Am 29. Mai 2018 erfuhr die Weltöffentlichkeit von einem „feigen Mord“ an dem „kreml-kritischen“ russischen Journalisten Arkadi Babtschenko, der seit zwei Jahren im „ukrainischen Exil“ in Kiew lebte. Wie schon gewohnt, wurde unverzüglich Russland verdächtigt, obwohl es keinerlei Beweise gab.

Die deutsche Regierung verurteilte bereits tags darauf das Verbrechen, Bundespräsident Steinmeier forderte bei einem Besuch in Kiew eine „umfassende Aufklärung“, Außenminister Maas zeigte sich „entsetzt über die Ermordung“ und ein Sprecher des Auswärtigen Amtes verlangte, die Umstände des "feigen und hinterhältigen Mordes" müssten untersucht und rasch aufgeklärt werden.(1) Ähnlich äußerten sich EU und Europarat.

In der Frankfurter Allgemeinen hieß es, Steinmeiers Reise in die Ukraine werde von dem Mord an dem Journalisten überschattet; der Bundespräsident habe sich über die brutale Art und Weise, mit der diese Tat verübt worden sei, erschüttert gezeigt. Weiter wurde berichtet, der Journalist habe als prominenter Kritiker der russischen Militäraktivitäten im Osten der Ukraine und in Syrien gegolten. Die ukrainische Regierung habe keinen Zweifel daran gelassen, dass „der russische Präsident Wladimir Putin und sein Regime“ für die Ermordung Babtschenkos verantwortlich sei, Putin „ziele auf diejenigen, die sich von Moskau nicht einschüchtern ließen“.(2)

Aus dem Nachrichtenmagazin Focus waren zu Herzen gehende Einzelheiten zu erfahren: „Die Nachbarn stehen im Dunkeln vor dem zehnstöckigen Wohnblock, sie sehen sich betreten an, schütteln den Kopf, können es immer noch nicht glauben. Viele haben Tränen in den Augen, einige weinen laut … Fernsehteams machen Aufnahmen von dem Treppenhaus, in dem der Mörder auf den Journalisten gewartet hat. Der Zugang zur Wohnung ist abgesperrt, dort oben im fünften Stock sitzt die Frau von Babtschenko und erzählt der Polizei von dem Vorfall. Sie hatte nur Schüsse gehört, war herausgelaufen und fand ihren Mann blutend im Treppenhaus. Auf dem Weg ins Krankenhaus ist der 41-jährige Journalist dann gestern Abend gestorben.“ (3) Festgestellt wurde: Der Mord an Babtschenko verdeutliche „die russisch-ukrainische Feindschaft“, das sorge „für weitere Spannung zwischen Kiew und Moskau“.

Auch bei dem für seine russophobe Berichterstattung bekannten Berliner Tagesspiegel wusste man Bescheid: Der Kreml-Kritiker sei von einem Einkauf zurückgekehrt, als ihn der im Treppenhaus wartende Todesschütze mit drei Schüssen in den Rücken niederstreckte. „Seine Frau fand den 41-Jährigen am Eingang ihrer gemeinsamen Wohnung in Kiew. Sie hatte zuvor die Schüsse aus dem Badezimmer gehört.“(4) Dazu schrieb der ukrainische Ministerpräsident Groisman, „Russlands totalitäre Maschinerie“ habe Babtschenko seine Ehrlichkeit und Prinzipientreue nicht verziehen. Und für die „entsetzten“ Journalistenkollegen bei ATR war der Fall ohnehin klar: Russland ist für den Mord verantwortlich.(5)

Den Gipfel der Perfidie leistete sich allerdings der Deutsche Journalistenverband (DJV), der schon öfter mit antirussischen Tiraden in Erscheinung getreten ist, mit der Empfehlung: „… spätestens jetzt sollen die EU-Staaten ernsthaft über einen Boykott der WM 2018 nachdenken.“(6)

Nachdem nun Babtschenko am 30. Mai überraschend von den Toten auferstand, herrschte allgemeine Verwirrung und Bemäntelung. Es sei eine Geheimdienstaktion gewesen, in die Präsident Poroschenko wahrscheinlich eingeweiht war, so hieß es lakonisch.(7) Poroschenko versäumte nicht, dem Journalisten dafür zu danken, dass er "gemeinsam mit den ukrainischen Sicherheitsdiensten" ein Szenario verhindert habe, "das auf die Destabilisierung der Lage in der Ukraine abgezielt" habe. Babtschenko sprach in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN augenscheinlich amüsiert, der Geheimdienst habe für die Aktion Schweineblut verwendet.(8)

Keine Einsicht in die Ungeheuerlichkeit einer solchen politischen Inszenierung der ukrainischen Regierung, deren Geheimdienst Babtschenko angeblich fürsorglich vor einem aus Russland zu erwartenden Mordanschlag schützen wollte und weiterhin schützen werde. Keine Entschuldigung der Medien für mangelnde Recherche, Fehlinformation und die Vorverurteilung. Das halten westliche Medien nicht für nötig, wenn es gegen Russland geht.

Ukraine – ein „Failed State“

Ohnehin fehlt es an einer Aufklärung über die prekäre Situation der ukrainischen Bevölkerung, die tatsächlichen maroden Verhältnisse in der Kiewer Ukraine und die verbrecherische Politik des Kriegsherrn Poroschenko mit seinen Kumpanen. Fragwürdige oder falsche Erklärungen des Kiewer Regimes werden seit dem Staatsstreich von westlichen Medien unbeanstandet übernommen, und über Geschehnisse, die nicht ins Bild passen, wird nicht oder unzureichend berichtet.

So gab es nur kurze Meldungen über die Morde an den regierungskritischen ukrainischen Journalisten Oles Busina und Pawel Scheremet. Keine Proteste der Bundesregierung, Steinmeiers, der EU oder des Europarats. Keine Forderungen nach unverzüglicher Aufklärung. Zur „Liquidierung“ Businas am 16. April 2015 bekannte sich eine „Ukrainische Aufstandsarmee“; verdächtigte Rechtsradikale wurden nach kurzer Inhaftierung wieder freigelassen. Der am 20. Juli 2016 durch eine Autobombe getötete Scheremet hatte kurz vor seiner Ermordung veröffentlicht, dass rechte Freiwilligenbataillone Gerichtsverhandlungen gegen korrupte Geschäftsleute verhinderten.(9)

Dass der in ukrainischer und russischer Sprache sendende Fernsehkanal „Inter“ am 4. September 2016 mit Molotow-Cocktails in Brand gesetzt wurde, weil er unter anderem Programme mit russischen Schlagerstars gebracht hatte, war nicht der Rede wert, obwohl die Mitarbeiter nur knapp mit dem Leben davonkamen; niemand wurde zur Rechenschaft gezogen.(10) Ebenso wenig wurden die Morde auf dem Maidan und in Odessa aufgeklärt. Von wem auch? In den Führungspositionen von Polizei, Geheimdienst und Innenministerium sitzen Nationalisten und Mörder.

Nur beiläufig erfuhr die Öffentlichkeit von einer Serie mysteriöser Todesfälle ukrainischer Oppositioneller. Mindestens sieben der Opfer – ehemalige hohe Amtsträger, Funktionäre und Politiker – waren Mitglieder der „Partei der Regionen“, der auch der gestürzte Ministerpräsident Janukowitsch angehörte. Mehrere von ihnen haben angeblich Selbstmord begangen, so der ehemalige Vorsitzende des Regionalrates in Kharkow, Nicholai Sergienko; der ehemalige Bürgermeister von Melitopol, Sergei Walter; der Polizeichef von Melitopol, Sergey Bordyuga und der ehemalige Abgeordnete Stanislaw Melnik.

Der frühere Parlamentsabgeordnete Oleg Kalaschnikow wurde in seinem Kiewer Haus mit Schusswunden tot aufgefunden; derehemaliger Leiter des staatlichen Grundstücksfonds, Michael Chechetow, stürzte am 27. Februar 2015 aus einem Fenster seiner Wohnung; am 12. März wurde der ehemalige Gouverneur von Zaporozhzhye, Alexander Peklushenko, mit einem Genickschuss tot aufgefunden. Obwohl es keine Abschiedsbriefe gab und die Umstände auf Mord schließen ließen, war die offizielle Version des ukrainischen Innenministeriums bei Zaporozhzhye und der Kriminalpolizei bei Peklushenko „Selbstmord“. (11).

Skandale, Korruption, Provokationen und Verbrechen. Die Kiewer Ukraine wird offensichtlich unter Protektion der USA von einer Ansammlung von korrupten Politikern, verbrecherischen Nationalisten und Mördern beherrscht.(12)

Dennoch investieren EU und IWF weiterhin Milliarden in diesen maroden Staat, in dem sich unter den gegebenen Umständen nichts ändern wird. Die bodenlose Niederträchtigkeit der Inszenierung eines Journalistenmords, der sofort Russland angelastet wurde, ist nur eine von vielen Ungeheuerlichkeiten, mit denen in letzter Zeit Politik gemacht wurde. Sie wird bald von anderen Hetz- und Wahnsinnsattacken gegen Russland überdeckt werden. Zwar sind die europäischen Politiker und Medien etwas vorsichtiger geworden, nachdem sich das Verhältnis zu den USA abgekühlt hat. Aber der böse Feind steht nach wie vor im Osten, weswegen die Sanktionen beibehalten werden und auch die Bundeswehr massiv aufgerüstet wird. Das verlangen die Freunde in der Ukraine und jenseits des Atlantiks von der Berliner Regierung.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag eine überarbeitete und um 111 Seiten erweiterte Neuausgabe seines Buches „Die Eroberung Europas durch die USA“.

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