Erol Özkaraca, Sie haben die SPD verlassen. Fiel Ihnen dieser Schritt schwer, immerhin waren Sie 23 Jahre lang Mitglied der Partei?

EÖ: Sicherlich. Ich war ja nicht nur 23 Jahre lang Mitglied, sondern saß auch fünf Jahre für die Partei im Abgeordnetenhaus. Die SPD war meine politische Heimat, ein Teil meiner politischen Identität, meines Lebens, unzählige Freunde und Weggefährten stammten und stammen aus der Partei.

So eine Entscheidung macht man sich nicht leicht.

 

Im vergangenen September mussten Sie auf jeden Fall ohne Rückhalt der SPD um Ihren erwähnten Sitz im Abgeordnetenhaus kämpfen. Die SPD verwährte Ihnen damals  einen sicheren Listenplatz. Sie flogen damals - nach nur einer Wahlperiode - aus dem Parlament.

Böse Zungen behaupten nun, Sie hätten aufgrund dieser Konstellationen die SPD im Zorn verlassen.

EÖ: Das ist Blödsinn. Meine Entfremdung von der SPD setzte ja schon viel früher ein, als ich feststellen musste, dass meine Positionen nicht mehrheitsfähig sind und ich ins Abseits geriet. Deshalb wurde ich ja auch von der Partei im Wahlkampf letztes Jahr abgestraft.

Spätestens im Sommer 2015 hatte ich mich ja schon mit dem Fraktionsvorsitzenden Raed überworfen, der wie ich Muslim ist, aber eine völlig andere Auffassung darüber vertritt, wie nah sich Staat und Religion kommen dürfen.


Sie sprechen von dem sogenannten Staatsvertrag mit Berlins muslimischen Verbänden.

EÖ: Richtig, ich bestehe als liberaler Muslim auf eine strikte Trennung von Staat und Kirche, während Saleh sogar das Berliner Neutralitätsgesetz in Frage stellte, welches Lehrern das Tragen deutlich sichtbarer religiöser Symbole verbietet, wie zum Beispiel das Kopftuch für Frauen. Statt innerhalb der SPD lebhafte Diskussionen zu starten, wurde Kritik an diesen Vorwürfen totgeschwiegen, bzw. unter den Teppich gekehrt.


Weshalb sind Sie nicht schon damals ausgetreten?

EÖ: Zum einen weil viele SPD-Mitglieder ähnlich dachten und weil ich immer noch davon ausging, dass meine Partei irgendwann zur Vernunft kommen würde.

Meine Frau war damals hellsichtiger. Als Raed Saleh vor einigen Jahren über seine "große Idee" von der Aufwertung und Gleichstellung des Islams mit den anderen Religionen sprach und konkrete Vorschläge für Staatsverträge in Berlin mit Islamisten machte, kurz danach eine Rechtsauffassung veröffentlichte, nach der das Berliner Neutralitätsgesetz verfassungswidrig sei, begann für meine Frau die Entfremdung mit der SPD. Als ihr selbsternannte "FeministInnen" unserer Partei erklärten, dass sehr viele muslimische Frauen in unserer Stadt das Kopftuch als ein Freiheitssymbol gegen die Mehrheitsgesellschaft verstehen und Ihr "kemalistischer" Ehemann endlich aufhören solle, ständig gegen Saleh und diese Frauen zu hetzen, seine Islamophobie unter Kontrolle bringen müsse, sagte sie ihnen, das Kopftuch und "Feminismus" nicht zusammenpassen würden, Erol kein Kemalist sei und sie scheinbar keine Ahnung hätten, worüber sie überhaupt redeten. Sie konnte die SPD nicht mehr wählen und trat aus.


Sie haben Ihren SPD-Austritt auf Facebook mit dem Auftritt des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller auf dem Breitscheidplatz begründet und mit der Manifestierung eines Ihrer Auffassung nach zu toleranten Umgangs mit dem politischen Islam.

EÖ: Insbesondere der Umgang mit Mohammed Taha Sabri, der Imam der Dar-as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln, der ebenfalls an der Kundgebung teilnahm, brachte bei mir das Fass zum Überlaufen. Herr Sabri wurde schon zuvor hofiert, von der Neuköllner Bezirksbürgermeisterin ebenso, wie vom regierenden Bürgermeister, der ihm sogar mit dem Verdienstorden des Landes Berlin geehrt und damit auch hoffähig gemacht hatte.

Wie kann es bitte angehen, dass die SPD so mit islamistischen Vereinen schäkert, die teilweise vom Verfassungsschutz beobachtet werden? In seiner Rede auf dem Breitscheidplatz stellte Mohamed Taha Sabri ausdrücklich klar, dass er sich weigert, derartige Anschläge als islamistisch zu benennen. Diese Anschläge haben nach seiner Auffassung mit dem Islam nichts gemein. Eine Auseinandersetzung, warum diese Taten im Namen Allahs begangen werden, warum die Aufklärung und Bekämpfung dieses Terrors unter Muslimen nicht mit der nötigen Energie betrieben wird und warum Demokratie und Rechtsstaat in mehrheitlich islamischen Staaten mit Verweis auf die islamische Religion verhindert werden, führt dieser Imam bewusst nicht. Das wir mit derartigen Handlungen und Reden, die Unterstützungen von vielen säkularen Muslimen, Juden und vielen anderen verlieren könnten, die treu zu uns standen und eher unseren Grundauffassungen folgen, wird billigend in Kauf genommen.


Hatten Sie nicht den Regierenden Bürgermeister auf diese Problematik hingewiesen?

EÖ: Ja, aber er weiß nicht, was er tut. Er will es auch nicht wissen!

Ich musste mir daher eingestehen, dass mein Kampf in der SPD für eine klare und eindeutige Abgrenzung und Auseinandersetzung zum politischen Islam und zum Islamismus in den letzten Jahren vollkommen erfolglos und wird es nach meiner Auffassung auch bleiben, selbst wenn ich weiterkämpfen würde. Außerdem ist die SPD, als angebliche Migrantenpartei, sowieso nicht glaubwürdig.

 

Inwiefern?

Wenn man als Migrant die vorgegebene Rolle spielt, ist alles gut, wehe aber, man entwickelt eigene Gedanken, man wird dann schnell von der SPD zum Türkensarrazin abgestempelt, oder ähnliches.
Ich habe aber keine Lust den SPD Vorzeige-Deutschtürken zu spielen. Ich bin nicht deren orientalischer  als folkloristisches Element.

 

Das sind harte Vorwürfe. Wie reagieren Sie auf Vorwürfe, Sie würden sich jetzt einer rechtspopulistischen Partei anschließen?

EÖ: Das ist so ein Schwachsinn, dass ich gar nicht weiter darauf eingehen möchte. Diese rechten Parteien mit ihrer primitiven Islamkritik haben überhaupt nichts anzubieten, außer dadurch die politischen Spannungen in der Gesellschaft zu erhöhen.

Ich habe mich als SPD-Politiker mit muslimischen Migrationshintergrund, immer gegen Homophobie und Antisemitismus eingesetzt, das war und ist mir sehr wichtig. Wie jetzt einige, wenige Genossinnen und Genossen darauf kommen, mich als "Hetzer", "Spalter", "AfD-Polarisierer", "Nazi", "Türkenfeind, "Buschkowsky-Schüler"  und ähnliches schmähen, zeigt doch, dass die Partei oder Teile der Partei den Kontakt mit der Realität vollkommen verloren haben.

 

Momentan steigen doch die Umfragewerte der SPD massiv, Martin Schulz wurde mit 100% zum Vorsitzenden gewählt.

EÖ: Ja, 100% Martin sagte ja seiner Partei, dass die, die  unter dem „Deckmantel der Religionsfreiheit“ elementare Werte des Grundgesetzes infrage stellen, konkret die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, in diesem Lande keinen Platz und nichts verloren haben“. Eine solch plumpe Aussage hätte ich nie getätigt. Wie das besonders die Berliner SPD mit der Glaubwürdigkeit hinbekommt, würde mich sehr interessieren? Entweder lügt Martin Schulz, oder seine Partei ist nicht mit dem Vorsitzenden auf Linie. Es ist doch sehr beunruhigend, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller die Kritik, des Zentralrat der Juden in Deutschland total ignoriert hat. Es ist diesbezüglich auch nicht verständlich, wie dieser Bürgermeister mit Akteuren auftreten kann, die der Berliner Verfassungsschutz klar dem islamistischen Spektrum zurechnet.

Entweder lügt 100% Martin, oder die Berliner SPD ist nicht mit dem Vorsitzenden auf Linie. Beides ist für die Zukunft der SPD, ob als Regierungspartei oder in der SPD, höchst problematisch.

 

Wir leben in weltpolitisch turbulenten Zeiten. Wie wird es mit Ihrem politischen Engagement jetzt weitergehen, vor allem wo?

EÖ: Ich werde natürlich weiter für meine politischen Ideale weiterkämpfen, als Privatperson, vielleicht auch wieder als Politiker. Uns bleibt gar nichts anderes übrig. Aktuell bin ich nicht sicher, ob ich mich wieder einer Partei anschließen werde, ausgeschlossen ist es aber nicht, frei nach dem Motto: "Sag niemals nie!"

 

Vielen Dank Erol Özkaraca

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