In Griechenland ändert sich so einiges!

Kyriakos Mitsotakis ist seit nunmehr vier Wochen Premierminister in Griechenland. Er hat es geschafft, dem Land bereits jetzt seinen Stempel aufzudrücken. Sein Team erweist sich als gut vorbereitet und scheint nach einem detaillierten Plan zu arbeiten. Auf der negativen Seite der Beurteilung der ersten Wochen stehen Aktionen von Politikern der Regierungsfraktion, welche an frühere, wenig ruhmreiche Zeiten erinnern.

Steuersenkungen mit gleichzeitigem Druck auf Steuersünder

Das Tempo, mit dem die Regierung Mitsotakis direkt nach ihrer Amtsübernahme loslegte, hat die Griechen überrascht. Bereits in den ersten drei Wochen der Regierung Mitsotakis wurden entscheidende Gesetzespakete durch das Parlament gebracht und verabschiedet. Darunter sind Gesetzespakete, welche die Steuern gezielt dort senken, wo die Einnahmestatistiken der Finanzämter eine Unmöglichkeit des Eintreibens aufzeigt.

So möchte Mitsotakis auch die fiktiven Schätzsteuern abschaffen, mit denen Steuerzahlern ein Einkommen unterstellt wird, wenn sie einen PKW, ein Motorrad, ein Fischerboot oder ähnliches besitzen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Güter zu wirtschaftlich besseren Zeiten angeschafft wurden. Der Markt für derartige Produkte ist in Griechenland nahezu zusammengebrochen, so dass die betroffenen faktisch in einer doppelten Schuldenfalle stecken.

Mitsotakis steuerliche Maßnahmen lassen sich mit der Formulierung „mit Zuckerbrot und Peitsche“ umschreiben. Er kappt Unternehmenssteuern, erhöht aber durch Verpflichtung der Firmen zur ans Finanzamt angebundenen elektronischen Buchführung den Druck auf die Unternehmen, ihren fiskalischen Verpflichtungen auch wirklich nachzukommen. Per saldo dürfte Mitsotakis mit dieser Methode trotz der nominellen Steuersenkungen, tatsächlich mehr Geld in die Kassen des Staates spülen. Mindestens aber wird mit den Anpassungen verhindert, dass die nicht eintreibbaren - oft auf fiktiver Basis ermittelten - Steuerschulden nicht weiter in den Bilanzen stehen.

Das Ratenprogramm zur Abzahlung alter Steuerschulden, die oft zitierten „einhundertzwanzig Monatsraten“, die Tsipras einführte, behält Mitsotakis bei. Er betont allerding, dass es das letzte Mal sei. Es bleibt abzuwarten, ob er dieses Versprechen halten kann.

Eine weitere Steuer, die Mitsotakis senken möchte, ist der hohe Umsatzsteuersatz, mit dem zum Beispiel Motorradhelme belegt werden. Im Gegenzug sollen Verkehrssünder, die ohne Helm erwischt werden, noch drakonischer als bisher bestraft werden. Das Fahren ohne Helm oder ohne Sicherheitsgurt kostet - außer der Geldstrafe – zum Beispiel auch noch einen Monat Fahrverbot, samt Stilllegung des Fahrzeugs. Gleiches gilt fürs Falschparken, wie eine gehbehinderte Touristin aus Österreich an ihrem Urlaubsort Kallikratia auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki feststellen musste. Die gehbehinderte Dame muss wohl samt ihrem Ehemann die Rückreise ohne ihr Auto antreten und dieses dann nach Ablauf der Straf-Stilllegung abholen lassen.

Gesetze müssen eingehalten werden

Mitsotakis Steuerreformen, die er noch vor Mitte August samt einiger Gesetze zur Funktionsweise des Staats durchs Parlament bringen möchte, zielen auch auf die Schaffung einer Rechtssicherheit ab. Steuern, die auf fiktiver Grundlage und trotz des Wissens, dass sie nicht eintreibbar sind, erhoben werden, stören das Rechtsempfinden vieler rechtschaffener Bürger.

Gegenüber Gesetzesverstößen gibt sich die Regierung unnachgiebig. Allen voran ist das seit 2011 geltende Rauchverbot zu nennen. Rekordhalter und denkbar schlechtes Vorbild beim Brechen des Rauchverbots sind die gesetzgebenden Politiker selbst. Allen voran der frühere Vize-Gesundheitsminister Pavlos Polakis, der sich bei Treffen unter der Regierung Tsipras mit internationalen Besuchern und Pressekonferenzen im Gesundheitsministerium eine Zigarette nach der anderen anzündete. Wer jemals in der Cafeteria des Parlaments war, weiß, wie sich dort die Rauchschwaden aller Parteien zu einer riesigen, offenbar zur Einrichtung gehörenden Dunstwolke vermischen. Doch damit soll es nun vorbei sein.

Es dürfte interessant werden, zu sehen, wie Polizisten der Garde des Parlaments Ministern und Parlamentariern ein Ordnungsgeld auferlegen. Zudem soll die Cafeteria des Parlaments behandelt werden wie jede andere Gaststätte auch. Das bedeutet, dass 500 Euro Strafe gegen den Verantwortlichen für die Bewirtung für jede angezündete Zigarette in der Cafeteria verhängt werden müssen. Gegen hartnäckige Wiederholungstäter unter den Wirten sieht das Gesetz eine Schließung auf Zeit und im Extremfall die komplette Schließung der Lokalitäten vor.

Bildungsreform – akademisches Asyl wird abgeschafft

Zu den neuen Ordnungsmaßnahmen zählt auch die von Mitsotakis beabsichtigte Abschaffung des akademischen Asyls. Als Folge der blutigen Niederschlagung von Studentenprotesten, die im November 1973 das Ender der Militärregierung mit auslösten, gibt es in Griechenland ein vor allem von linken Parteien äußerst vehement verteidigtes Tabu. Es ist Uniformierten, sprich Polizisten und Soldaten, nicht gestattet Universitätsgelände zu betreten. Als Ausnahme gilt nur der Fall, in dem der Senat der Uni nach Ordnungskräften ruft.

Dieses Asyl wird aktuell von allerlei Kriminellen, sowie von anarchistischen Gruppen ausgenutzt. Mitten im Zentrum Athens verkaufen Händler Produktplagiate und illegale Tabakprodukte, aber auch Drogen. Sie treffen ihre Kunden direkt am Zaun der Hochschule für Wirtschaftswissenschaften an der Patision Avenue.

Wenn Polizisten auftauchen, rennen die Händler auf das Universitätsgelände und sind vor der Verfolgung sicher. Es ist allerdings schon vorgekommen, dass Polizisten selbst bei diesen Händlern eingekauft haben. Nun soll das Asyl komplett abgeschafft werden. An Stelle des Verbots für Polizisten soll es künftig nur Inhabern von universitäreren Ausweisen und den Polizisten gestattet sein, einen Campus zu betreten.

Misstöne und problematische Formulierungen

Unter den neuen Entscheidungen sind allerdings auch welche, die bei näherem Hinsehen ein Schmunzeln hervorrufen. So wurde die neue Polizeieinheit, die schwer bewaffnet an touristischen Orten aufwartet «schwarze Panter“ getauft. Ein Begriff, der eher Assoziationen an die „Black Panther“ Bürgerrechtsbewegung der farbigen Bewohner der USA, denn an eine Spezialeinheit der Polizei weckt.

Zudem haben sich nicht alle Minister sprachlich im Griff. Der Transport- und Infrastrukturminister Konstantinos Karamanlis sah sich im Radiointerview gemüßigt, Schwarzfahrer der Athener Metro als „Abschaum“ zu bezeichnen. Tatsächlich erscheint der Gegenwert von 1,40 Euro für eine Fahrt mit der Metro keine hohe Summe zu sein. Die Sichtweise ändert sich jedoch dramatisch aus dem Blickwinkel von Arbeitslosen und Angestellten, die in Halbtagsjobs weniger als 250 Euro pro Monat verdienen.

Zudem vergisst Karamanlis, Spross einer alteingesessenen, reichen Politikerfamilie, dass vor wenigen Jahren sein eigener Vetter, Michalis Liapis, selbst früherer Transportminister, beim Fahren seines Luxusjeeps ohne Nummernschilder und Versicherung erwischt wurde. Liapis berief sich damals, zu Anfang der Krise auf Geldknappheit und eilte nach seiner Verurteilung in den Urlaub nach Südostasien.

Personalauswahl: Teamarbeit ist gefragt!

Bei seiner Personalauswahl hat Mitsotakis sowohl dem Parteiproporz als auch den Notwendigkeiten eines kompetenten Regierungsteams Folge geleistet. Im Ergebnis steht zum Beispiel dem Justizministerium ein studierter Mediziner, Kostas Tsiaras, vor. Diesem wurde der in Fachkreisen renommierte oberste Richter a.D. Dimitris Kranis als ministerieller Staatssekretär zur Seite gestellt.

Mitsotakis zielt mit der Wahl eines nicht mit dem Fachgebiet verbundenen Ministers auf eine Beendigung der ansonsten üblichen „Versumpfung“ mit der Klientel des Ministeriums ab. Dem gleichen Muster folgen fast alle Besetzungen von Regierungsposten. Stets bilden Politiker und Technokraten ein Pendant. Ob sich diese Art von Teamarbeit langfristig bewährt, muss sich zeigen.

In einigen Fällen werfen die Personalien Fragen auf, die zu Verstimmungen auch bei den Anhängern der Regierung führen. So steht der Verwaltung des Tourismusministeriums als Generalsekretär ein Funktionär vor, der aus seiner Sympathie für die Obristen der Diktatur (1967-74) keinen Hehl macht. In der Folge trat der Vorsitzende der staatlichen Tourismusagentur EOT zurück und wurde durch die frühere PASOK-Tourismusministerin Angela Gerekou ersetzt.

Verantwortlich für die Vorbereitung den Feierlichkeiten zum 200. Jubiläum des neuen griechischen Staatswesens, die 2021 stattfinden werden, ist eine alte Bekannte Gianna Angelopoulos-Daskalaki. Die Milliardärs-Gattin Angelopoulos-Daskalaki möchte ihre Aufgaben ohne Honorar erfüllen.

Angelopoulos-Daskalaki war auch für Olympischen Spiele 2004 die Chef-Organisatorin. Das Ergebnis ist bekannt. Teure olympische Anlagen verrotten seit dem Ende der Spiele. Das Budget der Spiele sprengte die finanziellen Möglichkeiten des Staats und beschleunigte den Weg in die Pleite.

Zum Vorsitzenden des teilprivatisierten Kraftstoffunternehmens Hellenic Petroleum wurde der frühere Finanzminister der Regierung Karamanlis, Giannis Papathanasiou, bestimmt. Papathanasiou wird von Kritikern, wie der Vorsitzendenden der KinAl, Fofi Gennimata, zu den Hauptverantwortlichen der Staatsfinanzkrise gezählt.

Auf der anderen Seite hat Mitsotakis eine elegante Lösung gefunden, um fragwürdige Besetzungen von Posten durch die Vorgängerregierung rückgängig zu machen. Bei unabhängigen Behörden, wie der Wettbewerbskommission, dem griechischen Kartellamt, ist dies nicht mit einer einfachen Entlassung möglich. Vassiliki Thanou, eine frühere oberste Richterin, war von Tsipras Zeit seiner Amtsperiode gefördert worden.

Er wählte sie für den Chefposten des Areopags aus. Sie wurde vor den vorgezogenen Parlamentswahlen im September 2015 als Interimspremierministerin ausgewählt und war die erste Frau im Amt. Später, nach ihrer Pensionierung, wurde sie Beraterin von Tsipras. In einem von der Opposition vehement angezweifelten Verfahren ließ sie Tsipras zur Chefin der Wettbewerbskommission wählen.

Mit einem Gesetz, welches es obersten Richtern und Premierministern für fünf Jahre nach Beendigung des Amts verbietet, derartige Posten zu übernehmen, zwingt sie Mitsotakis nun zum Abschied.

Neu: Moderne Kommunikationstechniken & Pünktlichkeit

Zu den angenehmen Überraschungen der neuen Regierung gehört eine für griechische Verhältnisse ungewöhnliche Pünktlichkeit. Wenn Mitsotakis oder seine Kabinettsmitglieder einen Termin für eine bestimmte Uhrzeit ankündigen, ist davon auszugehen, dass dieser auch pünktlich stattfindet. Bei seinem Vorgänger waren Verzögerungen von mehr als einer Stunde keine Seltenheit.

Dies erleichtert nicht nur die Arbeit der Presse, sondern auch das Leben der Bürger. Denn, wann immer Tsipras einen Termin wahrnahm, wurden laufende Sendungen, vor allem des staatlichen Fernsehens für eine Live-Übertragung unterbrochen. Sämtliche Tagesnachrichten der Staatssender begannen unter Tsipras mit der Präsentation dessen, was dieser gerade gemacht hatte. Dabei war die Wichtigkeit oder der Nachrichteninhalt eher zweitrangig. Erst nach dem Bericht über den Tag des Premiers folgten, wenn Sendezeit blieb, die übrigen Ereignisse des Tages im In- und Ausland.

Diese an andere Regierungssysteme und nicht an einen demokratischen Staat erinnernde Unsitte wurde von Mitsotakis beendet, was wiederum den Einschaltquoten des Staatssenders zugute kam.

Bei der Amtsübergabe hatte die vergangene Regierung, wie nahezu alle ihre Vorgänger, die Akkreditierungslisten mitgenommen, so dass Mitsotakis Büro bei null anfangen durfte. Während die Vorgänger hauptsächlich mit verschiedenen Mailing-Listen operierten, und somit nicht jeder Berichterstatter rechtzeitig über ein Ereignis Bescheid erhielt, hat das Pressebüro der Regierung eine geschlossene Gruppe im Nachrichtendienst WhatsApp gestartet.

Somit erhalten alle akkreditierten Journalisten gleichzeitig die Information. Im Fall von Terminen mit Fotogelegenheit, werden diese explizit im Vorfeld erwähnt. Die Fotografen erhalten für sie unbekannte Locations oder Sitzordnungen im Voraus ein entsprechendes Briefing. Das Staatspräsidium Griechenlands hat seit Jahren schon eine ähnliche Informationspolitik, arbeitet aber mit einem kostenpflichtigen SMS Dienst eines Mobilfunkbetreibers.

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