Die inneren Spannungen des Nahen Ostens wurden von der außenpolitischen Agenda des Westens verschärft, dabei hat auch der Westen ein Interesse an einer stabilen Region. Es ist an der Zeit für eine andere Außenpolitik.

Im Irak wurde kein "Leuchtturm der Demokratie" errichtet. Und in Syrien gelang es nicht, Baschar al-Assad abzulösen. Stattdessen waren in beiden Ländern die Truppen des selbsternannten Kalifen Abu Bakr el-Baghdadi auf dem Vormarsch. Er will vollenden, was westliche Interventionen und Bürgerkriege begonnen haben: Staaten innerlich auszuhöhlen und Grenzen zu schleifen.

Aus den Trümmern weltlicher Diktaturen droht ein Unrechtsregime islamistischer Glaubenskrieger hervorzugehen. Die demokratische Mission ist gescheitert, der Arabische Frühling vergangen und die alte Ordnung der Kolonialmächte in der Levante steht vor dem Zusammenbruch.

Mehr noch: Das Schlachtfeld, in das die Sprösslinge unserer westlichen Gesellschaften als Dschihadisten ziehen, liegt an der Südostflanke der NATO, also direkt vor unserer geographischen Haustür.

Falsche Freunde, fragwürdige Interessen

Kurzum, die inneren Spannungen des Nahen Ostens wurden von der außenpolitischen Agenda des Westens verschärft, und haben diese sodann über den Haufen geworfen. Europa und die USA setzten dort auf falsche Freunde und fragwürdige Interessen.

Es waren die Golfmonarchien Saudi-Arabien und Katar, die gemeinsam mit der Türkei den militanten Widerstand gegen das syrische Regime unterstützt haben und damit auch der Terrorgruppe "Islamischer Staat" zu ihrer heutigen Macht und Schlagkraft verhalfen. So wollten diese sunnitischen Regionalmächte gegen den schiitischen Gürtel vorgehen, der sich vom Iran über Irak bis hin zum Libanon ans Mittelmeer erstreckt.

Und viel zu lange schien es auch im westlichen Interesse zu liegen, einen schwer berechenbaren Iran zu isolieren, der bei manchen Beobachtern den Anschein erweckt, den Status einer Atommacht anzustreben. Und viel zu lange hat auch der NATO-Partner Türkei mit dem Feuer gespielt und Islamisten gefördert, auch um die separatistischen Ambitionen der Kurden in den Nachbarstaaten im Keim zu ersticken.

Im Irak scheiterten die neuen schiitischen Eliten daran, einen Ausgleich mit den Anhängern des alten Regimes, so wie der sunnitischen Minderheit, anzustreben.
In Syrien stand nie das ganze Volk hinter den Forderungen der Aufständischen. Neben den Alawiten und Christen zog das urbane sunnitische Bürgertum das Assad-Regime einer unübersichtlichen politischen Zukunft vor. Die Opposition - zersplittert in einer Vielzahl von heterogenen Gruppen - bekämpfte sich schließlich gegenseitig, zum Leidwesen der syrischen Bevölkerung.

Nun dämmert es dem Westen, dass er sich von scheinbar loyalen Verbündeten distanzieren sollte, die den Konflikt aus Eigennutz schürten, und dass er nun doch mit Gegnern einig werden muss, ohne die es keinen Frieden in der Region geben kann und wird. So kommen Iran und der syrische Machthaber wieder ins west-östliche Spiel.

Die bisherigen Bündnisse auf den Prüfstand stellen

Denn der Westen braucht Stabilität in der Region, will er seine Handelswege und die Ölversorgung schützen, die Sicherheit Israels gewährleistet wissen. Wie also kann daraus eine deutsche, europäische, transatlantische Außenpolitik entstehen, die nachhaltig wirkt, große Irrtümer meidet und eigene Werte nicht verrät?
Sie würde beim Schwersten beginnen, indem sie sich an das Prinzip hält, keinerlei Waffen in Konfliktregionen zu liefern, und auch das einfachste nicht verweigern, humanitäre Hilfe zu leisten.

Sie würde die bisherigen Interessen und Bündnisse auf den Prüfstand stellen, sich beispielsweise fragen, warum Riad dem Westen näher stehen sollte als Teheran. Sie würde aufhören, nur selektiv die Einhaltung von Menschenrechten einzufordern, nicht länger nach guten oder bösen, genehmen oder nicht genehmen Diktaturen unterscheiden.

Eine solche Außenpolitik würde sich um die Menschen in der Region sorgen, aber von der Illusion lösen, den Nahen Osten nach westlichem Muster politisch formen zu können.

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