Ende vergangenen Jahres war die Beziehung zwischen Moskau und Minsk sogar noch von <link gesellschaft-und-politik beitrag tauwetter-zwischen-minsk-und-moskau _blank>einem politischen Tauwetter geprägt.

Lukaschenkos Herrschaft

Der Präsident von Weißrussland, Alexander Lukaschenko, war nie ein blinder Gefolgsmann Moskaus oder gar Wladimir Putins, wie es in westlichen Medien häufig fehlinterpretiert wurde. Dieser Autokrat verstand es bisher immer, die geographische Lage Weißrusslands an der Nahtstelle zwischen den EU- und NATO-Staaten, sowie Russlands, für die Konsolidierung seiner Macht zu nutzen.

Die Tatsache, dass es im Lande gegen seine Dauerherrschaft bislang wenig Proteste gab, liegt auch darin begründet, dass die Weißrussen die politischen Wirren in der unmittelbaren Nachbarschaft, beispielsweise in der Ukraine und Moldawien, als abschreckend genug empfanden, um die relative politische Stabilität ebenso zu schätzen zu wissen, wie ein erträgliches, wenn auch bescheidenes Lebensniveau, das im Gegensatz zu dem Kasino-Kapitalismus in Kiew und der dortigen korrupten Herrschaft der Oligarchen steht.

Moskau veranlasst wirtschaftspolitische Strafmaßnahmen

In Moskau reagiert man empört auf die Verhaftung der Staatsbürger in Minsk und hat wirtschaftspolitische Nadelstiche gegen Weißrussland eingeleitet, die zwar keine Sanktionen darstellen, doch für Minsk spürbar und schmerzhaft sind. So wurden an der offenen Grenze zwischen beiden Staaten von russischer Seite wieder Grenzkontrollen eingeführt, was für zahlreiche belarussische Bürger und Unternehmer von erheblichem Nachteil ist.

Nicht nur arbeiten über eine Million Weißrussen in Russland, ebenso geht 75 % des Exports ins große Nachbarland. Dieses Vorgehen Moskaus ist vergleichbar mit den Strafmaßnahmen gegen die Ukraine, als die Regierung in Kiew mit der EU ein Assoziierungsabkommen verhandelte.

Der Grund für die Verhaftungen in Minsk soll laut belarussischen Verlautbarungen darin liegen, dass die 33 Russen kurz vor den Wahlen Unruhe anzuzetteln gedachten, was von Moskau energisch zurückgewiesen wird. Unabhängig davon, scheint man im Kreml der Schaukelpolitik Lukaschenkos langsam überdrüssig geworden zu sein. Ob Putin also nun an Lukaschenkos Stuhl sägt, wie es einige Kommentatoren auszudrücken pflegen, ist damit aber nicht 100 % bewiesen.

Reinhard Lauterbach schrieb dazu in der Jungen Welt:

In Bezug auf Belarus sieht es ebenfalls so aus, als habe in Moskau jahrzehntelang diese »Sünde der Trägheit« geherrscht. Schließlich beteuerte Präsident Alexander Lukaschenko immer sein »brüderliches« Verhältnis zu Russland – und Moskau setzte auf die wirtschaftlichen »Sachzwänge«. Womöglich war das falsch. Genauso, dass die Regierung Russlands 22 Jahre lang geglaubt hat, die Eliten der Ukraine auch über vergünstigte Energiepreise an sich binden zu können, bezahlte man für die politische Loyalität seines letzten europäischen Verbündeten in Minsk mit ermäßigten Preisen für Öl und Gas. Und jetzt, wo Moskau sich diese Rabatte, an denen die Existenz der unabhängigen Republik Belarus im ökonomischen Sinne hängt, nicht mehr leisten kann oder will, stellt sich heraus, dass die Loyalität der Minsker Regierung eben eine gekaufte war. Lukaschenko kontert russischen Druck zugunsten einer »Vertiefung der Integration« mit immer lauteren Vorwürfen, Russland »erwürge« Belarus, und er sei der einzige, der zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Souveränität des Landes verteidigen könne.“

Weißrussland im Fadenkreuz der Geostrategie

Zwar steht eine Vereinigung zwischen Weißrussland und Russland in Moskau nicht unbedingt an erster Stelle, dem Kreml ist aber natürlich nicht entgangen, dass EU und NATO bei ihrem Drang nach Osten auch Weißrussland ins Visier genommen haben.

Galt Lukaschenko lange Zeit in Moskau als eine Art Garant gegen die Osterweiterung von der EU, vor allem aber der NATO - in die unmittelbare Nachbarschaft von Zentralrussland also - scheinen inzwischen Zweifel aufgekommen, was die Zuverlässigkeit des Präsidenten des Nachbarlandes angeht.

Diese Zweifel werden noch dadurch geschürt, dass Lukaschenko mit ukrainischen Behörden bei der Anschuldigung gegen die verhafteten Russen von Minsk kooperiert. Der weißrussische Außenminister forderte sogar den ukrainischen Botschafter in Minsk dazu auf, dafür zu sorgen, dass die ukrainischen Behörden ermittelten, ob gegen einzelne der in Minsk festgenommenen Russen in der Ukraine etwas vorliege. Dieses muss zwangsläufig in Moskau als Affront interpretiert werden.

In der russischen Presse wird unterdessen zunehmend kritisch über den Amtsinhaber im Nachbarland berichtet, dafür umso positiver über die wachsende Oppositionsbewegung. Der Einfluss der russischen Medien im Nachbarland, dessen Bevölkerung größtenteils russophil ist, während sich nur eine kleine Minderheit der weißrussischen Sprache bedient - einem eigenen ostslawischen Idiom - ist nicht zu unterschätzen. Unabhängig von dem Ausgang der Wahlen in Minsk, deren Ergebnis schon feststehen dürfte: die trügerische Ruhe im Herzen Europas, gleich hinter der EU und NATO-Außengrenze, scheint vorläufig vorbei. 

„Was bedeutet das konkret für mich!?“

Weißrussland befindet sich im Spannungsfeld der geopolitischen Auseinandersetzungen zwischen dem Westen und Russland. Die unmittelbare Nachbarschaft zu EU/NATO-Staaten und der Einflusssphäre Moskaus wirft ihre Schatten voraus. Die Tatsache, dass die NATO in Polen, also an der Grenze zu Weißrussland, ebenso wie im Baltikum, ihr Truppenkontingent ausbaut, macht deutlich, dass man in Brüssel nicht gewillt ist, einen Bogen um das weißrussische Staatsgebiet zu machen. Ob diese Strategie erfolgreich sein wird, ist fraglich. Schon der Vorstoß in Richtung Ukraine von Seiten der EU und NATO hat für zahlreichen Sprengstoff und Konflikte gesorgt. In Moskau wird man eine Expansion in diese Richtung ebenso wenig akzeptieren, wie 2014 in der Ukraine. 

Je näher der Wahltag rückt, desto nervöser erscheint Lukaschenko. Der Wahlkampf wird flankiert von verschiedensten Theorien und Umsturzgerüchten - der amtierende Präsident ist sich bewusst, dass er die Gunst Russlands vorläufig verloren hat, ohne die des Westens gewonnen zu haben, wo er als politisches Fossil gilt und wo man längst an Alternativen bastelt.

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