzt.
Dadurch erhielte der Westen mehr Spielraum, mit allen regionalen Kräften des Mittleren Ostens zu kooperieren, sich zugleich aber in kritischer Distanz zu deren politischen und religiösen Systemen zu halten.

Ankerstaat Iran - Ein Blick in die Historie

Mit einer Fläche von rund 1,6 Millionen Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 70 Millionen Menschen gehört der Iran außerdem zu einem der 20 größten Staaten der Erde. Zusammen mit der Türkei und Israel ist der Iran einer von drei nichtarabischen Staaten des Nahen Ostens und zusammen mit diesen zählt er zu den politisch stabilsten und militärisch stärksten Kräften der Region. Bis 1979 galt der kaiserliche Iran als einer der engsten Verbündeten der USA in der Region und wurde politisch und kulturell dem Westen zugeordnet. Seine geographische Lage am Persischen Golf, der damit verbundene Erdölreichtum, die direkte Nachbarschaft zur Sowjetunion und zu der unruhigen Arabischen Welt, all das ließ das Kaiserreich zu einem natürlichen Partner des Westens werden. Die historischen Animositäten der Iraner gegenüber den Arabern führten sogar zu einer strategischen Partnerschaft mit Israel und zu der Tatsache, dass Israel und Iran militärisch aufs engste miteinander kooperierten. Israelische Piloten trainierten damals im iranischen Hochland die Schlagkraft ihrer Luftwaffe. Der israelische Staatsgründer David Ben Gurion entwickelte in seiner außenpolitischen Doktrin die These der so genannten „peripheren Staaten“. Ben Gurion plädierte darin für eine enge Beziehung zu den Staaten im Hinterland der arabischen Welt. Hierzu zählte er neben der Türkei und dem überwiegend christlichen Äthiopien auch und gerade den Iran. Vom arabischen Nationalismus, der Ideologie eines Nasser oder später eines Saddam Hussein, fühlten sich sowohl Israel als auch Iran bedroht.

Der Sturz Reza Pahlewis und die Islamische Revolution 1978/79 führten seinerzeit zu einer historischen Zäsur, deren Folgen bis heute zu spüren sind. Während seiner Herrschaft propagierte Schah Reza Pahlevi die „weiße Revolution“, also das ehrgeizige Ziel, den Iran in wenigen Jahrzehnten zu einer ökonomischen und politischen Großmacht zu entwickeln. Viele Beobachter und ökonomische Experten hielten seinerzeit dieses Ziel für keineswegs abwegig oder utopisch. Iran verfügte wie heute auch über ein gewaltiges Potential für eine Zukunft in breitem Wohlstand. Die Herrschaft der„Leuchte der Arier“, so der offizielle Titel des Schahs, war aber nicht nur von ehrgeizigen Projekten, sondern auch von massiven Menschenrechtsverletzungen, dem Ausschalten jeglicher Opposition, Misswirtschaft und einem Dilettantismus im großen Stil geprägt.Die Machtergreifung Ayatholla Chomeinis 1979 führte nicht nur zu einer radikalen politischen und kulturellen Neuausrichtung des Iran, sondern ließ auch seine ehemaligen Verbündeten und unmittelbaren Nachbarstaaten erzittern.
Ob heute, Jahrzehnte später, die Beziehungen des Westens zum Iran jemals wieder das Niveau der 1960er und 1970er Jahre erreichen wird, bleibt fraglich. Die vorsichtige Annäherung zwischen Washington und Teheran ist auf beiden Seiten der Feindschaft fanatischer Ideologen und mächtiger Interessengruppen ausgesetzt. Anlass zur Hoffnung, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde, besteht allerdings.

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