Wenn  Europa, ob im Rahmen der EU oder einer anderen politischen Entität, überleben, beziehungsweise eine geopolitische Perspektive erlangen will, muss es sich –im Rahmen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik- auf  jene Staaten konzentrieren, die dafür in Frage kommen.

Die Nato ist das Problem, nicht die Lösung für die Probleme der EU

Großbritannien gehört, trotz seiner militärischen Potenz, nicht dazu, denn es ist auf die USA ausgerichtet - vom Brexit einmal abgesehen. In Frage kommen also nur Frankreich, Deutschland und Polen - jene drei Staaten, die das sogenannte Weimarer Dreieck bilden.

Diese Forderungen, welche keineswegs nur von politischen Abenteurern oder extremen Rändern des politischen Spektrums erschallen, wurden schon vor zwei Jahren geäußert, als man in Thüringen das 25-jährige Bestehen des Weimarer Dreiecks feierte, und dabei auch-bewusst oder unbewusst, die NATO-Hegemonie in Frage stellte.

Damals -kurz vor dem Wahlsieg Donald Trumps- wurde die berechtigte Frage aufgeworfen, weshalb sich die EU der globalen Nato-Strategie unterordnen und deren wahllose Out-of-area-Einsätze mittragen sollte, die den Interessen unseres Kontinentes schaden. „In Anbetracht der beispiellosen Herausforderungen für Europa erachten wir es für erforderlich, die Zusammenarbeit zu intensivieren und ihr einen neuen Impuls zu geben“, hieß es damals in einer gemeinsamen Jubiläums-Erklärung der Außenminister des Weimarer Dreiecks.

Als gemeinsame Handlungsfelder sind darin die Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die Wirtschafts-, Energie- und Beschäftigungspolitik genannt. Leider folgten diesen Worten keine Taten, was tragisch ist. Immerhin ist es Europa, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Krisenherden Nordafrikas und des Nahen Ostens befindet. Und die sind 17 Jahre nach dem Beginn des von Washington ausgerufenen Krieg gegen den Terror im Übermaß vorhanden – und eben nicht die versprochenen „Leuchttürme der Demokratie“. Dazu kommen steigende Flüchtlingszahlen, eine erhöhte Terrorgefahr und ein politisches System Europa, welches ins Wanken geraten ist.

Macrons Aufstieg

Der Aufstieg von  Emmanuel Macron bis in den Präsidentenpalast in Paris, ist sicherlich ein Ausdruck dafür, wie marode das politische System des Kontinents ist, ja wie leicht das Kartenhaus des traditionellen Parteiensystems zusammenstürzen kann, nicht nur westlich des Rheins.

Im Mai dieses Jahres beging Präsident Macron sein einjähriges Jubiläum im hohen Amt. Zwölf Monate zuvor hatte der damalige Kandidat in der zweiten Wahlrunde der Präsidentschaftswahlen Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National (mittlerweile umbenannt in Rassemblement National) deutlich geschlagen.

Le Pen versagte vor allem im grellen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, als sie im sogenannten TV-Duell ihre wirtschaftspolitische Inkompetenz zur Schau stellte, flankiert von einem einfältigen Grinsen. Der Sieg Macrons wurde als Sieg der Demokratie interpretiert.

Europawahl 2019 - FDP plant Kooperation mit En Marche

Für die Europawahl im kommenden Jahr strebt die FDP eine Zusammenarbeit mit der Partei Macrons an. So verkündete es Christian Lindner nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten. Um was für eine Zusammenarbeit es gehen soll, wurde nicht weiter erläutert. Immerhin ließ Lindner aber gegenüber der Presse mitteilen, dass die FDP der Bewegung „En Marche“ von allen deutschen Parteien inhaltlich am nächsten steht.

Macron sah die FDP problematisch

Das ist erstaunlich, nicht nur aufgrund der himmelweiten Unterschiede zwischen den Parteiensystemen der beiden Länder, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass Präsident Macron die FDP als problematisch ansah, als diese noch um eine Regierungsbeteiligung pokerte.

Macron  fürchtete damals sogar mit seinen Europavisionen ausgerechnet an der FDP zu scheitern. Grund für  die Verstimmungen waren  die reservierten bis kritischen Äußerungen der FDP-Führung auf die damalige 100minütige Rede Macrons an der Universität Paris-Sorbonne. Macron zeichnete damals sein Bild von einem neuen Europa inklusive Euro-Zonen-Budget mit eigenem Finanzminister.

Genau dieses Herzstück Macrons traf bei der FDP auf Ablehnung, wie der heimliche FDP-Außenminister Alexander Graf Lambsdorff (50) erklärte: Europa werde nicht dadurch stärker, “dass wir weitere Geldtöpfe aufmachen, die den Anreiz für solide Haushaltspolitik schmälern.“ Besser seien Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten, das Aufbrechen von Monopolen in bestimmten Berufen sowie Privatisierungen und Bürokratie-Abbau.

Christian Lindner - ein deutscher Macron?

Inzwischen scheinen beide Seiten ihre Bedenken aus dem Weg geräumt zu haben. Oder träumt Christian Lindner vielleicht davon, das bundesdeutsche Parteiensystem so zu entsorgen, wie es Macron in Frankreich tat, durch die Bildung einer bürgerlichen Sammlungsbewegung etwa? "Wir haben vereinbart, dass wir weiter im Gespräch bleiben."

Die Europawahl könne die politische Landschaft verändern, gab Lindner als Motivation preis. Überall in Europa seien christ- und sozialdemokratische Parteien zu erschöpft, um sich dem Populismus von links und rechts entgegenzustellen. "Für die moderaten, liberalen Kräfte ist das eine Chance und eine Verantwortung zugleich."

Falls die FDP-Spitze den phänomenalen Aufstieg von Macrons politischer Bewegung immer noch als Vorbild sieht, sollte man sich keiner Illusionen hingeben.

Macron stürzt in Umfragen ab

Inzwischen ist die Jubelstimmung westlich des Rheins verflogen. Gemäß aktueller Umfragen sind 60 Prozent der Franzosen mit der Politik des Präsidenten unzufrieden. Der Anteil der Franzosen, die diese als ungerecht empfinden, ist sogar noch höher.   

Zu Beginn seiner Amtszeit gab sich Macron noch als ein reformorientierter Sozialdemokrat aus. Doch bald schon zeigte sich, dass er zusammen mit seinem rechtsliberalen Premierminister Éduard Philippe einer knallharten  turbokapitalistischen Agenda folgt. Seit Neuestem präsentiert er sich offen als Mann der politischen Rechten, kokettiert mit der katholischen Kirche und rüttelt an den Dogmen des Laizismus.

Gaullismus ohne de Gaulle

Vielleicht geht es Christian Lindner als Fan des französischen Präsidenten so, wie seinem Idol. Beide sehen Macron als eine Art Wiedergeburt von Charles de Gaulle, jenes legendären Staatsoberhauptes Frankreichs, in dessen Schatten seitdem alle Präsidenten agieren.

Allerdings sind  bei Macron weder innen- noch außenpolitisch gaullistische Tendenzen zu erkennen. Möglicherweise ist dieser Begriff überholt. "Le Gaullisme sans de Gaulle, c' est idiot" - zu deutsch: Gaullismus ohne de Gaulle hat keinen Sinn!", so drückte es einmal der Schriftsteller André Malraux, ein enger Weggefährte des Generals, aus.

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