"...als würde man in dem Geschäft eine Opiumhöhle ausnehmen."

Nach dem Prozedere, als ich mich an der Kasse befand um zu bezahlen, betraten zwei Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes den Salon, in einer Art und Weise, als würden sie sich in ihrem Wohnzimmer bewegen. Statt zu grüßen, das Gespräch mit dem Inhaber zu suchen, oder ihr Anliegen zu erörtern, forderten Sie den jungen Mann auf, der in der Zwischenzeit auf meinem Friseur-Stuhl Platz genommen hatte, sich auszuweisen. Vor der Tür hatte sich ein Polizeibeamter platziert, als würde man in dem Geschäft eine Opiumhöhle ausnehmen.

Dieser Kunde hatte gerade zuvor seine Gesichtsmaske abgenommen, aus dem einfachen Grunde, weil er sich seinen Vollbart stutzen lassen wollte, dieses mit dem Frisör besprach, was nur kurz dadurch unterbrochen wurde, dass dieser mich rasch abkassierte.

In dem Moment, als die Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes auftauchten, saß er also für einige Sekunden ohne Maske auf dem Stuhl. Der Kunde argumentierte folgerichtig, dass er keine Maske tragen würde, wenn ihm gleich der Bart gestutzt wird, während die Damen des öffentlichen Dienstes darauf beharrten, dass die Gesichtsmaske nur im Rahmen der direkten Tätigkeit des Frisörs abgenommen werden darf.

Was will man machen“, seufzte der Inhaber des Salons. “Ich wäre ja nur froh, wenn der Staat sich genauso um meine finanzielle Zukunft sorgen würde, wie um den Kunden ohne Maske“.

Die Kasernenhof-Demokratie

Einige Tage später. Direkt an den Ufern des malerischen Müggelsees ist vor einem geschlossenen Restaurant ein Stand aufgebaut, an dem Bratwürstchen, Kuchen und Getränke angeboten werden. Die Restaurantbetreiber versuchen so Einnahmen zu generieren.

Wie soll es mir schon gehen,..?“ antwortet die Bedienung auf die Frage nach ihrem Befinden, eine junge Frau von 28 Jahren, die ansonsten im Restaurant tätig ist.

Ich bin arbeitslos, daher froh, wenigstens ab und zu so etwas Geld verdienen zu können, vor allem aber etwas zu tun zu haben. Allerdings war eben das Ordnungsamt hier und hat uns eine Stunde quasi auf die Finger geschaut, ob wir auch die Ware ordnungsgemäß unseren Kunden überreichen, mit dem nötigen Sicherheitsabstand. Da fühlte ich mich wie in meine Schulzeit zurückversetzt,..“ fügt sie müde lächelnd hinzu, während Sie einige Würstchen auf dem Grill dreht.

Meine Mutter sprach immer vom Kasernenhof-Sozialismus, wenn Sie vom Leben in der DDR erzählte. Die Zeiten habe ich nicht erlebt, ich bin ja nach der Wende geboren, aber ich fühle mich heute wie die Bürgerin einer Kasernenhof-Demokratie, überwacht, Befehle ausführend, bei strenger Disziplin, ohne Reisefreiheit!“

gibt sie zum Abschied zu bedenken.

Der öffentliche Dienst über dem marktwirtschaftlich agierenden Mittelstand

Mit diesem Beitrag verfolgt der Verfasser nicht die Absicht, die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu hinterfragen, oder gar zu negieren, sondern einfach auf die Tatsache hinweisen, dass im Zuge dieser Krise der Einfluss des öffentlichen Dienstes über große Teile des Kleingewerbes, der Freiberufler und Selbstständigen - ein Einfluss der schon zuvor in der Bundesrepublik erheblich war - einen neuen Höhepunkt erreicht.

Man kann sogar den Eindruck erlangen, dass der Mittelstand die Hauptlast der Krise trägt, flankiert von einem Maßnahmenkatalog, der seines Gleichen sucht.

Deutschland - ein ordnungspolitischer Flickenteppich

Kürzlich wurde der Lockdown zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wegen weiter hoher Infektionszahlen bis zum 31. Januar verlängert. Darauf haben sich Bund und Länder bei ihren Beratungen am Dienstag in Berlin verständigt, wie aus ihrem Beschlusspapier hervorgeht.

Flankiert von verschärften Kontaktbeschränkungen, sind zukünftig private Zusammenkünfte nur noch im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes und mit maximal einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet.

Der ordnungspolitische Flickenteppich, von Bundesland zu Bundesland, von Landkreis zu Landkreis bleibt dabei bestehen. Nur wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze von Berlin, im Bundesland Brandenburg, besteht ab 22.00 Uhr eine Ausgangssperre, in der Bundeshauptstadt aber nicht.

Weshalb, so fragt sich der Passant, der mit offenen Augen und Ohren durch die Straßen Berlins flaniert, sind Sonnenstudios geöffnet, Bekleidungsgeschäfte aber nicht. 

Vor einigen Tagen sprach ich mit einem Bekannten, einem Hochzeits-DJ aus Hamburg, der sein Hobby zum Beruf gemacht hatte und damit in den vergangenen Jahren gut Geld verdiente. Dieser Bekannte bekam neulich ein Schreiben des Finanzamtes, in dem er dazu aufgefordert wurde, seine Selbstständigkeit breiter aufzustellen.

"Es ist schon erstaunlich", sagte er mir am Telefon. "Da erklären mit Menschen, die noch nie freiberuflich gearbeitet haben, wie ich mich als Selbstständiger aufzustellen habe, als ob das so einfach wäre..!"

Die "Diktatur des real existierenden Bürokratismus“

An einer Hauswand in Berlin entdeckte ich einen Schriftzug“ Die Diktatur des real existierenden Bürokratismus“, offensichtlich eine Abwandlung des Begriffes „real existierender Sozialismus“, den Erich Honecker verwendete, um das politische System der DDR zu definieren.

Max Webers Analyse der Bürokratie

Der berühmte Sozialwissenschaftler Max Weber definierte Bürokratie als eine von mehreren Formen der Herrschaft. Weber, der 1920 verstarb, betrachtete die Bürokratie als die reinste Form legaler Herrschaft und die höchste Stufe der Rationalität.

Erhardts Thesen und die aktuelle Realität

Die Frage also, ob wir in einer Art bürokratischer Diktatur leben, wie der erwähnte Slogan an der Berliner Hauswand suggerierte, soll hier nicht beantwortet werden.

Sicher ist aber, dass momentan der öffentliche Dienst massiv das Schicksal des freigewerblichen Mittelstandes bestimmt und prägt, oder anders ausgedrückt, dass Menschen, deren Einkommen unabhängig vom Marktgeschehen ausgezahlt wird, das wirtschaftliche Wohlergehen von Menschen bestimmt, die Tag für Tag ihr Einkommen aus dem Marktgeschehen generieren müssen, somit also das Rückgrat der sozialen Marktwirtschaft bilden, gar deren Fundament, wie es Ludwig Erhardt einst in einem Werken beschrieb und in seiner Politik propagierte.

"Mittelstandspolitik ist die besondere Wirtschaftspolitik für den selbstständigen Mittelstand, der in Deutschland 96 Prozent aller Unternehmenseinheiten ausmacht. Der Mittelstand stellt eine heterogene Gruppe dar; er setzt sich zusammen aus Handwerk, Einzelhandel, den freien Berufen, dem Dienstleistungsgewerbe sowie Klein- und Mittelbetrieben der Verarbeitenden Wirtschaft bis zu einer Betriebsgröße von 500 Mitarbeitern." heißt es dazu, auf der Homepage der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Handwerksbetriebe und Familienunternehmen, Ingenieurbüros und Restaurant, Kreative Agenturen, Freiberufler, etc.: der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Wird dieses Rückgrat dauerhaft und nachhaltig beschädigt, sind die wirtschaftspolitischen Folgen unabsehbar.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die Wirtschaft steht still, an die Stelle der Marktwirtschaft ist der Staat getreten. Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft, wie es in alten Lehrbüchern heißt. Demnach leidet unsere Wirtschaft unter massiven Vergiftungserscheinungen, denn die Unsicherheit darüber, wie es weitergeht, ist allgegenwärtig.

Die Tatsache, dass der freiberuflich tätige Mittelstand kaum Gehör findet, liegt darin begründet, dass die Entscheidungsträger in Politik, Verwaltung und Wirtschaft nicht aus diesem Milieu stammen.

Hier ist in der Zukunft ein Umdenken erforderlich, denn ansonsten droht jene Monopolbildung im Kapitalismus, vor der die Klassiker des Marxismus warnten, oder anders ausgedrückt, die Herrschaft der großen transnationalen Konzerne, die schon heute mehr Einfluss auf die Politik ausüben, als es verträglich wäre.

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