Auch in einem deutlichen Abschwung kommt es gelegentlich vor, dass sich manche Märkte ganz kurios entgegen den Erwartungen entwickeln. So ist aktuell zu beobachten, dass der vietnamesische Arbeitsmarkt regelrecht boomt. Es herrscht ein Arbeitskräftemangel, Firmen suchen verzweifelt nach Arbeitern und locken mit interessanten Angeboten. Lohnsteigerungen, kostenlose Gesundheitsuntersuchungen einmal im Jahr und weitere attraktive Boni. Arbeiter in den Großstädten Vietnams brauchen sich keine Sorgen über ihre Zukunft machen, und dass obwohl das südostasiatische Land auch ganz deutlich von der Wirtschaftskrise betroffen ist. Grund genug, sich diese Situation einmal genauer anzuschauen.

In einer Rezession sollte die Lage auf dem Arbeitsmarkt eigentlich eindeutig sein. Den Unternehmen brechen die Kunden weg, Preise fallen, sie reduzieren ihre Produktion und versuchen zu retten was zu retten ist. Es herrscht ein Überangebot an Arbeit. Kurzarbeit und Entlassungen sind die traurige Folge.

Der Arbeitsmarkt reagiert ein wenig träge, und hinkt hinterher. Es ist also zu befürchten, dass noch eine schlimme Entwicklung auf die Bundesrepublik zukommt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die aktuellen Tarifforderungen in einem ganz anderen Licht. Doch darum soll es an dieser Stelle heute gar nicht gehen.

Ich möchte lediglich die absonderliche Situation auf dem vietnamesischen Arbeitsmarkt betrachten. Allerdings werden diese positiven Entwicklungen nicht auf andere Länder übertragbar sein. Es ist eine Sondersituation, ansonsten ist weltweit mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Je länger und tiefer die Rezession ausfällt, desto gravierender werden die Einschnitte auf dem Arbeitsmarkt ausfallen. Bedauerlicher Weise führt daran kein Weg vorbei.

Auch die Entwicklung in Vietnam ist schnell aufgelöst, wenn man einen tiefer gehenden Blick riskiert. Die Vietnamesen, genau wie die Chinesen, richten sich nach dem Mondkalender. Dementsprechend feiern sie Neujahr erst Ende Januar bzw. Anfang Februar. Zu dieser Zeit fahren viele Wanderarbeiter aufs Land zu ihren Familien. Dieses Mal allerdings sind kaum noch Arbeiter in die Großstädte zurückgekehrt.

In der Erwartung, dass sie aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise in der Stadt sowieso keine Anstellung mehr finden werden, blieben sie auf dem Land und helfen nun dort ihren Familien. Somit ist ein regelrechter Arbeitskräftemangel in den Städten entstanden, zugunsten der verbleibenden Arbeiter. Also doch nicht so eigentümlich, wie es auf den ersten Blick scheint.

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