Im laufenden Jahr sind die Anleihen chinesischer Immobilienentwickler nicht besonders gut gelaufen. Fast alle rentieren deutlich zweistellig und glänzen auch in 2010 mit einer schlechten Performance, so notiert beispielsweise ein callable der KAISA Group bei mehr als 17%. Eine Neuaufnahme von Kreditmitteln ist auf diesem Niveau ein zweifelhaftes Vergnügen. Ohne frisches Geld wird es aber nicht gehen, denn die angefangenen Projekte wollen beendet werden und der Kapitalhunger ist angesichts des anhaltenden Expansionsdranges in den Provinzen enorm. Dabei orientiert sich diese Ausweitung der Baumaßnahmen nicht selten eher an der Investmentnachfrage als an der vorhandenen Nachfrage nach Wohnraum. Denn ob die zahlreichen im Bau befindlichen Projekte auf eine sich belebende wirkliche Nachfrage treffen, darf bezweifelt werden.

Die Leerstände steigen auch in Städten wie Peking deutlich an. Die jüngsten Berichte von teils deutlich zweistelligen Einbrüchen der Preise für gewerbliche Flächen – zu denen auch Mehrfamilienmietshäuser zählen – sind ein ernstzunehmendes Signal kommender Schwierigkeiten. Die laufende Entwicklung kann für das Bankensystem in China schnell problematisch werden. Die Anleihen der Entwickler deuten wie erwähnt keine rosigen Zeiten an, dabei stellen diese Papiere seit Jahren einen ständig wachsenden Anteil der in US Dollar emittierten Papieren im asiatischen Raum (ohne Japan).  Im laufenden Jahr hat der dortige Anteil der chinesischen Immobilienentwicklern an allen US Dollar Unternehmensanleihen laut Bloomberg satte 45% erreicht. Angesichts der aktuellen Renditen sollte die Emissionstätigkeit aber einen Dämpfer erhalten. Falls nicht, dann ist man entweder äußerst optimistisch oder äußerst knapp bei Kasse.

Das Problem ist kein theoretisches und kann die chinesischen Banken schnell vor schwierige Aufgaben stellen. Mit in der Dschunke sitzen diejenigen Institute anderer Länder, die den oft auf den Caymans ansässigen Finanzierungsfirmen Geld geliehen haben, oder die entsprechenden Anleihen am Markt erworben haben. Wer sein Fremdkapital derart teuer auftreiben muss und laufenden Refinanzierungsbedarf hat, der braucht neben guten Kontakten eine solide Geschäftsbasis, um auch einen finanziellen Regenschauer überstehen zu können.  Ob dieses stabile Fundament bei den in der Vergangenheit zumindest auf dem Papier erfolgten absurden Preisanstiegen chinesischer Immobilien vorliegt? Es darf gezweifelt werden. Einen Regenschauer aber, den wird es geben.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Aktienkurse chinesischer Immobilienfirmen. Viele sind in Hong Kong gelistet, haben ihren Geschäftsschwerpunkt aber in Mainland China.

 

In Anbetracht der Jubelarien, die auch in den westlichen Medien nicht selten aufbranden, sobald es um China und die blendenden Zukunftsperspektiven geht, erstaunen die desolaten Kursverläufe der gelisteten Papiere. Zieht man die Fremdkapitalkostender Unternehmen in Betracht und schaut sich an, wie weit sich die Preisniveaus in China von dem entfernt haben, was für die Menschen vor Ort auch nur halbwegs erschwinglich ist, so klärt sich das Bild allerdings.

Neben den offenbar beginnenden Preisrückgängen im gewerblichen Bereich signalisiert die zunehmende Austrocknung des Marktes nahende Schwierigkeiten bei der Abwicklung neuer Geschäfte. So wird derzeit von einem Rückgang des Transaktionsvolumens in Höhe von 70% ausgegangen. Für die Preise gehen erste Schätzungen von einem Minus in Höhe von rund 30% aus, ein Wert der allerdings deutlich zu optimistisch sein dürfte. Das gilt vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass die Preise angeblich monatlich mit zweistelligen Wachstumsraten angezogen haben. Nach einem solchen in den offiziellen Statistiken ablesbaren Anstieg, der sich über einige Quartale hinzog, wäre selbst eine Halbierung noch eine mehr oder weniger mäßige Korrektur. Ein solcher Verfall für die Aktien und  Anleihen der Unternehmen keine Sommerbrise auslösen. Man wird sehen, ob den Firmen in China der Bankrott erlaubt ist, oder ob dieser – wie es ja der Westen im Finanzsektor vorexerziert – nur bis zu einer bestimmten Größe genehm ist.

Der chinesische Staat, dem komischerweise trotz aller gescheiterten planwirtschaftlichen Versuche auch viele Westler zutrauen, eine Wirtschaft tatsächlich „planen“ zu können, läuft Gefahr, ein Opfer seiner eigenen gespaltenen Wirtschaftspersönlichkeit zu werden. Das Land ist auf dem Weg zum Transferleistungsweltmeister (von den Städten aufs Land) und versucht, die ständig drohenden sozialen Unruhen durch finanzielle und polizeiliche Mittel im Zaum zu halten. Die planwirtschaftlichen Experimente, wie etwa der den Banken auferlegte Zwang zur Kreditvergabe, ein gemessen am BIP weltweit die Spitze haltendes Konjunkturpaket und die mittlerweile ausgeführten Bremsversuche am Immobilienmarkt führen auf Dauer vermutlich nur in die Verwirrung. Allein der Versuch, den Konsum zu stützen und simultan den Immobilienmarkt zu bremsen, zeugt von einer gewissen Hilflosigkeit, die bei den drohenden sozialen Spannungen aber durchaus nachvollziehbar ist. Die Verbindungsstränge zwischen einzelnen Teilen einer Volkswirtschaft lassen sich aber mit oder ohne Druck nicht wegplanen. Die Geister des Immobilienmarktes, die im „Land der Mitte“ gerufen wurden, sind offensichtlich schwer abzuschütteln. Zumindest werden diese nicht verschwinden, ohne tiefe Spuren zu hinterlassen.

Als unbestritten darf wohl die Entschlossenheit der chinesischen Dienststellenleiter gelten, die Konjunktur auch weiterhin mit massiven Geldmitteln zu stützen, wenn es knirscht. Die von den chinesischen Kommunen über Finanzierungsvehikel vom Staat aufgenommenen Mittel sollen sich bereits jetzt auf etwa $800 Mrd. belaufen. Das Geld floss zum großen Teil in Landentwicklungs- und Immobilienprojekte, so dass auch das Wohl und Wehe der Staatsfinanzen zu einem nicht geringen Teil direkt am Häusermarkt hängt. Zur Einordnung, die ach so niedrige externe Verschuldung Chinas wird laut Bloomberg mit etwas mehr als $400 Mrd. angegeben, die Gesamtverschuldung mit etwas mehr als $800 Mrd. Die interne Verschuldung über die Finanzierungsvehikel ist also in der gleichen Größenordung und somit durchaus beachtenswert.

Auch von der Industrie kommen vermehrt Klagegesänge. Gerade der Einbruch der weltweiten Konsumnachfrage, von dem sich viele Branchen nach wie vor nicht annähernd erholt haben, setzt der chinesischen Exportindustrie zu.

 

 

Zum Vergleich die deutsche Handelsbilanz, der unterschiedliche Verlauf in der Krise ist frappierend.

 

 

Nicht gerade hilfreich für die Freunde des Exports war die schlussendlich logische Entwicklung der teils deutlich steigenden Löhne. Lange wurde versucht, diese unten zu halten. Auf Dauer ist dies nicht möglich, was den Chinesen allerdings bekannt ist. Für die Bevölkerung ist das so lange gut, bis die Arbeitsplätze auswandern.  Diese Verlagerung einfacher Arbeiten in Länder mit noch niedrigeren Standards ist seit Jahren auf dem Vormarsch und wird weiter anhalten. Ob Firmen wie Apple wegen der höheren Löhne bei Foxconn langfristig auf Margen verzichten wird, wenn der aktuelle Medienrummel einmal nachlässt?

So ist zwar ein stärkerer Fokus auf die Binnenwirtschaft bei einem Land von der Größe Chinas durchaus nichts generell Schlechtes. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die binnenländische Nachfrage in den letzten Jahren derart stark werden konnte, dass sie die massiven Investitionen rechtfertigt, die mit dem Ziel getätigt wurden, Produkte auch in großem Stil an internationale Nachfrager zu verkaufen. Angesichts des auch im weltweiten Vergleich immer noch sehr niedrigen mittleren pro-Kopf Einkommens der Menschen in China scheint ein derart schneller Wechsel zu einer strukturell stabilen, auf Inlandsnachfrage basierten Ökonomie doch sehr unwahrscheinlich. Ein schwacher Immobilienmarkt und eine Bankenkrise kämen den Wirtschaftslenkern auch aus diesem Grunde mehr als ungelegen.

Das Land der Mitte hat natürlich weiterhin finanziellen Spielraum, an vielen Stellen auch deutlich mehr als so manch westlicher Konkurrent. Die Probleme, denen sich die Chinesen stellen werden müssen, sind nichtsdestotrotz enorm. Aber auch für diese Situation gibt es im fernen Osten zumindest eine Weisheit. Die vielzititerte Meinung „wenn sie Geld brauchen, dann schmeißen die halt ihre Treasuries auf den Markt“ ist hier wenig hilfreich, denn stabilisierend wäre eine solche Aktion sicherlich für beide Seiten nicht.

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