Alles Corona

Von den allseits erkennbaren Problemen der Wirtschaft spricht kaum jemand. Es ist leicht, sie auf die Pandemie zu schieben. So bleiben weiterhin bestehende systemische Probleme der griechischen Wirtschaft bestehen. Für deren Ankurbelung setzt die Regierung auch auf die Corona-Euro-Pakete aus Brüssel. Darunter sind auch neue Kredite, die nach der Pandemie kurzfristig für eine vorübergehende Wirtschaftserholung sorgen werden.

In allen Fernsehsendern laufen derweil Live-Berichte über die Impfungen von Regierungsmitgliedern. Mitsotakis, der sich vor den Kameras als einer der ersten impfen ließ, möchte sich nach eigenen Angaben als Vorbild präsentieren. Anders als in den anderen EU-Staaten, wie Deutschland, lassen sich auch die übrigen Kabinettsmitglieder unabhängig von ihrem Alter, ihrer Gesundheit oder weiteren Risikofaktoren impfen. Auch in Griechenland ist der Impfstoff knapp.

Ein solches Szenario, eine Vorbildfunktion von sich impfenden Kabinettsmitgliedern ist laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Deutschland nur für den Fall einer immens hohen Zahl von Impfgegnern vorgesehen. Umfragen in Griechenland zeigen, dass die Zahl derer, die die Impfung verweigern wollen mit knapp 18 Prozent (Institut MRB) oder 19 Prozent (Institut Alco) relativ gering ist. Sie ist durchaus mit den Ergebnissen ähnlicher Studien in Deutschland vergleichbar. Hier liegt die Zahl der Verweigerer laut einer Umfrage von YouGov, die am Weihnachtstag von Die Zeit veröffentlicht wurde, bei 19 Prozent.

Impfkampagne „Freiheit“ läuft an

Die Aktion „Eleftheria“ (Freiheit), wie die Regierung die Impfkampagne taufte, wird allerdings zum öffentlichen Spektakel inszeniert. Bis September, so verspricht die Regierung, soll allein mit dem Impfstoff von Pfizer – Biontech die komplette Bevölkerung durchgeimpft sein. Eine Terminangabe, die den Planungen zum Beispiel in Deutschland diametral entgegengesetzt ist.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn prognostiziert ein solches Szenario nur bei Vorhandensein von Impfpaketen weiterer Hersteller. Bereits in den Monaten vorher hatten sich die griechischen Regierungsmitglieder in Angaben über bis zum Jahresende erfolgende Impfungen täglich überboten.

Gesundheitsminister Vasilis Kikilias beharrte bis Anfang Dezember darauf, dass er bis Jahresende mehr als zwei Millionen Impfdosen von Pfizer in Griechenland haben würde. Aus der Tatsache, dass Kikilias in Umfragen mit Beständigkeit zu den beliebtesten Ministern zählt, lässt sich schließen, dass Märchenerzähler für ihre waghalsigen Prognosen belohnt werden. Aber in Griechenland fehlen kritische Medien, welche bei Pressekonferenzen der Regierung die entsprechenden Fragen stellen könnten.

Kurz nach Weihnachten wurden die ersten der tatsächlich bis zum Jahresende zu liefernden 83.850 Impfdosen auf den Flughäfen feierlich von Regierungsmitgliedern empfangen.

Wahl-Umfrageergebnisse

Die jüngsten Umfragen in Griechenland zeigen einen komfortablen Vorsprung für die regierende Nea Dimokratia. Sie kommt bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts MRB von Mitte Dezember auf 38,1 Prozent der Stimmen. Die vorherige Regierungspartei SYRIZA bekommt in der Umfrage nur 23,1 Prozent. Es folgen die PASOK Nachfolgepartei KinAl mit 6,7 Prozent, die kommunistische Partei KKE mit glatten fünf Prozent, die rechtspopulistische Griechische Lösung mit 4,1 Prozent und die Partei von Yanis Varoufakis, MeRA25 mit 3,1 Prozent.

Die Sperrklausel für den Einzug ins Parlament liegt bei drei Prozent. Damit bleiben die nationalsozialistische Goldene Morgenröte und die trotzkistische ANTARSYA mit jeweils einem Prozent außen vor. Die übrigen Parteien kommen insgesamt auf 2,7 Prozent. 5,1 Prozent der Wähler möchten einen leeren Stimmzettel in die Wahlurne werfen und 10,1 Prozent haben sich noch nicht entschieden. In Griechenland herrscht Wahlpflicht.

Die Daten für die Umfrage wurden vom 27. November bis zum 11. Dezember, also mitten im verschärften zweiten Lockdown, erhoben. Mit dem für die nächsten Wahlen geltenden Wahlgesetz, hätte die Nea Dimokratia somit 51,9 Prozent, also 155 bis 156 der 300 Parlamentssitze und damit die absolute Mehrheit. Bei den nächsten Wahlen werden die Sitze nach dem Verhältniswahlrecht verteilt. Aktuell hat sie 158 Sitze, profitiert aber dabei von einem Stimmbonus von 50 Sitzen. Diesen Bonus erhält nach dem 2019 gültigen Wahlgesetz die stimmenstärkste Partei.

Für die übernächsten Wahlen gilt erneut ein Bonussystem. Mitsotakis könnte also auch dann durch vorgezogene Neuwahlen gewinnen, wenn die Oppositionsparteien bei diesen Wahlen keine funktionierende Regierungsmehrheit haben. Es reicht, wenn er bei den dann erforderlichen erneuten Wahlen mit genügend großem Abstand gewinnt, und über das Bonus-System die absolute Mehrheit erlangt.

Umfragen - gleich welchen Instituts - werden, wie in der übrigen Welt auch, auch in Griechenland von vielen Zeitgenossen kritisch gesehen. Die Ergebnisse der vorgestellten Umfrage stimmen jedoch durchaus mit den Resultaten der übrigen Meinungsinstitute überein. Das Meinungsforschungsinstitut Alco sieht in einer Anfang Dezember veröffentlichten Umfrage die Nea Dimokratia bei 38 Prozent und SYRIZA bei 22,6 Prozent.

Gemäß der MRB schätzen 59,6 Prozent der Wähler, dass die Nea Dimokratia stimmenstärkste Partei wird. SYRIZA kommt nur auf 16,8 Prozent. Insgesamt 43,6 Prozent der Wähler bevorzugen den Parteichef der Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotakis, als Premier. Sein Kontrahent, Alexius Tsipras kommt nur auf 29,2 Prozent. Seine Werte liegen damit näher an den 22,2 Prozent für „keinen von beiden“ als an denen des aktuellen Premiers.

Wovor haben die Griechen Angst?

Die Umfrage von MRB betraf auch die Ängste der Griechen. Die vier dringendsten Sorgen der Hellenen sind mit 47,9 Prozent die CoVid19-Pandemie, es folgen die Arbeitslosigkeit mit 47 Prozent, die Gesundheit und Pflege mit 45,4 Prozent und die wirtschaftliche Entwicklung mit 29,3 Prozent.

Die überwiegende Mehrheit der Griechen, 63,8 Prozent, sehen die Aussichten als sehr schlecht oder ziemlich schlecht. Nur 9,8 Prozent sind optimistisch und glauben die Aussichten für Griechenland seien ziemlich gut bis sehr gut.

Hoffen auf die Kommunisten?

Das Meinungsforschungsinstitut MRB stellte in seiner Umfrage aber auch eine weitere Frage, welche ein überraschendes Ergebnis lieferte. Auf die Frage, welche Partei die Wähler unabhängig von ihrem eigenen Wahlverhalten unbedingt im Parlament haben wollen, antworteten 27 Prozent, dass sie die Kommunistische Partei Griechenlands auf jeden Fall in der Vouli ton Ellinon, der „Bulle der Hellenen“, dem Parlament sehen möchten.

Damit liegt die Akzeptanz für die Partei, deren Wählerzuspruch in der Gegend von fünf bis sechs Prozent dümpelt um ein Vielfaches höher. Mehr als einer von vier Wählern kann sich die Politik nicht ohne die auch heute noch stalinistischen, linientreuen Marxisten vorstellen.

Bei den Regierungsparteien der letzten Jahre, der Nea Dimokratia mit knapp vierzig Prozent und SYRIZA mit ungefähren dreißig Prozent liegen die Werte im Bereich ihres Wählerzuspruchs bei den vorherigen Parlamentswahlen von 2019.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Warum setzen die Griechen so stark auf die Kommunisten? Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Partei auch in der Pandemie auf ihren politischen Zielen beharrt und diese im Parlament vertritt. Das Ergebnis bedeutet aber auch, dass SYRIZA sich hinsichtlich ihrer Oppositionstaktik Gedanken machen muss. Die übrigen Parteien, die Sozialdemokratische KinAl und die Partei von Varoufakis scheinen die Wähler nicht mehr wirklich ernst zu nehmen. Das Narrativ der Rechtspopulisten der Griechischen Lösung hat offenbar die Dynamik des vergangenen Jahrzehnts verloren.

Man kann gespannt sein, was das Superwahljahr 2021 in Deutschland bringen mag…

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