Die Ukraine beherrscht seit einiger Zeit die Schlagzeilen. Die Situation ist mehr als besorgniserregend; dennoch werden bestimmte signifikante Details - insbesondere in den Mainstream-Medien - kaum oder gar nicht behandelt. Beispielsweise was der Konflikt mit dem so genannten "Arabischen Frühling" zu tun hat. Welche Rolle spielen die globale Energie-Politik und Rüstungsgeschäfte? Wieweit befinden wir uns schon in einem Handels-, Währungs- oder Cyber-Krieg? Auch Fragen, wie etwa nach den Strippenziehern oder den geostrategischen Zielen, werden massenmedial eher oberflächlich angeschnitten und bleiben meist unbeantwortet. Dieser Artikel ist der Auftakt einer Serie, der Hintergründe, Auswirkungen auf Europa sowie die globalen Zusammenhänge der Ukraine-Krise beleuchtet. Der erste Teil befasst sich mit der Rolle amerikanischer Think Tanks uns NGOs.

 

Orangene (NGO-)Revolution Nr. 2

Als hauptsächlicher Auslöser für die Orangene Revolution 2004 in der Ukraine gilt der Vorwurf des Wahlbetrugs. Ebenso sind Ungereimtheiten bei den letzten Wahlen 2012 - neben Korruption und einer schwachen Wirtschaft - ein Anlass für die aktuellen Proteste. Wenn die Bevölkerung von Menschenrechtsverletzungen, Wahl-Manipulationen oder Bereicherung der Machteliten auf ihre Kosten die Nase voll hat, gehen sie eben demonstrieren und kämpfen für ihre Bürgerrechte. Der einschneidende und im Vergleich zu 2004 blutige Umbruch in der Ukraine hat den Anstoß im geopolitischen Sinne gegeben, bei dem sich der Westen und Russland ein Tauziehen um das gespaltene Land bzw. die Krim liefern. Die Warnungen der USA, der NATO und der EU gegenüber Russland und vice versa sowie die jeweiligen militärischen Positionierungen in der Region bergen die Gefahr für einen neuen Kalten Krieg in sich. Auf den Punkt gebracht, könnte dies den Tenor der Massenmedien zu der Thematik widerspiegeln.

Während der Orangenen Revolution vor gut zehn Jahren wurde in der renommierten britischen Tageszeitung "The Guardian" geschrieben, dass die US-Regierung bei dem Umsturz entscheidend mitgewirkt hätte. Sie setzten dazu Berater, Meinungsforscher, Diplomaten und NGOs ein, um Gleichgesinnte aus der Bevölkerung zu rekrutieren und sie im eigenen Interesse einzusetzen. Laut dem Artikel gehörte die USAID, die US-Behörde für internationale Entwicklung, zu den mitwirkenden Organisationen. Unter den weiteren Organisationen befindet sich die vom US-Kongress gegründete Stiftung National Endowment for Democracy (NED) zur weltweiten Förderung der Demokratie. Die Rolle der US-amerikanischen NGOs, die den Grund für die Revolutionen mit aufbereitet haben, wird in den Mainstream-Medien weitgehend vernachlässigt. Die ebenfalls 1983 von der US-Regierung gegründete Organisation „International Republican Institute“ (IRI) konzipiert so genannte "Demokratisierungs-Programme". Eine dritte Nichtregierungsorganisation, die liberal-demokratische Ansichten vertritt, ist Freedom House. Wie der "Telegraph" 2011 berichtete, spielten NED, IRI und Freedom House auch eine besonders wichtige Rolle bei den ägyptischen Protesten 2011 bzw. beim so genannten "Arabischen Frühling", wobei ihnen die Zusammenarbeit mit dem CIA zugeschrieben wird.

 

Milliarden-Sponsoring

Die US-Diplomatin Victoria Nuland sagte während eines Konferenz-Vortrags vor der U.S.-Ukraine Foundation, dass die USA in den letzten beiden Dekaden 5 Milliarden Dollar ausgegeben hätten, um die Ukraine zu unterstützen. Sie versicherte, dass es auch prominente Geschäftsleute [insbesondere aus dem Energiesektor] und Regierungsbeamte gäbe, die das amerikanische Projekt, die Ukraine von ihren historischen Beziehungen mit Russland fortzureißen und sie in die Einflusssphäre der USA zu bringen, unterstützten. Die NED beispielsweise hat 2012 vor den Wahlen rund 3,3 Millionen US-Dollar in über 60 ukrainische Organisationen investiert. Es wurden ideologisch gleichgesinnte Organisationen gefördert, die u.a. Wahlkampfstrategien entwickeln. Viele der bezuschussten Institute bieten auch Trainings und Seminare für effektive Wahlbeobachtung an. In den Organisationen, die damals Zahlungen von der NED empfangen haben, werden unter anderem Journalisten und verschiedene Aktivistengruppen gesponsert. Ihre Publikationen wie Zeitungen und Websites werden auch gezielt in den Regionen mit russisch-sprachiger Mehrheit veröffentlicht. Interessenten bzw. Stipendiaten werden im Ziviljournalismus, im Umgang mit sozialen Medien, der Medienanalyse oder in Rechtsfragen - wie man sich beispielsweise bei Bürgerrechtsverletzungen durch die Polizei verhalten soll - geschult. Das Vorgehen beim Rekrutieren neuer Mitglieder und die nötigen Marketingstrategien gehören ebenso zu den Programmpunkten der jeweiligen Aktivistengruppen.

Unter den von der NED unterstützten Organisationen befindet sich auch die IRI, in deren Direktorium sich der ehemalige Präsidentschaftskandidat und aktuelle Senator von Arizona, John McCain, sitzt. Eine weitere illustre Person ist der Multimilliardär George Soros, der mit der Open Society Foundation seine eigene NGO besitzt. Der Think Tank Freedom House wurde von der US-Regierung in Kooperation mit Soros gegründet. Bei den zahlreichen (Farben-)Revolutionen, vom Sturz Slobodan Milosevics im Jahr 2000 über die Aufstände in in Georgien und Weißrussland sowie später beim Arabischen Frühling wurde nach gleichen Mustern vorgegangen. Dabei kommt dem ineinandergreifenden Geflecht zwischen den NGOs, den Geheimdiensten, den Wirtschaftsmagnaten, der US-Administration u.ä. Organisationen eine zentrale Funktion zu.

 

Feinde und Auslandsagenten

Die Regierung, das Verteidigungsministerium, die Finanzmacht, die NGOs und die Think Tanks in den USA sind Teile eines elitären Machtzirkels. Die Ideen und strategischen Analysen der Think Tanks spielen schon seit den 1920er Jahren eine große Rolle bei der US-Außenpolitik. Die Einflussstärke des Konglomerats zeigt sich auch durch verschiedene Reaktionen in der Ukraine und in Russland. Die Partija regioniv (Partei der Regionen), der Viktor Janukowytsch angehört, hat werden der Maidan-Proteste im Dezember verschiedene NGOs bzw. Think Tanks als "Feinde" der Ukraine bezeichnet. Es wurden u.a. die USAID, die NED und Freedom House genannt.

2012 hat der russische Präsident Putin das "Auslandsagenten-Gesetz" ratifiziert, um ausländische Staaten bzw. NGOs daran zu hindern, Einfluss auf die (Interessens-)Politik der russischen Regierung zu nehmen. Dabei müssen sich NGO-Mitarbeiter, die politische aktiv sind und von anderen Ländern finanziert werden, gesondert registrieren lassen. Sie werden quasi auf eine Ebene mit ausländischen Agenten gesetzt und müssen strenge Finanzkontrollen durchlaufen. Putin hatte den USA vorgeworfen, die jüngsten Proteste gegen seine dritte Amtszeit als Präsident unterstützt zu haben.

 

Soft Power

Der amerikanische Politikwissenschaftler Joseph Nye gilt als einer der einflussreichsten globalen Denker, die im letzten Vierteljahrhundert die internationalen Beziehungen Amerikas und damit die Weltpolitik entscheidend mitgestaltet haben. Er war u.a. Vize-Verteidigungsminister, Dekan an der Harvard-Universität, Vorsitzender der National Intelligence Council, die streng geheime nachrichtendienstliche Dossiers für den Präsidenten erstellt und ist aktuell Leiter der Strategie-Gruppe des neoliberalen Think Tanks „Aspen Institute“.

Im Jahr 1990, als der Zerfall der Sowjetunion abzusehen war, benutzte er den Begriff "Soft Power". Der "harten Macht", die wirtschaftliche Maßnahmen wie Sanktionen oder Militär-Aktionen beinhalten, stellt er die "weiche Macht" entgegen, die sich im Kern durch die Unterstützung politischer Akteure auszeichnet. Im weiter gefassten Sinne sind die Förderung der Ausstrahlungskraft der Kultur und politischen Ideologie sowie der systematische Einsatz internationaler Institutionen gemeint. Auch medienbezogene Ansätze, wie z.B. Einwirkungsmöglichkeiten auf Presseberichterstattungen bzw. die Platzierung von eigenen Botschaften in den Massenmedien, sind Instrumente der Soft Power. Mit dem Begriff legte er den Grundstein für eine Methode der Einflussnahme auf Staaten, die sich in den Vorgehensweisen der NGOs bei den Farbenrevolutionen wiederfindet.

 

Intransparente Machtkonzentration

Joseph Nye ist auch Vorsitzender des Nordamerika-Zweiges der Trilateralen Kommission. Solche „Diskussions-Plattformen“ - wie auch die Bilderberger-Konferenzen, die Atlantik-Brücke oder die Group of Thirty - sind schiere Machtkonzentrationen und haben den Status privater Organisationen. Dort, wo Wirtschaftsbosse sowie politisch und (mehr oder weniger) demokratisch legitimierte Entscheidungsträger gewählt wurden, und die Bündelung von höchst einflussreichen globalen Lenkern am größten ist, entziehen sich die Teilnehmer, unter ihnen dem Allgemeinwohl verpflichteten Volksvertreter, einer verfassungsrechtlich vorgesehenen parlamentarischen Kontrolle. Wenn dort Absprachen nach der Manier von Geheimverhandlung getroffen werden, wird die Öffentlichkeit, und vor allem das Volk als vermeintlicher Souverän des Staates, erst recht nichts davon erfahren.

Den westlichen Organisationen stehen jedoch auch 140 russische Oligarchen entgegen, die in die Politik ihres Landes - vor allem auf ihre Energiepolitik bezogen - verwoben sind, und eine große Machtfülle in einem militärisch-innovativen und gut gerüsteten Staat besitzen. Darüber hinaus schmiedet Russland auch enge Allianzen, wie etwa mit China und einer Reihe zentralasiatischer Staaten – was im Kontext des Ukraine-Konflikts nicht belanglos ist.

Kanada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland, Japan, China und Indien haben zusammengenommen nicht so viele Think Tanks wie in den USA, wo ihre Anzahl bei über 1800 liegt. Die amerikanischen Denkfabriken werden auch sehr gut finanziert, was sich auf ihre personelle und organisatorische Qualität stark auswirkt. Die  Zusammenarbeit auf zahlreiche neoliberale Think Tanks in Europa nimmt zu und entfaltet ihre Effekte. Dieser ist ebenfalls im Zusammenhang mit dem Faktor Wirtschafts-Krieg bedeutend. Darauf wird in einem separaten Teil ausführlich eingegangen. Der zweite Teil wird sich mit der Energiepolitik im geostrategischen Sinne befassen.

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