Welche grundsätzlichen Punkte sind noch strittig?

 

Die systemischen Schwächen des Bankensektors der Eurozone bestehen nicht erst seit der Haushaltskrise 2010 in Griechenland. Bereits vorher, spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise 2007, hörte man häufig das Zitat des britischen Ökonomen Charles Goodhart, Banken seien „international am Leben und national im Sterben!“ Vielleicht sollte man heute besser sagen: Banken sind „national am Leben, aber europäisch am Sterben“. Charles Goodhart ist ein ausgewiesener Kenner der Finanzbranche und setzt sich seit vielen Jahren für eine stärke Bankenregulierung ein. Zum Hintergrund: die spanischen nicht systemrelevanten regionalen Sparkassen (Cajas) hatten bspw. eine Spekulationsblase im privaten spanischen Immobiliensektor finanziert. Als die Blase platzte, drohten die Verluste den spanischen Staat zu überfordern, und das Problem wurde ein europäisches. Spanien ist symptomatisch für ein übergeordnetes Problem: Nationale Bankaufsichtsbehörden wie in Spanien tendierten dazu, die Probleme in Spaniens Bankensektor zu unterschätzen. Bis vor kurzem hielten die spanischen Aufsichtsbehörden daran fest, dass die Probleme der Cajas bald gelöst seien. Hätten die Aufsichtsbehörden die Situation realistischer eingeschätzt, wäre transparent geworden, dass sie jahrelang das Entstehen einer Blase im spanischen Baugewerbe übersehen bzw. toleriert haben. In Irland gab es ähnliche Probleme. Die Staats- und Regierungschefs haben u.a. aus den Erfahrungen in Spanien und Irland im Sommer 2012 auf dem Brüsseler Euro-Gipfel ein Wachstumspaket verabschiedet und festgelegt, dass die kriselnden Banken der Eurozone direkt Geld aus dem Rettungsfonds ESM erhalten können: vorausgesetzt, dass eine supranationale Bankenaufsicht in der Euro-Zone eingeführt wird. Unterkapitalisierte Banken könnten dann direkt mit Kapital versorgt werden. Dies hat zur Folge, dass eine einzelne europäische Aufsichtsbehörde mit einer gemeinsamen Einlagensicherung und einem Mechanismus zur Abwicklung zahlungsunfähiger Finanzdienstleister aufgebaut wird. Konkrete Informationen dazu werden wir im September 2012 erhalten. Die EU-Kommission will am 11. September (einen Tag vor der Verkündung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen ESM) ihre Pläne zur Errichtung einer Bankenunion im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise vorlegen. Der Vorschlag soll Details zur Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht enthalten, sowie für eine gemeinsame EU-Einlagensicherung und zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Banken-Abwicklungsfonds zur Stützung angeschlagener Finanzinstitute.

Der Plan sieht den Angaben zufolge weiter vor, dass die Europäische Banken-Aufsichtsbehörde (EBA) in London Kompetenzen an die Europäische Zentralbank (EZB) abgibt, welche die Hoheit über die geplante neue EU-Bankenaufsicht haben soll. Details des Planes sollen noch im August zwischen EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso und EZB-Präsident Mario Draghi erörtert werden. Ziel sei es, dass der Plan im Dezember 2012 von den EU-Staats- und Regierungschefs verabschiedet werde und die neue EU-Bankenaufsicht bereits im Januar 2013 die Arbeit aufnehmen könne.

Bereits zu Beginn der Finanzkrise im Herbst 2007 erkannte Brüssel relativ schnell, dass die fehlende Einlagenversicherung in der Eurozone ein Problem war. Man entschied sich damals, dass jedes Land seinen eigenen Finanzsektor garantiert. Es war meines Erachtens einer der Fehler in der Überwindung der Euro-Krise. Frau Merkel, der damalige Finanzminister Steinbrück und ihre europäischen Pendants hätten damals gemeinsam das europäische Bankensystem garantieren sollen. Das hätte ihnen später viel mehr Spielräume in der Bewältigung der Griechenland-Krise gegeben, und man hätte wahrscheinlich den Flächenbrand in der Entwicklung der Eurokrise schneller ersticken können.

Die Existenz einer europäischen Bankenaufsicht soll die Voraussetzung dafür sein, dass der künftige Euro-Rettungsfonds ESM auch direkt Hilfsgelder an angeschlagene Banken vergeben kann. Bisher werden solche Notkredite wie aktuell im Fall Spaniens an die betroffenen Staaten vergeben, wodurch sich jedoch die Staatsschulden erhöhen.

Aber es gibt noch viele strittige Punkte bzgl. der Umsetzung einer Bankenunion. Umstritten sind vor allem folgende Punkte:

 

Es müsste geklärt werden, ob eine solche Bankenunion zunächst nur die 25 oder 30 grossen, systemrelevanten Banken oder alle Banken, also auch kleinere Institute wie die spanischen Cajas, umfassen soll. Mit einer „kleinen Lösung“ würde keine schlagkräftige zentralisierte Bankenaufsicht erreicht werden. Für eine größere Lösung spricht zudem, dass zum Beispiel Wettbewerbsverzerrungen zwischen den unterschiedlichen Bankengruppen Sparkassen, Genossenschaftsbanken bzw. Privatbanken in Deutschland vermieden werden könnten. Zudem sind die spanischen Bankenprobleme nicht von den systemrelevanten Banken wie der Banco Santander, sondern von den Cajas ausgegangen.

 

Zudem ist zu klären, ob die Bankenunion nur die Euro-Zone (17 Staaten) oder die ganze Europäische Union (27 Staaten) umfassen soll. In der Europäischen Union ist wahrscheinlich eine Bankenunion schwieriger zu realisieren (weil u.a. mehrere Zentralbanken und Währungen eingebunden sind). Zudem hat das Nicht-Euro-Land Großbritannien bereits kommuniziert, dass es an einer Bankenunion nicht teilnehmen will. Es könnte allerdings politischen und juristischen Sprengstoff mit sich bringen, wenn die Länder der Eurozone allein vorangehen sollten.

 

Des weiteren ist zu klären, welche Institution die Bankenaufsicht auf europäischer Ebene übernehmen soll. Die Regierungsschefs der Eurozone setzen aufgrund der Glaubwürdigkeit auf eine zentrale Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB). Dahinter steckt wahrscheinlich auch die Unzufriedenheit mit der 2011 gestarteten EU-Bankenaufsichtsbehörde EBA in London. Die EBA, die bisher wenig Macht hat und im Rahmen der Rekapitalsierung der systemrelevanten Banken stark in die Kritik geraten ist, befindet sich nach wie vor im Aufbau. Es bestehen derzeit zwei Lösungsvorschläge: Entweder die Bankenaufsicht wird in die EZB integriert, ähnlich wie Großbritannien, dort ist geplant, die Bankenaufsicht in die Notenbank zu überführen. Alternativ werden die Aufgaben der Bankenaufsicht zwischen der EBA und der EZB geteilt. Die EBA könnte demnach die Regeln aufstellen, die dann durch die EZB kontrolliert werden. Für die Länder, die nicht der Eurozone angehören, wären weiterhin die nationalen Aufsichten zuständig. Würde die Aufsicht bei der EZB angehängt, würde dies wohl bedeuten, dass die Bankenunion erst einmal nur in den 17 Euro-Länder ungesetzt würde. Die deutschen Banken und viele Funktionäre der Europäischen Union würden zwar eine Lösung für die 27 Länder der Europäischen Union begrüßen, allerdings ist auch sehr wahrscheinlich, dass Großbritannien nicht mitmacht.

 

Insofern bleiben viele offene Fragen bestehen, auch in dieser Hinsicht erscheint der September 2012 spannend zu werden.

 

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