Niemand kann behaupten, es herrsche ein Mangel an „historischen Tagen“ in unseren Kalendern. Es handelt sich hier um globales Phänomen und beschert uns Tage wie den „Murmeltiertag“ (2. Februar) in Nordamerika, der sich zufällig mit dem „Tag der Feuchtgebiete“ überschneidet. Dann gibt es den Tag des deutschen Bieres am 23. April eines jeden Jahres, der nicht verwandt oder verschwägert ist mit dem „Deutschen Lebertag“, der jährlich am 20. November begangen wird. Im vergangenen Jahr kam nun mit der Lehmanpleite der 15. September als „The bank formerly known as too big to fail“-Tag hinzu. Teilweise wird bereits in den Medien darauf verwiesen, es handle sich gleichzeitig um den Beginn der Krise. Das ist natürlich grober Unfug, der sich auch durch ständiges Wiederholen nicht den Fakten annähern kann. Viel eher entspringt diese Vorstellung wohl dem Wunsch, die strukturellen Fehlentwicklungen der vergangen Jahrzehnte zu verdrängen.

 

 

Nun ist so ein Tag trotz allem ein passender Anlass, einmal innezuhalten und zu schauen, was sich denn im Finanzsektor seither getan hat. Viel wurde geredet, neue Regulierungen wurden gefordert. Gleichzeitig wurden höhere Kreditvergabe, weniger Hebel und vereinfachte und dabei trotzdem verschärfte Eigenkapitalregeln gefordert. Prima, bei so unverständlichen und sachlich eher belustigenden weil völlig unsinnigen Forderungen ist es doch interessant, einmal zu schauen, wie sich die aktuelle Lage darstellt und was aus den guten Vorsätzen geworden ist.

Wir werfen daher einmal einen Blick in die Bilanzen des US Bankensektors und beziehen uns auf die offiziellen Daten der FDIC (Abschlussdokumente zum zweiten Halbjahr, Daten von über 8000 US Instituten), der so genannten Einlagensicherungsbehörde in den USA. Da man in vielen westlichen Ländern nur die großen Institute wahrnimmt, gerät schnell der für die Staaten wichtige Sektor der Regionalbanken in den Hintergrund. Diese Institute weisen keine Milliarden an Scheingewinnen aus und sinken auf Grund der zentralistisch ausgerichteten Subventionierung der politisch gut vernetzten Großbanken immer tiefer in den Sumpf. Einige Daten zur aktuellen Lage, die die Augenwischerei einer vermeintlichen strukturellen Stabilisierung eindeutig zurückweisen.

Die Abschreibungsrate auf Kredite (net charge off rate) erreichte einen neuen Quartalsrekord. Dabei stiegen die Abschreibungen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 85% auf nun $48,9 Mrd. Am übelsten erwischte es die Kredite an gewerbliche Kunden mit einem Anstieg von über 165%. Dagegen nimmt sich der Wert für die Kreditkartenabschreibungen mit einem Plus von gut 85% schon beinahe bescheiden aus.
Als positiven Aspekt vermeldet die Branche stolz die Verbesserung der Zinsmarge, was vor allem an den staatlich subventionierten Kosten der Liquiditätsbeschaffung liegen sollte. Immerhin stellt allein die FDIC mittlerweile Garantien im Umfang von ca. $340 Mrd. bereit. Selbstverständlich hat die Behörde diese Mittel gar nicht, um wirklich im Fall der Fälle als Garantor auftreten zu können, aber daran hat man sich allem Anschein nach bereits gewöhnt. Dummerweise hilft die Verbesserung der Margen nicht, denn schneller als diese stiegen sanken die zinsbringenden Assets der Banken. Auch an diesem Zopf kann sich die Branche also keinen Zentimeter weit aus dem Schlamm ziehen.

Dazu gesellen sich dann noch Verzüge, also ausbleibende Zahlungen, die sich gemessen am Volumen ebenfalls auf einem Rekordniveau wiederfinden. Auch die Rate der Verzüge liegt mit 4,35% nahe dem Rekordwert und stellt ein 26-Jahreshoch dar. Man muss sich diese Zahl auf der Zunge zergehen lassen, 4,75% aller Kredite werden derzeit nicht bedient. Schaut man sich den zu Staub zerfallenden Arbeitsmarkt und die vollkommen ungestört grassierende Verschuldungsseuche des Staates, der Unternehmen (inkl. Banken) und der Bürger an, lässt sich leicht erraten, in welche Richtung sich diese Zahl in den kommenden Quartalen entwickeln wird. Das Eigenkapital lässt schon mal schön grüßen.

Die folgende Grafik zeigt, dass sich die Banken bei der Risikovorsorge nicht eben mit Ruhm bekleckern (Rum wäre wohl auch tatsächlich angemessener).

 

 

Die Reserven (loan loss reserves) stiegen an, das bedeutet die Institute erhöhen die Verlustvorsorge. Die angeschlagenen Kredite (noncurrent loans) stiegen allerdings wesentlich schneller, so dass sich bereits eine Deckungslücke von über $60 Mrd. aufgebaut hat. Die so genannte coverage ratio, das ist schlicht die Ratio von Reserven zu noncurrent loans liegt bei 60%. Bei einem Vorsorgelevel von 60% in einer Branche, die INSGESAMT Quartalsverluste aufweist, von Vorsorge zu sprechen ist grob fahrlässig. Von Erholung oder stabiler Entwicklung zu faseln zeugt leider von vollkommener Unkenntnis der öffentlich zugänglichen Fakten. So liegt der Anteil an allen 8195 über das FDIC System „versicherten“ Banken, die sich auf der Liste der angeschlagenen Geldhäuser (problem list) befinden, derzeit bei deutlich über 400. Die Namen der Betroffenen werden natürlich zum Wohle der Kunden nicht genannt. Diese Zahl bedeutet den höchsten Wert seit 15 Jahren und ist fast viermal so hoch wie noch vor einem Jahr. Die Prognosegüte dieser Liste ist allerdings recht einseitig, kommen doch Banken auf der Liste in der Tat oft unter die Räder, erwischt es aber auch zahlreiche Institute, die nie auf ihr gestanden haben.

Kaum eine der aktuell verbreiteten Stabilisierungsgeschichten kommt ohne den Krisensektor Immobilien aus. So wird jedes Zucken der Preiskurve mittlerweile freudetaumelnd als “Trendwende” oder “Boden” hingenommen. Das Verhalten erinnert an euphorische Jubelarien bei dem der sichere Bundesligaabsteiger am letzten Spieltag im heimischen Stadion den ersten und einzigen Punkt der Saison holt. Nach der Sommerpause wacht man dann mit Kater in der zweiten Liga wieder auf. Den Punkt vor Augen hat man den Abstieg ganz vergessen. Der Punkt, der bezogen auf den Immobilienmarkt gerne außen vorgelassen wird, ist das so genannte „other real estate owned“, kurz REO, auf den Bilanzen der Banken.

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Other real estate owned – primarily foreclosed property. Direct and indirect investments in real estate ventures are excluded. The amount is reflected net of valuation allowances.
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Hierbei handelt es sich nicht etwa um den gewöhnlichen Immobilienbesitz der Banken, sondern im Grunde allein um Bestände aus Zwangsvollstreckungen. Ein Anstieg in diesem Bereich ist nicht sonderlich erstaunlich, ist doch oft die Bank, die ein Haus versteigert, auch gleichzeitig der einzige Bieter bei der Auktion. So lässt sich mehr oder weniger geschickt -zumindest zeitweise - ein tieferer Preis vermeiden. Das hat den vom Institut gewünschten Nebeneffekt, für die Häuser in der Nachbarschaft ebenfalls keine tieferen Schätz- bzw. Bilanzierungspreise zu verursachen. Echte Marktwirtschaft, american style.

 

 

Der Anteil des REO in den Bilanzen (siehe oben stehende Grafik) ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, eine Änderung der Tendenz ist nicht zu erkennen. Denken Sie daran, wenn Ihnen jemand von erfolgreichen Auktionen und steigender Nachfrage bei US Immobilien erzählt. Oft sind es die Gläubiger selbst, die in die Tasche greifen.

Ein ähnliches Bild liefert die Statistik zum Gesamtvolumen der Derivate in den Bilanzen der Banken, dargestellt auf der folgenden Grafik. Von einer Rückehr zur Normalität ist auch hier nichts zu erkennen, es sei denn man hält das ungebrochene Wachstum für Normalität.

 

 


Viel wird hier von „netting“ gesprochen, dass heißt man könne beispielsweise long und short Positionen gegeneinander aufrechnen, so dass allein das Volumen der Positionen keine allzu starke Aussagekraft habe. Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz korrekt. Löst man eine Position mit dem gleichen Geschäftspartner auf, mit dem man ursprünglich gehandelt hat, dann verschwindet die gesamte Position. Schließt man eine Position, die man mit Bank A gehandelt hat durch ein Gegengeschäft mit Bank B, so ist zwar das Marktrisiko vom Tisch, dafür hat die Bank nun ein neues Kontrahentenrisiko durch den zweiten Geschäftspartner. Risiken verschwinden nicht, sie wechseln nur Form, Farbe und den Besitzer.

Aber wollen wir uns nicht allzu sehr ärgern, am letzten Werktag im Oktober ist wieder Weltspartag. Da kann dann jeder über seinen Steuerbeitrag hinaus ein paar Groschen zur Bankenrettung beitragen.

 

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