Wie aus einem Hollywood-Drehbuch 

Dieses Faktum mag auf der Tatsache basieren, dass die Berichterstattung zu den Wahlen dem Drehbuch eines Hollywood-Films entsprungen schienen, hüben wie drüben, wo der „good guy“ gegen den „bad guy“ antritt, der „good guy“ gewinnt und dem „Happy End“, in diesem Fall durch den Einzug von Joe Biden ins Weiße Haus, nichts mehr im Wege steht.

Was soll man also noch tiefgründig recherchieren und informieren, jetzt wo doch die „good old days“ zurückgekehrt sind, transatlantische Harmonie eingekehrt ist und der Westen wieder unter Führung von Washington brav den Befehlen aus dem Weißen Haus folgen darf, um gemeinsam die - freie Welt - gegen die Schurken in Peking, Moskau, Teheran und Caracas zu verteidigen. So weit, so kitschig!

Der Verfasser dieser Zeilen hat überhaupt nicht die Absicht Trump gegenüber Biden hoch zu loben, oder umgekehrt, sondern geht viel mehr von der Tatsache aus, dass das politische System der USA in einer tiefen Krise steckt, wie die meisten politischen Systeme der westlichen Welt.

Oder, um es mit den Worten von Noam Chomsky auszudrücken,

Die USA sind eigentlich ein Einparteienstaat mit zwei politischen Fraktionen, Republikanern und Demokraten. Aber: Genau genommen stimmt das so nicht mehr. Wir sind noch immer ein Einparteienstaat, der Partei des Business. Aber es gibt nur noch eine Fraktion, von der es ziemlich egal ist, wie wir sie nennen.“

Aber zurück zu der medialen Berichterstattung. Zur Stunde vollziehen sich in den USA politische Prozesse, die von den hiesigen Medien kaum bis gar nicht reflektiert werden.  

Historische Prozesse in den USA: 19 Staaten klagen, nicht das „Trump-Lager“

Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten klagen 19 Bundesstaaten gleichzeitig vor dem U.S Supreme Court, um die Wahlergebnisse in den Bundesstaaten Georgia, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin annullieren zu lassen.

Da dieser Vorgang nur sehr bedingt etwas mit der Person des noch amtierenden US-Präsidenten zu tun hat, also nicht als weitere persönliche Marotte oder Untugend Trumps abgetan werden kann, findet er kaum mediale Aufmerksamkeit. Auf der Website ScienceFiles für kritische Sozialwissenschaften ist diesbezüglich zu lesen:

Wenn über die US-Präsidentschaftswahlen berichtet wird, dann leben deutsche MS-Medienangestellte in einer Traumwelt, die von zwei Lagern beherrscht wird, dem eigenen Lager, natürlich das Lager der Guten und den Feinden, dem Lager von Trump oder dem “Trump-Lager”.
Trump-Lager” hat sich als feststehender Begriff in deutschen MS-Medien eingebürgert. Er steht für die dort herrschende Unfähigkeit zu differenziertem und zu mehrdimensionalem Denken. Eine derartige Schließung des Geistes, ein closing of the mind, wie es Milton Rokeach beschrieben hat, ist erschreckend und verweist auf tiefergehende Probleme gestörter Persönlichkeit in Kombination mit Peer-Druck und dem ungezügelten Verlangen, sich bei einer “Autorität” andienen zu wollen.

Das Großkapital und die Medien

Was sind die Ursachen dieser Entwicklung? Die Medienwelt entwickelte sich in den letzten Jahren in einem weltweit bisher nicht dagewesenen Umfang. Einerseits war und ist dieses eine Folge des technischen Fortschritts, zum anderen lag dem die Erkenntnis zugrunde, dass Informationen große Profite auf dem Markt abwerfen, wenn sie verbreitet werden.

Die Entdeckung, dass Information ein lukratives Geschäft sein kann, führte in der westlichen Welt zum Zufluss des Großkapitals in die Medien. In den Führungspositionen der Medienkonzerne wurden und werden Journalisten und Redakteure zunehmend von Geschäftsleuten ersetzt.

Diese Entwicklung wird flankiert von einer Konzentration der Medienmacht, hinter der sich natürlich auch politische Tendenzen etablieren, die den ursprünglichen Anspruch der Medien aushöhlen, Informationen zu liefern, in Verbindung mit Wahrheitssuche und der Schärfung des politischen Bewusstseins. Heute steht in den meisten westlichen Medien eine andere Agenda auf dem Programm.

Betrübliche Provinzialisierung

Seit der Entdeckung, dass es sich bei Informationen um eine profitable Ware handelt, wird diese nicht mehr an den ursprünglichen Kriterien von Wahrheit und Lüge gemessen, sondern ordnet sich mehr und mehr den Gesetzten des Marktes unter, dem Streben nach höheren Gewinnen, dem Ziel ein Monopol zu errichten. Das führte dazu, dass die Globalisierung gerade in der Medienwelt, besonders in der Auslandsberichterstattung eine betrübliche Provinzialisierung zeigt.

Gesinnungsjournalismus und frühe Warnung vor einer Mediokratie

Die legendäre Journalistin Sabina Lietzmann, bis zu Ihrem Tode 1995 die langjährige Korrespondentin der FAZ in New York City, umschrieb diese betrübliche Tendenz einst mit folgenden Worten:

Den ‚Gesinnungsjournalismus‘ bezeichne ich auch als ‚Müll-Journalismus‘ nach dem Motto: "Wir wühlen einfach so lange im Müll der anderen, bis wir etwas Verwertbares finden.“ Ich betrachte diese Art von Journalismus - neben der Werbung und der Statistik - als die dritte legal betriebene Variante der großen gesellschaftlichen Lügen unserer Zeit. Sie ist jedoch auch die gefährlichste, weil Gesinnungsjournalismus zu einem Machtinstrument geworden ist."

Frank Walter Steinmeier - damals noch Außenminister - mahnte 2014 in einer bemerkenswerten Rede:

"Ein eigenes Urteil erfordert eigene Erkenntnisse. Wir brauchen Journalisten, die sich Zeit nehmen und in eine Materie tief einsteigen. Dazu gehört auch ein Korrespondentennetz. Ich weiß, das ist teuer, und wahrscheinlich kostet ein erfahrener Korrespondent im Ausland so viel wie drei Nachwuchsleute in der Zentrale. Der "Spiegel" und der "Stern" haben in den vergangenen fünfzehn Jahren die Zahl ihrer Auslandskorrespondenten halbiert, das eine Blatt verkleinert das Büro in Washington, das andere schließt Moskau ganz und so weiter. Den Mangel an Präsenz und Ortskenntnis kann niemand auf Dauer durch Meinungsstärke ausgleichen. Ich bezweifele, dass sich die Presse selbst und ihren Lesern damit einen Gefallen tut. Korrespondenten vor Ort, die im täglichen Leben die Probleme ihres Gastlandes erspüren, sind auch in Zeiten des Internets nicht zu ersetzen. Es sollten nicht erst Reporter aus Hamburg oder Berlin in ein Land geschickt werden, wenn das Auswärtige Amt einen Krisenstab eingerichtet hat."

Damit hatte er zweifelsohne Recht, auch wenn es merkwürdig anmutet, dass ein Spitzenpolitiker sich öffentlich über den Zustand der Medien sorgt, wo doch Kritiker schon von dem Entstehen einer Mediokratie warnen, also einer ungesunden Vernetzung von Politik und Medien, die zu einer neuen Herrschaftsform führt, die zwar noch etwas mit dem altgriechischen Begriff "Kratie", also Herrschaft, aber nichts mehr mit "Demos", also dem Volk, zu tun hat.

„Was heißt das für mich konkret!?"

In seinem Buch "The Image", welches 1962 erschien, stellte der Schriftsteller Daniel J. Boorstin die These auf:

Wir erfahren und sehen die Welt nicht mehr direkt, sondern durch eine verzerrende, falsche, trügerische und deformierende Widerspiegelung in Zeitungen, im Fernsehen, in der Werbung. Die natürliche Welt hat sich entfernt, ist verschwunden, ihren Platz hat die imaginierte Welt eingenommen, die wir beliebig verändern können, je nach unseren Interessen und Wünschen.

Diese Zeilen klingen heute, im Internetzeitalter, aktueller als zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift vor über einem halben Jahrhundert. Doch noch ist nichts verloren, denn die Medienrevolution ist noch im Gang. Dieses neue, frische Phänomen in der Kulturgeschichte der Welt ist noch zu jung, um wirksame Maßnahmen gegen Fehlentwicklungen wie Manipulationen entwickeln zu können. Daran müssen wir arbeiten – gemeinsam - für die Freiheit Grautöne zu erstellen, nicht nur schwarz-weiß Bilder.

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