Die Bundesrepublik gibt dieser Tage bezüglich der Pressefreiheit in unserer Republik ein recht uneinheitliches Bild ab. Diese Freiheit ist im Grundgesetz unter Artikel 5 wie folgt geregelt:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Doch wie steht es wirklich um diese Freiheit in unserer Republik?

Da zeichnet dieser Tage das Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen den Grünen-Politiker Cem Özdemir für eine Rede aus, die er am 22. Februar 2018 im Bundestag gehalten hatte. In dieser Rede rechnete Özdemir mit einem von der AfD gestellten Antrag ab, der darauf abzielte, den kurz zuvor freigelassenen Deniz Yücel zu maßregeln.

„Vehement verteidigt Özdemir den Verfassungsgrundsatz der freien Meinungsäußerung und weist die AfD in die Schranken“, so die Begründung zur Auszeichnung. Weiter heißt es: “Scharfzüngig und emotional begegne Özdemir dem Antrag der AfD. Er pariere ihn mit großer Verve und rednerischem Können. In jeder Sekunde des kurzen Beitrags sind Leidenschaft und Engagement des Redners zu hören und zu sehen.“ Özdemir halte ein Plädoyer für die Pressefreiheit: „Bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ist das Parlament keine oberste Zensurbehörde.“

Messen mit zweierlei Maß – Kriminalisierung von investigativem Journalismus

Gleichzeitig geht die Staatsanwaltschaft gegen den Chefredakteur der Recherche-Plattform Correctiv, Oliver Schröm, vor. Vorgeworfen wird ihm "Anstiftung zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen durch Recherche“. Correctiv ist offensichtlich aufgrund von Enthüllungen über Cum-Ex-Geschäfte in das Visier der Staatsanwaltschaft Hamburg geraten. Angeblich soll Correctiv zur Anstiftung zum Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen angeklagt werden.Correctiv erklärte dazu, dass hier offensichtlich das Strafrecht genutzt werden soll, um Druck auszuüben.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalismus Verbandes, Frank Überall, ergänzte: „Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. Ich bin entsetzt, dass die Hamburger Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet hat.“

Oliver Schröm hingegen sieht in dem Vorgehen den Versuch zur Kriminalisierung des investigativen Journalismus.

Macht sich die Staatsanwaltschaft hier zum Handlanger einer interessengeleiteten Justiz?

Dieser Verdacht kommt auf, wenn man bedenkt, dass Correctiv und das ARD-Magazin Panorama im vergangenen Jahr unter Schröms Leitung Recherchen zu den Cum-Ex-Files veröffentlichten und dadurch den größten Steuerraubzug Europas aufdeckten: Nach dem bisherigen Stand der Erkenntnis, wurden zwölf EU-Staaten mit Cum-Ex- und ähnlichen Aktiengeschäften um mindestens 55 Milliarden Euro erleichtert. "Cum-Ex-Files" - der Name steht für 19 Medien aus ganz Europa, die sich unter der Leitung von Correctiv vereint hatten und die Recherchen in dem Fall zusammentrugen. Die Resultate der Recherchen werden auf der Website http://www.cumex-files.com aufgelistet - flankiert von Links zu Veröffentlichungen aller Medienpartner sind dort weitere Hintergründe verfügbar.

Jetzt kam ans Licht, dass schon vor Monaten ein Ermittlungsverfahren gegen Schröm eingeleitet und ein mutmaßlicher Informant vernommen wurde. Zuvor wurde ein sogenanntes "Strafübernahmeersuchen" der Staatsanwaltschaft Zürich gestellt, welches von der Hamburger Staatsanwaltschaft prompt übernommen wurde.

1965 waren es 200 Leute – wie viele sind hiervon noch übrig?

Unabhängig davon, wie der Fall ausgehen mag, was man von Correctiv und dessen Methoden hält - das Vorgehehen wirft ein trübes Licht auf den Zustand der Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz. Ein konservativer Journalist der FAZ sagte einmal, die Pressefreiheit des Westens sei eine Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu vertreten.

Heute hat sich dieser Zustand sogar noch verschärft, denn durch die Macht der Pressekonzerne, bzw. die Konzentration von Macht und Einfluss in den Medien, reduziert sich die Zahl von 200 Leuten erheblich - wobei hier gar nicht willfährig vorgegangen wird, sondern gemäß den Gesetzen der Ökonomie und der Monopolbildung. In dem Fall Correctiv kommt noch hinzu, dass der Einfluss der multinationalen Konzerne auf die Justiz der jeweiligen Länder wächst.

Beide Faktoren sind besorgniserregend. David Schraven vom "Correctiv"-Team sagte dazu "Wir haben mit unseren Recherchen den Steuerzahlern gezeigt, dass sie bestohlen wurden und werden dafür nun vom Staat verfolgt. Das ist absurd." Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

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