Nun war Schäuble am letzten Donnerstag in Athen. Griechenlands Finanzierung ist bis zu den Bundestagswahlen gesichert. An dieser Front ist für die Bundesregierung bis dahin erst mal Ruhe.

 

Ich habe in einigen Beiträgen über die Immobilienmärkte in Griechenland  informiert.

Heute möchte ich den Fokus auf ein anderes „griechisches Thema“ lenken:

Den griechischen Beamtenapparat.

Durchleuchtet man dessen Srukturen, so wie es Anastassios I. Arvanatis kürzlich getan hat, dann erkennt man, dass Griechenland verloren ist, wenn es diese Missstände nicht beseitigt.

 

Laut Handelsblatt online vom 17.07.2013 veröffentlichte die griechische „Real News“ einen Offenen Brief des 91-jährigen griechischen Widerstandskämpfers Manolis Glezos, der in Griechenland ein Nationalheld ist, seit er in der Nacht zum 27. April 1941 auf die Akropolis kletterte und die dort von den Besatzern gehisste Hakenkreuzfahne einholte. „Herr Schäuble, Sie wären uns willkommen, wenn Sie als Gast kämen“, schreibt Glezos. „Aber Sie kommen als Herrscher, und dazu haben Sie kein Recht.“ Glezos kämpft seit Jahren für deutsche Reparationen.

„Wir betteln nicht, wir fordern; wir suchen nicht Rache sondern Gerechtigkeit“, schließt er seinen Brief. Es geht um astronomische Summen: Auf 108 Milliarden Euro beziffert Glezos die Reparationsansprüche. Hinzu kommen 54 Milliarden Euro aus einer Zwangsanleihe der Wehrmacht bei der Bank von Griechenland. Unter dem Strich summieren sich die griechischen Forderungen laut Glezos auf 162 Milliarden Euro – ziemlich genau die Hälfte der griechischen Staatsschulden.

 

Dazu noch die Gasvorkommen vor den Küsten Griechenlands und alle Probleme wären gelöst – oder doch nicht?

 

Das Problem ist: Selbst wenn diese astronomischen Reparationsleistungen, auf die angeblich Anspruch besteht, an Griechenland bezahlt würden und die Gasvorkommen tatsächlich existierten – es würde Griechenland nicht helfen. Auch diese gigantischen Summen würden nicht reichen.

Nach kürzester Zeit wäre Griechenland wieder da, wo es heute ist.

Warum das so ist, erklärt Anastassios I. Arvanatis. Arvanatis ist stellvertretender Vorsitzender der Drassi-Partei und Mitglied des Gemeinderats der Gemeinde Athen.

 

Er sagt:

Die über Jahrzehnte erfolgten Einstellungen auf dem öffentlichen Sektor in Griechenland stellen einen viel größeren Skandal als alle anderen Skandale zusammen dar.“

Diese Beamtenanstellungen und Einstellungen im öffentlichen Dienst wurden vollkommen unabhängig von Zweckmäßigkeit der jeweiligen Position und Leistungsfähigkeit der eingestellten Person vorgenommen. Es handelt sich um die Schaffung reiner Günstlingsnetzwerke.

2013 erreichen die Gehaltskosten der offiziell im öffentlichen Sektor Beschäftigten 24 Mrd. Euro (2009 betrugen sie 31 Mrd. Euro). Ihre Anzahl beläuft sich inklusive der Beschäftigten bei den staatlich kontrollierten juristischen Personen heute auf ungefähr 900.000. Das durchschnittliche Brutto-Gehalt eines Beschäftigten bewegt sich 2013  bei 27.000 Euro Brutto ohne Versicherungsbeiträge und ohne die zusätzlich entstehenden Betriebskosten.

Die Bediensteten des Staates und des öffentlichen Dienstes arbeiteten in den letzten dreißig Jahren bis zu ihrer Pensionierung im Durchschnitt jeweils weniger als 25 Jahre. Zu diesen Jahren wurde sogar die fiktiv verlorene Zeit der Streiks im öffentlichen Sektor hinzugerechnet, die für die letzten vier Jahrzehnte auf mehr als 1.500 Tage oder ungefähr 6 Arbeitsjahre veranschlagt worden ist. Dabei wurden großzügigerweise die Sonn- und Feiertage  abgezogen.

Wenn also jemand im Alter von 24 Jahren im öffentlichen Dienst eingestellt oder verbeamtet wurde und mit 49 Jahren in Rente ging oder pensioniert wurde, wird er, nach derzeitiger  durchschnittlicher Lebenserwartung,  wenigstens dreißig Jahre lang Rente erhalten. Nicht hinzugerechnet wurde in dieser Betrachtung, der in etlichen Fällen existierende  jüngere Ehepartner, der auch nach dem Tod des Berechtigten noch viele Jahre lang eine reduzierte Rente bezieht. Auch  die speziellen Fälle, in denen bestimmte Nachkommen des Versicherten per Gesetz die volle Rente beziehen, ohne jemals in ihrem Leben gearbeitet zu haben (volljährige ledige Töchter von Militärs, Justizbeamten usw.), wurden bei dieser Betrachtung nicht berücksichtigt.

Im Jahr 2012 betrugen die Aufwendungen laut Haushaltsplan für die Pensionen 6,58 Mrd. Euro.

Den  Staat kostet ein öffentlicher Bediensteter im Durchschnitt :

  • während seines Arbeitslebens (25 Jahre x 30.000 Euro =) 750.000 Euro,
  • Abfindung bei Pensionierung mit durchschnittlich 75.000 Euro,
  • Pension bzw. Rente (30 x 15.000 Euro =) 450.000 Euro.

Insgesamt somit mindestens 1.275.000 Euro.

 

1956 lag die Zahl der auf dem öffentlichen Sektor Beschäftigten unter 150.000;

1974 bei  270.000

1981 etwa 390.000.

1990 etwa 800.000 (Verdoppelung von 1981 bis 1989!)

Der Anteil des öffentlichen Sektors am BIP betrug 1975 38,4% und im Jahr 1980 70%, im Jahr 1988.

Der dafür erforderliche gewaltige Transfer von Mitteln des privaten zum öffentlichen Sektor  zerstörte die wirtschaftliche Entwicklung und untergrub die Produktivität des Landes.

 

Von 2004 bis 2009 regierte die Nea Demokratia unter dem Ministerpräsidenten Kostas Karamanlis.

In diesen fünf Jahren kamen 120.000 öffentliche Bedienstete hinzu. Damit gab es 2011 mehr als eine Million Beschäftigte im öffentlichen Sektor.

Heute sind es laut Troika noch rund 700.000 Beamte. Wegen einem Einstellungsstopp, Pensionierungen und einigen anderen Abgängen hat sich die Zahl verringert. Leider liefert die Troika keine Zahl zu den Angestellten im öffentlichen Dienst.  Das dürften derzeit noch an die 200.000 sein. Insgesamt also 900.000 Beschäftigte.

1981 waren es weniger als 400.000 öffentlich Bedienstete.  2011 mehr als 1.000.000. Obwohl der öffentliche Dienst 1981 im Gegensatz zu heute keine Rechner, Datenverarbeitung, Datenbanken, elektronische Vernetzungen und Internet hatte, wurden  2011 600.000 Bedienstete mehr beschäftigt. Von diesen dürften mindesten 400.000 überflüssig sein. Sie wurden dem Land von dem  Parteistaat aufgebürdet, um seine Macht zu verewigen.

Die Belastungen aus den oben dargestellten, bereits gemäßigten Berechnungen werden mindestens (1.275.000 x 400.000 Euro =) 510 Mrd. Euro bzw. das Eineinhalbfache der öffentlichen Verschuldung des Landes betragen.  Dieser Betrag muss zu den ebenfalls überdimensionalen Beträgen summiert werden, die aus denselben Gründen in den vorherigen Jahrzehnten die Wirtschaft des Landes belasteten. Finanziert wurde dies  von den  Steuerzahlern und durch Kreditaufnahmen des Staates.

2010 betrug die Arbeitslosenquote noch ungefähr 14 %.

Heute beträgt diese  27,6%.  

Wären laut Arvanatis 2010 etwa 200.000 öffentliche Bedienstete entlassen worden, wären über 20 Mrd. Euro eingespart worden, der Staat hätte die 8 Mrd. Euro gezahlt, die er den privaten Unternehmen schuldet, 100.000 Unternehmen hätten nicht geschlossen und wenigstens 600.000 heutige Arbeitslose hätten noch ihre Arbeit.

Damit ein öffentlicher Bediensteter bezahlt werden kann, müssen   7,5 private Arbeitnehmer beschäftigt werden. Somit sind  für die 900.000 öffentlichen Bediensteten 6.750.000 private Arbeitnehmer erforderlich. Diese Zahl ist natürlich vollkommen unrealistisch.

Deshalb bricht die griechische Wirtschaft unter der unerträglichen Last des Staates zusammen. Dies ist der Preis des Widerstands, den das politische Günstlings-System den Entlassungen auf dem öffentlichen Sektor entgegen setzt. In 3 bis 4 Jahren wird für das Land wegen der hohen Arbeitslosigkeit ein gesamtes Jahres-BIP verloren gegangen sein, ohne dass die unvorhersehbaren gesellschaftlichen Spannungen berücksichtigt sind, die geschaffen werden.

Der Skandal der parteilichen Einstellungen und Gefälligkeitsanstellungen beim Staat ist ein unendlich größerer Skandal als alle anderen zusammen ; er trägt maßgeblich zu der wirtschaftlichen Katastrophe des Landes und zu der Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung bei.

Die Folgen sind jedoch nicht nur ökonomische: im Griechenland des 20. Jahrhunderts wurde die vetternwirtschaftliche Einstellung auf dem öffentlichen Sektor mittels der Partei oder des Abgeordneten gesellschaftlich akzeptabel gemacht, da mit diesem Mechanismus das politische System unorthodox die Arbeitslosigkeit senkte und seine Herrschaft verlängerte.

Anastasidis wörtlich: „Die massenhaften vetternwirtschaftlichen Einstellungen beim Staat trugen allem voran zu dem Niedergang der griechischen Gesellschaft durch  die Änderung ihres Wertemodells bei, führten zur Devaluation der Werte und der persönlichen Verantwortung, der Ehrlichkeit, des Ehrgefühls, des Leistungsprinzips und der harten Arbeit. All dies wurde durch einen Denkansatz  der minimalen Anstrengung, der Listigkeit, des schnellen Reichwerdens und des voraussetzungslosen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufstiegs ersetzt.“

 

Quellen:

Handelsblatt online, 17.07.2013,

http://tasosavrantinis.blogspot.gr,

Weiterführende Literatur: Vermögenssicherung im Euro-Desaster, Der kritische Immobilienkurs, von Thomas Trepnau, versandkostenfrei  hier

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