Seltsame Geschichten um die notorisch steuerbefreiten Privilegierten

Es ist nicht der Monat der stolzen griechischen Schifffahrt. Trotz der relativ geringen Größe des Landes sind die von Griechen kontrollierten Flotten des Handelsverkehrs über das Meer weiterhin eine als Global Player anzusehende Armada. Doch seit Anfang September erschüttert ein Skandal nach dem nächsten das Ansehen der per Verfassung von vielen Steuern befreiten Schiffseigner.

Die Agia Zoni und die Ölpest – Eine ganze Serie von Pleiten, Pech und Pannen

Die Havarie des entgegen dem europäischen Status Quo nur mit einem einfachen, statt mindestens doppelwändigen Tank ausgestatteten Tankschiffes Agia Zoni II hat mit einer vergleichsweise kleinen Menge von ausgelaufenem Schiffsdiesel und Schweröl am 10. September vor Salamis nicht nur den Saronischen Golf von Salamis bis Attika verseucht.

Die Agia Zoni II, deren Name auf den Heiligen Gürtel der Jungfrau Maria verweist, sank innerhalb von knapp einer Viertelstunde unter Umständen, die bis heute ungeklärt sind. Es gab weder schweren Seegang, noch ist am gesunkenen Schiff ein großes, von einem möglichen Unfall stammendes Leck oder ein Ermüdungsriss sichtbar. Zum Zeitpunkt des Unfalls waren nur zwei einfache Seeleute an Bord. Der Kapitän und sämtliche Offiziere fehlten, allerdings waren vier Mann Besatzung im Logbuch eingetragen worden. Vorgeschrieben sind jedoch mindestens elf.

Allerdings berichten Seeleute, dass vor allem im Maschinenraum des Schiffes schon lange vor der Havarie zahlreiche, notdürftig geflickte Lecks gewesen sein sollen. Die Betriebserlaubnis des Tankers war im Juni abgelaufen. Sie wurde vom Marineministerium zunächst für einen Monat, und später für zwei weitere Monate verlängert. Am 24. September hätte die Agia Zoni endgültig auf Dock gehen müssen.

Der Tanker galt als marode, der Reeder hätte eigentlich keine steuerliche Erlaubnis bekommen können

Der 1972 vom Stapel gelaufene Tanker galt unter Seeleuten als marodes Schiff. Versichert waren, wegen der horrenden Prämien für derart alte Schiffe, weder die Agia Zoni II, noch die Ladung. Lediglich für Schäden Dritter bis zur Gesamthöhe von fünf Millionen Euro besteht die Mindesthaftpflichtversicherung.

Der Reeder der Agia Zoni II, Theodoros Kountouris, der fast ein Dutzend einzelne Firmen kontrolliert, schuldet dem griechischen Staat knapp zwei Milliarden Euro an Abgaben zu denen keinerlei Ratenvereinbarung existiert. Dies gab das Finanzministerium am 23. September bekannt. Eigentlich hätte er unter diesen Voraussetzungen zumindest kein für Geschäfte mit der öffentlichen Hand unbedingt notwendiges Dokument über fiskalische Konformität erhalten können.

Der Reeder bestreitet sämtliche Vorwürfe und spricht von einem Komplott

Einem normal sterblichen Steuerzahler pfändet der Staat ab einem Schuldenstand von 500 Euro automatisch die Konten und, wenn dies nicht ausreicht, alles, was pfändbar ist. Sämtliche Schiffe der Reederei, die erst vor wenigen Monaten den Vertrag über die Betankung der Containerschiffe einer internationalen großen Reederei, Hapag Lloyd, an Land gezogen hat, fahren bislang ohne irgendeine Spur einer Pfändung der Einnahmen. Die Reederei war stolz darauf, einen Mitbewerber aus Istanbul, den bisherigen Handelspartner der Containerreederei, ausgestochen zu haben. Mit der bei der Havarie verlorenen Fracht sollte, so griechische Presseberichte, am 11. September ein Schiff der Hapag Lloyd betankt werden.

Trotz dem fehlenden steuerlichen Dokument beluden die halbstaatlichen Raffinerien von Hellenic Petroleum ihn mit Ware. Auch hier gibt es von Seeleuten der Seefahrergewerkschaft PENEN einen Hintergrundbericht. Die Rechnung für den auf die Agia Zoni II gebunkerten Kraftstoff zahlte demnach eine dritte Person mit „reiner“ Steuernummer. Die Beladung erfolgte am 9. September. Die Hellenic Petroleum lieferte 1600 Tonnen Schweröl und 350 Tonnen Schiffsdiesel. Weitere 600 Tonnen Kraftstoff befanden sich nach Angaben der Reederei als Restmenge auf der Agia Zoni II. Die Küstenwache hingegen geht von insgesamt mindestens 2800 Tonnen flüssigen Kraftstoffen aus.

Kountouris selbst bestreitet in Radiointerviews sämtliche Vorwürfe. Er betont, dass er, als in der Vergangenheit Verfahren wegen Kraftstoffschmuggel gegen zwei weitere seiner Schiffe eingeleitet wurden, diese gepfändet bekam, aber trotzdem einen Freispruch erlangen konnte. Kountouris spricht von einem Komplott gegen ihn. Er hatte sich vom Seemann zum Reeder hochgearbeitet und ist seit 2011 Schiffseigner.

Wassilis Aswestopoulos

„Rettungseinsatz“ von Piraten – Ladung gepfändet

Kountouris, dem nach eigenen Aussagen der finanzielle Ruin droht, kann nicht darauf hoffen, das aus dem Bauch der gesunkenen Agia Zoni II gepumpte Schweröl zu verkaufen, um damit einen Teil seiner Schulden zu bezahlen. Denn der Kraftstoff wurde – ohne diesbezügliches Verschulden von Kountouris – gepfändet. Ausgerechnet der für das Abpumpen beauftragte Tanker Lassea hatte 1500 Tonnen aus der Agia Zoni II gepumpt, als bei einer Routinekontrolle auffiel, dass das „Rettungsschiff“ ein so genannter Piratendampfer war. Die Lassea hatte außer ihrem Rettungseinsatz auch noch einen weiteren Auftrag – Kraftstoffschmuggel – und wurde am 20. September komplett beschlagnahmt. Die Hellenic Petroleum hingegen bezeichnet den abgepumpten Kraftstoff als SLOP, Abfall, und sieht ihrerseits keine Verwendung dafür.

Streit um die europäischen Geldtöpfe – nicht die Behörden, sondern der Reeder erteilt den Zuschlag

Nachdem die Lassea ausfiel, musste für das weitere Abpumpen aus der Agia Zoni II ein weiteres Tankschiff gefunden werden. Was eigentlich wie eine Routineaufgabe klingt, erwies sich als hochkompliziertes Unterfangen. Die Konkurrenten um den Auftrag möchten alle an die Gelder des Europäischen Fonds für derartige Unfälle und blockierten sich daher gegenseitig. Erst am Samstag konnte, mit dem Tankschiff Siros, das Abpumpen erneut beginnen. Das Konkurrenzschiff Aegean Βreeze 1 war eigentlich seitens der Behörden erste Wahl, doch den Zuschlag für den Rettungsauftrag erteilt der Reeder der Havarie. Kountouris gefiel es, dass die Siros ihm später den abgepumpten Kraftstoff gereinigt zur Wiederverwertung liefern möchte, während die Konkurrenz ihn als Abfall bezeichnet.

Verschleppte Eindämmungsmaßnahmen und Rücktrittsverweigerung

Experten gehen davon aus, dass das Abpumpen innerhalb von insgesamt drei Tagen möglich gewesen wäre. Jedoch ist dies das geringste Problem des Ministeriums für Handelsmarine. Zum Zeitpunkt der Havarie befand sich der zuständige Minister Panagiotis Kouroublis auf Dienstreise in London. Er kehrte erst am dritten Tag nach dem Unfall zurück.

Das Schiff selbst sank in der Nacht auf den 10. September gegen zwei Uhr  – mit Rettungsmaßnahmen wurde jedoch erst Stunden später begonnen. Die Versuche zur Eindämmung der Ölpest fanden erst statt, als der Ölteppich die Strände der Insel Salamis bereits verseucht hatte. Erst nachdem die Ölpest die Strände erreicht hatte, ließ Kouroublis, der zunächst öffentlich behauptete, dass es keinen Grund gäbe, nicht im Meer zu baden, die Bürgermeister der Anrainerstädte informieren.

Die falsche Beruhigung seitens des Ministers führt dazu, dass zahlreiche Bürger und Fischer die Verbote zum Schwimmen und Fischen schlicht missachten. Entschuldigt hat sich Kouroublis, der auf Aufforderungen zum Rücktritt mit „ich trete nie zurück“ reagierte, nicht.

Wassilis Aswestopoulos

Um keine noch so fadenscheinige Ausrede verlegen

Vielmehr versucht er sich mit kurzlebigen Ausreden aus jeglicher Verantwortung zu stehlen. Der europäische Rettungsdienst EMSA, der seit dem 13. September maßgeblich bei der Bekämpfung der Ölpest mitwirkt, wurde erst am 12. September spätnachts informiert und angefordert.

Kouroublis behauptete öffentlich, dass er gewusst habe, dass das einzige Schiff der EMSA bis zum 12. September im Einsatz gewesen wäre. Die EMSA wiedersprach prompt. Es gibt eine Flotte von insgesamt sechszehn Schiffen für derartige Fälle.

Mittlerweile hat die Regierungspartei SYRIZA ihrem Minister geraten, künftig in der Öffentlichkeit zurückhaltender mit unüberlegten Äußerungen zu sein. Von einer Rücktrittsforderung nehmen Kouroublis Genossen ebenso wie der letztlich verantwortliche Premierminister Alexis Tsipras Abstand. Sie fürchten um ihre knappe Mehrheit im Parlament.

Koks an Bord! Steuerfreiheit für Reeder aus vielen Gründen fraglich

Während sich im saronischen Golf das Drama um die Agia Zoni abspielte, wurden am 14. September in Peru auf der Dimitris C, einem unter maltesischer Flagge fahrenden Schiff der griechischen Danaos Shipping 121 kg Kokain gefunden. Die komplett aus Nichtgriechen bestehende Mannschaft hatte die Ladung entdeckt und an die Behörden gemeldet. Dem Reeder Giannis Coustas ohne Beweise Drogenschmuggel vorzuwerfen wäre verwegen, jedoch muss er sich die Frage gefallen lassen, wieso auf dem Schiff kein griechischer Matrose diente. Denn die immer wieder zitierte Steuerfreiheit der Reeder wurde einst eingeführt, um den griechischen Matrosen Arbeitsplätze zu schaffen.

Bislang war Coustas als Spender der Polizei und als Präsidiumsmitglied eines Vereins für die Förderung griechischer Startups bekannt.

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