Gemächlichen Schrittes wächst die Einsicht, die Staatsfinanzen nicht durch eifriges Wiederholen eingängiger Motivationsreden retten zu können. Eine Einsparung an der einen Stelle ist und bleibt eine fehlende Ausgabe an einem anderen Ort. Das trügerische am gerade erst einsetzenden Effekt des Deleveraging – also dem Abbau der Kreditverschuldung im Verhältnis zu den vorhandenen Eigenmitteln – ist die langsame Geschwindigkeit, mit der sich dieser Prozess voran bewegt. So langsam der Ablauf ist, so unaufhaltsam ist er aber.

Während die Zeit ins Land geht und die Stimmung zwischen depressiver Kollektivtrauer und XL Aufschwüngen oszilliert, verstärken sich die im Hintergrund ablaufenden Trends weit gehend unbeachtet. Hinweise auf derartige Schwierigkeiten werden auch innerhalb der Branche gerne mit dem rezeptfreien Allheilmittel „dann muss die Zentralbank halt was machen“ gekontert. Das free lunch, der heilige Gral der Finanzauguren, scheint also gefunden worden zu sein, frei nach dem Motto „im Aufschwung Smith, im Abschwung Keynes“ wird hier munter das größte ökonomische Experiment der Geschichte gefeiert. Man darf sich fragen, warum überhaupt noch Steuern erhoben werden, wenn die Druckerei doch folgenlos ist. Das Zahlen von Steuern als rein symbolischer Akt – wundervoll! Allerdings wird ein derartiges Handeln dauerhaft nicht kostenlos sein. Wie in anderen Fällen ist die interessante Frage jedoch nicht, was etwas kostet, sondern wer es bezahlt.

Einer der langanhaltenden Prozesse, der schon vor der laufenden Krise begann und in den letzten Jahren eine Beschleunigung erfuhr, ist die Ausweitung des Defizits der Pensionskassen. Während sich die Sozialkassen in der BRD schon seit geraumer Zeit durch massive Steuerzuschüsse über Wasser halten, tauchen auch beim ehemals viel gerühmten -weil vermeintlich gedeckten – US-System klaffende Lücken auf. Diese sind – so ergab eine kürzlich veröffentlichte Studie des American Enterprise Institute – nicht nur groß, sondern werden in der offziellen Darstellung weitaus geringer als angemessen dargestellt. Während der letzte Punkt nicht wirklich überraschen kann, so ist die ermittelte Deckungslücke in der Tat beindruckend. Es handelt sich um eine Art Grand Canyon of Deficits.

Nun mag die Anmerkung berechtigt sein, immerhin seien doch Reserven vorhanden, und überhaupt sei ein gedecktes System dem Umlageverfahren vorzuziehen. Nun, dies ist eine Grundsatzdiskussion, wobei unserer Meinung nach beide Systeme ihre Berechtigung haben. Die Schwierigkeiten liegen nicht in der angewandten Methodik, vielmehr sind sie in der Art und Weise, wie diese Ansätze behandelt werden zu suchen. Ein gedecktes System basiert auf angesparten Beiträgen und den Renditen, die diese Investitionen erbringen. Zu geringe Einzahlungen, zu hohe Auszahlungen und absurde Renditeerwartungen sind beliebte reale Fehler.

Beim Umlagesystem ist es der ewige Reiz der Steuersubventionierung, die ein Funktionieren der Methodik vorgaukelt, während dies schon lange nicht mehr der Fall ist. In der BRD reichen die Abgaben bekanntermaßen schon lange nicht mehr zur Deckung der Kosten. Wenn man sich die Debatten um irgendwelche Beitragserhöhungen um 0,7% hier oder 0,3% dort anhört, darf man nicht vergessen, dass entstehende Löcher durch Schulden oder Steuern an anderer Stelle gestopft werden müssen. So ist das halt, wenn man mehr ausgibt, als man einnimmt.

Mit den Renditeerwartungen ist es wie mit den von großen Instituten veröffentlichten Projektionen. So kennen wir ja das muntere Spiel, die Wachstumserwartungen monatlich an den gerade herrschenden Trend anzupassen. Bei den Renditeprognosen für verschiedene Assetklassen ist das Bild nicht anders. Die unten stehende Grafik zeigt das typische Bild einer derartigen Einschätzung im Zeitverlauf. Dargestellt sind die Aussagen von einhundert Volkswirten, die regelmäßig ihre Meinung zur künftigen Entwicklung am US Häusermarkt abgeben durften.

Wer übrigens im allgemeinen „niemand hat Aktien“-Gefasel glaubt, das sei bei US-Pensionsfonds der Fall, der irrt. Rund 58% der Anlagemittel sind in Aktien investiert, in Bonds stecken 26%, Immobilien machen etwa 5% der Investitionen aus. Dies erklärt vielleicht zum Teil das ansonsten ökonomisch nicht nachvollziehbare Starren auf den Dow Jones. Die Renditeerwartungen für Aktien liegen in vielen Staaten bei 8%, das ist schon arg  ambitioniert. Man könnte auch sagen, es ist barer Unsinn, der wohl noch unter dem Eindruck der 90er Jahre zustande kam. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang, dass sich Diskussion immer nur um nominale Zahlen dreht, was man sich von der sicheren Rentenzahlung noch kaufen kann ist natürlich unsicher. Eine fahrlässige Aufrechterhaltung nominaler Zahlungen auf Kosten der Auflösung des Währungsgefüges ist eine bei zahlreichen Politikern beliebte, aber unaufrichtige Verhaltensweise.

Wie auf dieser Seite des Atlantiks lässt in den Staaten der Einfachheit halber ungedeckte zukünftige Verpflichtungen aus der Verschuldungsstatistik heraus. Obwohl das alles nicht sonderlich Vertrauen erweckend ist, fällt dieses Gebaren bei überschaubaren Summen nicht ins Gewicht. Die Fehlentwicklungen laufen mittlerweile aber seit mehreren Jahrzehnten ab, so dass die Lücken bei der Altersversorgung zu einem gewaltigen Problem für die Finanzen der ohnehin nicht auf Rosen gebetteten US-Staaten werden. Wir dürfen nicht vergessen: Diese roten Balken stellen fehlende Gelder für Zahlungen dar, aus denen sich der Konsum der Pensionäre speisen soll. Der einfachste Weg, diesem Problem zu begegnen sind natürlich neue Schulden, in der aktuellen Situation und angesichts der Größenordnung wäre dies wohl erneut nur durch Monetarisierung der Staatsverschuldung möglich, oder haben Sie ein Interesse am Kauf eines US-Staatspapieres, dass allein zur Deckung der dargestellten Lücken begeben wird? Mit ein paar Anleihen ist es ürigens nicht getan, denn eine auf Marktwerten basierende Kalkulation liefert eine aggregierte Deckungslücke in Höhe von etwa $3.000 Mrd. Dollar. Respekt!

Allein die bekannten de facto Pleitiers Kalifornien, Illinois und New York bringen es fast auf eine Billion Dollar. Norbert Blüm bitte ans Mikrofon! Die Gesamtsumme von $3 Billionen ist ungefähr zweieinhalb Mal soviel, wie die Summe der bisher in Amerika angefallenen Kreditverluste. „A trillion here, a trillion there, and pretty soon you’re talking real money”, wie es so schön heißt. In einer Zeitung fanden wir kürzlich einen schönen kurzen Artikel, der sich fragte, was eigentlich die gute alte Million macht. Eine berechtigte Frage.

Das, was vielerorts als wunderbare, weil aktive, Maßnahmen von Zentralbank und Schatzamt bejubelt wird, ist ein gigantisches Experiment, dass fast schon zielgerichtet das System zersetzt, welches es zu retten vorgibt. Für die Währung, den Finanzierungsmarkt und die globale Stabilität wird dieses Hasardspiel böse Folgen haben. So genannten Repräsentanten, deren eifriges Beurteilen von Stützungsmaßnahmen innerhalb von 24 Stunden schon heute naiv wirkt, werden nur in außerordentlich höflichen Publikationen mit dem Attribut blauäugig davon kommen.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"