Der Brexit hat eine finanzielle Kettenreaktion ausgelöst, die auch Probleme des italienischen Bankensystems offengelegt hat. Die Entscheidung Großbritanniens die EU zu verlassen hat auf Seiten der Investoren die Angst vor einer neuen Krise oder dem Auseinanderbrechen der Union geschürt. Das führte dazu, dass die Investoren schnell ihre Anlagen aus den fragilsten Sektoren der Europäischen Finanzmärkte zurückzogen.

Die italienischen Banken gehören zu diesen Sektoren. Die untenstehende Grafik zeigt den steilen Abfall des italienischen FTSE Index nach dem Ergebnis des Referendums in Großbritannien.

Das große Problem der italienischen Banken ist, dass sie mit so genannten notleidenden Krediten (NPLs) überschwemmt werden. Dabei handelt es sich um Kredite, für die die Schuldner mindestens 90 Tage lang keine planmäßigen Auszahlungen vollzogen haben.

Mit anderen Worten: die italienischen Banken bekommen Teile des Geldes, das sie verliehen haben, nicht zurück. Nach Daten der Bank von Italien beliefen sich die NPLs im Jahr 2015 auf einen Wert von 360 Milliarden Euro, oder auf 18% aller Kredite, die ausgestellt wurden (siehe Grafik). Von diesen Krediten sind Kredite im Wert von 210 Milliarden Euro von schlechter Qualität, oder nicht mehr einziehbar. Die übrigbleibenden Kredite im Wert von 150 Milliarden Euro sind von etwas besserer Qualität.

Italienische Banken sind also zu einem außergewöhnlichen Maß von NPLs betroffen. Die NPLs belaufen sich auf fast ein Viertel des italienischen BIPs und auf ein Drittel der NPLs aller EU Mitgliedstaaten. In der Praxis sind NPLs ein großes Hindernis für die Fähigkeit italienischer Banken, Investments und Wachstum in der Realwirtschaft zu finanzieren. Dementsprechend stellen die NPLs eine erhebliche Gefahr für die Stabilität der gesamten EU dar.

Das Problem hat seinen Ursprung in der siebenjährigen Rezession, die auf die globale Finanzkrise im Jahr 2008 und auf die sich daraus entwickelnde europäische Schuldenkrise folgte. Der Mechanismus dahinter ist einfach: Wenn sich die Wirtschaft in keiner guten Lage befindet, haben Unternehmen und Haushalte Probleme, ihre Schulden an die Banken zurück zu bezahlen.

Ein anderer Grund für das aus den NPLs entstehende Problem ist der Umstand, dass die Manager von italienischen Banken schlechte Investitionsentscheidungen getroffen haben; unter anderem wurden Kredite auf der Grundlage von Vetternwirtschaft vergeben. Deshalb scheint es nicht übertrieben zu sagen, dass eine unabhängige Untersuchung des Sachverhalts ins Leben gerufen werden sollte – eine Art von NPL Überprüfung unter Mitwirkung von unabhängigen Experten und der Zivilgesellschaft.

Das Unvermögen der Regierung

Ein weiterer Grund für die NPL Krise ist das Unvermögen der italienischen Regierung, das Problem zu lösen, so wie es andere EU Länder getan haben. Unter anderem Frankreich und Deutschland haben direkt eingegriffen, indem sie Staatsfonds bereitgestellt haben, um ihren Banken frisches Kapital zur Verfügung zu stellen – ein Schritt, der ihnen auch aufgrund ihrer solideren Staatsfinanzen möglich war.

Irland und Spanien haben sogenannte Bad Banks genutzt, die sowohl vom Staat als auch privaten Investoren finanziert wurden. Diese Banken kaufen mit ihren Mitteln die schlechten Kredite der anderen Finanzinstitute auf. Sie fokussieren sich dabei auf die notleidenden Kredite, indem sie z.B. versuchen, das Geld von Schuldnern zurück zu gewinnen. Die restlichen Banken können dann, nachdem ihnen die Last der schlechten Kredite abgenommen worden ist, ihre normalen Aktivitäten wieder aufnehmen. Direkte Rettungsmaßnahmen des Staates und die Nutzung von Bad Banks schließen sich nicht gegenseitig aus. Diese zwei Maßnahmen werden sogar in vielen Fällen gleichzeitig ergriffen.

Im Fall von Italien konnte die Regierung nicht direkt mit Hilfe öffentlicher Gelder intervenieren. Italiens große Staatsverschuldung machte eine Unterstützung von angeschlagenen Banken durch öffentliche Gelder unmöglich. Dennoch wurden einige Ausnahmen gemacht, die z.B. die Banca Monte dei Paschi di Siena in dem Zeitraum zwischen 2008 und 2012 betrafen.

Eine noch entscheidendere Rolle spielte allerdings, dass zu der Zeit, in der sich die italienische Regierung dazu entschieden hatte, vier kleine, angeschlagene Banken zu retten, neue EU-Regelungen bereits fast vollständig umgesetzt worden waren – so z.B. die Bail-In Regelung. Diese Vorschriften legten fest, dass wenn sich eine Bank in einer Krise befindet, ihre Gläubiger – Inhaber und Einleger zusammen mit Aktionären – die dadurch entstehende Last tragen müssen, indem Teile der ausstehenden Schulden abgeschrieben werden. Diese Maßnahme verfolgt das Ziel, dass Regierungen in die Lage versetzt werden, eine Rettung von Banken mit Steuergeldern zu vermeiden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die italienischen Banken sich in einer Krise befinden, die direkte, staatliche Maßnahmen erfordert, diese allerdings unter geltenden EU-Bestimmungen nicht länger möglich sind. Deshalb verhandelt die italienische Regierung momentan mit der Kommission über alternative, komplexere Lösungen, die ohne eine Nutzung von Steuergeldern funktionieren sollen. Leider ist unwahrscheinlich, dass diese Maßnahmen in der Lage sind, die betroffenen Banken am Leben zu halten, da sie die Steuerungs- und Geschäftsstrategien der Banken nicht gründlich genug umstrukturieren und den Banken kaum ermöglichen, wieder im Ausleihegeschäft tätig zu werden.

Zum jetzigen Zeitpunkt wäre die angemessenste Lösung unter strengen Auflagen eine Injektion öffentlichen Kapitals in das Bankensystem zu vollziehen. Diese Auflagen würden eine effizientere Steuerungs- und Geschäftsstrategie für die geretteten Banken darstellen. Der Fall Schweden im Jahr 1992 hat gezeigt, dass Banken haftbar gemacht werden, und Regierungen zu Besitzern von Banken werden können. Zudem war die schwedische Regierung in der Lage, Profit zu machen, nachdem sie die Anteile der Banken zu einem späteren Zeitpunkt verkaufte.

Direkte, staatliche Maßnahmen würden verhindern, dass kleine Investoren ihre Ersparnisse verlieren. Diese Kleinanleger halten ein Drittel aller Anleihen, die von italienischen Banken vergeben werden, sind sich aber nicht immer der Risiken bewusst, die ihnen von den Managern der Banken auferlegt werden. Ganz grundsätzlich könnten direkte Maßnahmen des Staates das wirtschaftliche Wachstum in Italien ankurbeln – einem Land das genau dies so dringend braucht.


Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von http://www.valuewalk.com für Cashkurs übersetzt. Den Originalbeitrag finden Sie in englischer Sprache unter http://www.valuewalk.com/2016/07/pandoras-box-italy-bank-run.

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