„Sei froh wenn Du in langweiligen Zeiten lebst“ lautet eine chinesische Weisheit. Wer nie in spannenden Zeiten gelebt hat, kann nur erahnen, wie tiefsinnig dieser Satz ist. In unserem schönen Land wird es leider zusehends weniger langweilig.

Da man allen Versuchen auf kleiner Ebene zum Trotz den großen Mahlstrom des Irrsinns wohl nicht maßgeblich beeinflussen wird, sollte man sich wenigstens ab und zu dazu hinreißen lassen, den ganzen großen Irrsinn für ein paar Stunden zu genießen.

Wie so oft ist der Anfang der heikle Punkt. Denn abgesehen davon, dass es schwierig ist, zu entscheiden, wann und wo der ganze Irrsinn anfing,  bedeutet schon die schiere Menge der Themen eine Sortieraufgabe größeren Ausmaßes.

Wortsalat, alternative Fakten und immer die richtige Meinung

Fangen wir mit der Berichterstattung der staatlichen Sendeanstalten an. Was erhält der Bürger nicht für neutrale und vor allem fundierte Informationen aus diesen Häusern! Selbst wer sich in Geografie, Politik und Geschichte halbwegs auskennt wird beispielsweise die Berichterstattung des ZDF zum Thema Israel als echte Bereicherung empfinden.

Der Sender, dessen Angestellte sich immer so putzig über vermeintlich „alternative Fakten“ aufregen, schafft nicht selten selber welche. Wussten Sie, dass Herr Rabin laut ZDF Bericht israelischer Präsident war und sich seinerzeit mit Herrn Abbas getroffen hat? Gut, auf den vom Sender ausgestrahlten Bildern waren zwar lediglich Ministerpräsident Rabin und Herr Arafat zu sehen, aber wen schert es.

Arafat, Abbas, Pepsi, Coke, wer will schon Haare spalten. Der Herr Abbas, der ja gar nicht Herr Abbas war, wurde als Palästinenserpräsident bezeichnet, was für den Chef einer „Befreiungsorganisation“ wohl etwas hoch gegriffen ist.

Aber warum sollte man sich um die Vergangenheit scheren, wenn sich ein paar Jahre später ohnehin alles ändert. In Bangkok auf dem Trödel gibt es neben Presseausweisen und gefälschten Bahncards vielleicht auch eine Präsidentenurkunde (Farbig, Reliefdruck, 75 Baht ohne Verhandeln).

Zum guten Schluss hat man noch Jerusalem falsch verortet und so getan als wäre es eine Art Westberlin zu Mauerzeiten. Eine Stadt, die von palästinensischem Gebiet eingeschlossen ist. Da bekommt der übliche Seitenhieb auf die vermeintlich geografisch so ungebildeten US-Amerikaner einen faden Beigeschmack.

Trotz falscher Daten hat man aber trotzdem immer eine richtige Meinung. Was letztere in einem Bericht zu suchen hat, fragen sich hoffentlich nicht nur Menschen, die in der Schulde noch vom Sinn der Trennung von Bericht und Kommentar gehört haben. Mit dem Zweiten sieht man nicht besser aber eben anders. Falsch aber sexy könnte man in Anlehnung an die Worte des zumindest bisher wohl erfolglosesten Oberbürgermeisters von Berlin sagen. Immerhin rückt er so wie es aussieht zumindest diesbezüglich bald einen Platz nach hinten.

Schweigen und Nicken in der katholischen Kirche

Aber der Nahe Osten ist eben gar nicht so nah. Zudem ist dort alles immer so schrecklich kompliziert und die Zukunft liegt sowieso in Asien. Das hat auch der stets lächelnde Papst, der bekanntlich das Klima mag, erkannt. Mit seinem eigenen Laden kann er offenbar nicht so furchtbar viel anfangen, was den ohnehin schon seltsamen Rücktritt seines Vorgängers noch etwas seltsamer erscheinen lässt.

Der Vorgänger rief seinerzeit nicht nur engagierte Kirchenmitglieder auf den Plan, sondern heizte auch die Kritik von denjenigen an, die mit der katholischen Kirche nie was am Hut hatten. Darunter gibt es bekanntlich viele Grüppchen, die vor jeder anderen Religion in Ehrfurcht (oder ist es doch schon Angst?) erstarren, zu Hause ein paar Buddha-Figürchen aus Spritzguss ins Billy-Regal stellen und über „diese Kirche“ gerne derbsten Spott ausgießen, während sie anderen Ausrichtungen eine geradezu kleinkindhafte Mimosenhaftigkeit zugestehen.

Gleichzeitig schaut man gerne in die Vergangenheit und geißelt die schlimme Zeit der Inquisition und die Kreuzzüge, während man alltäglichen Menschenrechtsverletzungen die heute stattfinden bemerkenswert gleichmütig zuschaut oder noch meint dort Perlen kultureller Fortentwicklung entdecken zu können.

Ansonsten schweigt oder nickt man stets verständnisvoll angesichts der oft aus nichtigsten Anlässen stattfindenden Auftritte nach Art der beleidigten Leberwurst. Das Schweigen und Nicken kann man dann zukünftig sicher noch gut gebrauchen, man will ja keinen Ärger.

Die Ränder verschwimmen, wenn man sich fokussiert

Wenn aber hohe Kirchenvertreter schon ohne Aufforderung ihr Kreuz ablegen, für dessen Tragen sich früher viele Menschen haben umbringen lassen und das nicht wenige noch heute das Leben kostet, dann wird es schwierig, von den eigenen Club-Mitgliedern noch respektiert zu werden.

Der Papst kümmert sich unterdessen auch im Rahmen persönlicher Besuche um die Rohingya, von denen ehrlich gesagt bis vor einigen Monaten die meisten noch nie gehört hatten.  Das war bei den Peschmerga übrigens auch so, von denen hört man heute auch nicht mehr viel, aber ein paar Wochen lang gehörte ihnen das Rampenlicht des Deutschen Bundestags, das sie sich mit Frau Roth teilen mussten, so dass so furchtbar viel vom Licht vermutlich nicht übriggeblieben ist.

Aber zurück in den Süden Asiens. Für die verfolgten Christen in der Region, von denen es auch mehr als eine Handvoll gibt, blieb auf Grund des engen Reiseplans des Vatikan-Chefs offenbar keine Zeit mehr. Dafür nutzte das vatikanische Flugzeug vermutlich fair gehandeltes und klimaneutrales Kerosin und im Radio lief U2 im Shuffle-Modus.

Laut Wikipedia ist die genannte Volksgruppe übrigens die „weltweit am stärksten verfolgte Minderheit“. Das können wir nicht beurteilen, wir fragen uns auch nicht, wie man derartiges exakt messen zu können glaubt. Uns stellt sich diesbezüglich eher die Frage, was dazu Frauen, Homosexuelle oder Mitglieder anderer Religionen oder mit anderen gesellschaftlichen Vorstellungen in manchem real existierendem Steinzeitstaat sagen würden, wenn sie dürften.

Große Gedanken, kleines Gehirn

Immerhin klappt es offenbar mit dem Missionieren trotzdem prima. Das gilt sogar in den Reihen B-Prominenter wie Jürgen Trittin oder Claudia Roth, die bisher nicht durch ein besonderes Interesse an christlichen Lebenswelten aufgefallen sind. Vielleicht planen sie nach der Zwangsvereinigung  Europas ja mit der globalen Religion schon den nächsten Streich.

Eine neue Währung für die digitale Kollekte lässt sich ja dank Blockchain heute in fünf Minuten erschaffen – Lobet den Herrn und jetzt her mit den God-Coins! Ach so, der Herr darf ja nicht mehr der Herr heißen, weil das nicht korrekt ist.

Sei´s drum, den HERRN wird derart kleinkariertes weltliches Geplänkel kaum stören. Das Endziel manch ehemaliger Studenten ist vermutlich anstelle des nachgeholten Studienabschlusses noch immer die Errichtung der globalen klassenlosen Gesellschaft zu dessen Erreichung ja schon früher jedes Mittel recht war.

Think Big kann man da nur sagen oder doch lieber, wie es bei Element of Crime so schön heißt: „Große Gedanken, kleines Gehirn“? Errichtung ist übrigens ein treffender Begriff, denn freiwillig lässt sich auf so einen Blödsinn wohl kaum jemand ein.

Mobbing gegen Mobbing

Um verfolgt zu werden genügt es abseits der religiösen Scharmützel in Deutschland mittlerweile übrigens schon, nicht links (was auch immer das sein soll) oder „mainstreamig“ genug zu sein. Es ist bemerkenswert wie sich eine mit geheuchelter Toleranz getünchte Tyrannei ausbreitet, deren Mitläufer nicht einmal davor zurückschrecken, Menschen mit Fotos und Plakaten an den Pranger zu stellen und kaum verhohlen zu Gewalt aufzurufen, weil andere Menschen eine andere Meinung haben. Das bekommen Professoren genauso zu spüren wie Kommilitonen und Politiker.

Auch die Gewerkschaft verdi hat sich bekanntlich vor einigen Monaten mit einem später eilends wieder zurückgenommenen Faltblatt geradezu mit Peinlichkeit besudelt. Dieses Blättchen konnte man kaum anders einstufen, als einen unverhohlenen Aufruf zu Denunziation, Ausgrenzung anderer und Überwachung.

Auch hier zeigen sich erste Zeichen des Wahnsinns und sicher auch schon die Ausläufer der Panik einer Organisation, die vor allem noch dem Selbsterhalt dient. Eine solche Organisation, die für jedes Mobbing-Opfer angeblich Verständnis hat und stets von Solidarität faselt, ruft zu etwas auf, das eben den Tatbestand des Mobbing erfüllt?

Um das zu verstehen, muss man vermutlich die obere Führungsriege der Gewerkschaft und damit eine hohe Stufe des logik-befreiten Karmas erreicht haben. Selten war die Toleranz intoleranter als heute. An dunklen Tagen meint man schon den Ruf zu hören: „Wollt Ihr die totale Toleranz“? Wie die Antwort ausfällt weiß man nicht, denn Nicken und Schweigen kann man bekanntlich nicht hören.

Klare Antworten? Ähhm, öööh – nö!

Langsam klärt sich jedoch auf, warum man die bösen Menschen, die anderer Meinung sind, so gerne ausgrenzen möchte. Sie stellen klare Fragen und wollen klare Antworten. Das ist für viele eine offenbar völlig neue Situation, wie man nicht nur der SPD-Abgeordneten anmerkte, die von der einfachen Frage eines anderen Abgeordneten „Wie viele Geschlechter gibt es denn Ihrer Meinung nach?“ völlig überfordert war und sich „nicht festlegen“ wollte.

Das war natürlich eine wirklich schwierige Frage. Sicher sind solche Menschen bei einfacheren Fragen dazu in der Lage, schnell und sicher klare Antworten zu geben und auch unter Druck Entscheidungen zu treffen. Oder wird man sich bei einem Euro-Austritts Italiens, bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Ruhrgebiet oder in Berlin oder auch bei einem militärischen Angriff ebenfalls nicht festlegen und erstmal bei McKinsey nachfragen, was denn opportun sein könnte?

Bei einem militärischen Angriff wäre das schon wieder, wenn auch nur kurzfristig, besonders unterhaltsam. „Wir werden angegriffen, wie gehen wir vor?“. „Ooch, da leg ich mich nicht fest. Nööö, wir machen da nicht mit“. Dann sollte man lieber schnell die Popcorn aufessen. Vielleicht gibt’s bald keine mehr.

Wissen und Glauben – Es gibt tatsächlich einen Unterschied!

Ein schlauer Mensch hat einmal formuliert, das Problem Russlands zu Beginn des 20. Jahrhunderts sei es gewesen, dass der Kommunismus von Menschen, die ein wissenschaftliches Experiment planten, in die Hände von Gläubigen geraten war.

Die Experimentatoren hätten nach dem offensichtlichen Scheitern vermutlich aufgehört. Die Gläubigen haben es bis zum bitteren Ende mit religiösem Eifer vor die Wand gefahren und dabei eine Menge vermeintlicher Ketzer verbrannt. Nun sind seit Jahren weite Teile des Bundestages in den Händen von Menschen, die ebenfalls Fehler nicht mehr eingestehen und korrigieren, sondern die immer weiter machen.

Wehret den Anfängen!

Mit wenig Fakten und viel Pathos werden andere Meinungen gerne als „Hetze“ oder gleich als „Hassrede“ gebrandmarkt, auch wenn sie sachorientiert und faktenbasiert sind während munter der kulturelle Bereicherungsmythos herausposaunt wird. Das alles wird mit Hilfe von Popstars und solchen die es werden wollen medial unterstützt.

Wen interessiert schon der Geologie-Professor, wenn ein TV-Sternchen sich Sorgen um den Meeresspiegel macht. So entwickeln sich quasireligiöse Denktrends im Endspiel einer infantilen Spaß- und Betroffenheitsgesellschaft, die es allem demokratischen Getue zum Trotz offenbar nicht schlimm findet, wenn moralische Gesellschaftstheoretiker von Schlägertrupps unterstützt werden.

Heute sind diese schwarz vermummt, ansonsten ist es fast wieder wie damals. Wer eine schwarze Vermummung statt einer braunen Uniform trägt wird dadurch nicht zum Demokraten.

Wie lautet ein so treffendes römisches Sprichwort? Wehren muss man sich am Anfang.

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