Das totale Scheitern eines strategischen Entwurfs
Schaut man sich die aktuelle geopolitische Ausgangslage an, östlich der EU und an den Mittelmeergrenzen, so muss man heute - rund 17 Jahre später - nüchtern feststellen, dass es sich bei der damaligen außenpolitischen Zielsetzung um das totale Scheitern eines strategischen Entwurfs handelte.
Geht man davon aus, dass inzwischen in Brüssel, sowie in den relevanten Hauptstädten der EU, eine Einsicht eingekehrt wäre, angesichts der beklemmenden Rahmenbedingungen, wird man schnell eines Besseren belehrt. Statt sich in Brüssel, Berlin und andernorts auf eine Konzentration und Konsolidierung auszurichten, statt die Ausweitung nach Osten voranzutreiben und dafür eine Politik zu betreiben, die den strategischen Interessen unseres Kontinents entgegenkommt, schleicht die EU im Schatten der NATO-Erweiterung in die Weiten des Balkans und des eurasischen Raumes voran, womit sie sich der Gefahr geographischer Überdehnung aussetzt.
Statt im Nahen Osten und in Nordafrika die Folgen der völlig verfehlten Politik unter der Vorgabe Washingtons abzumildern, gar zu korrigieren, werden immer neue Brandherde angefacht, flankiert von einer boomenden Rüstungsindustrie die ihre Mordmaschinen in die Krisenherde exportiert und somit immer neue Flüchtlingsströme produziert.
„In Flammen versunken...“
Dieser Tage ist Brüssel wieder Schauplatz einer Versammlung der EU-Staaten und ihrer politischen Vertreter, der Außenminister und Staats- und Regierungschefs, die überschattet wird von ausbleibenden Erfolgen bei der Einflusssicherung im Staatenring um die Gemeinschaft.
Diese Erfolge müssen aber ausbleiben, solange man diese wichtigen Politikfelder auf Gedeih und Verderb den strategischen Interessen Washingtons unterordnet. Selbst der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, wahrlich kein NATO-Kritiker, diagnostizierte Anfang 2016, die Schaffung eines stabilen "cordon sanitaire" rings um die EU sei "massiv gescheitert".
Und erst kürzlich konstatierte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, "unsere Nachbarschaft von Libyen bis Belarus" sei "in Flammen versunken". Was bei diesen Aussagen, wie auch bei dem Treffen nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass man sich diese kaputte, unsichere Welt selbst geschaffen hat, ob in Libyen, mit der Beseitigung Gaddafis oder auch in Syrien, mit der Intervention in den dortigen Bürgerkrieg - diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen.
Der einzige europäische Staatsmann, der immerhin den Mut hat, eigene außenpolitische Ansätze zu verfolgen - jenseits der Vorgaben aus Washington - nämlich Frankreichs Präsident Macron, wird von Berlin ausgebremst und dadurch zu nationalpolitischen Alleingängen verurteilt. Dabei wäre ein enger außenpolitischer Schulterschluss zwischen Paris und Berlin nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig, um die Karre aus dem Dreck zu ziehen.
Doch danach schaut es zur Stunde nicht aus, denn neben den bisherigen Konfliktfeldern sind nun die Spannungen im östlichen Mittelmeer aufgetreten, zwischen den NATO-Staaten Griechenland und der Türkei, welche auch das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich weiter belasten. Diese Krise zwischen Berlin und Paris wurde bereits auf vergangenen EU-Gipfeln ausgetragen und überschattet jetzt auch den kommenden informellen EU-Gipfel, auf dem am Donnerstag und am Freitag dieser Woche ein gemeinsames Vorgehen der Union gegen die Türkei formuliert werden soll.
Angela Merkel verzichtet dabei in Richtung Ankara auf ihre übliche Menschenrechtsrhetorik, die sie beispielsweise gegenüber Minsk oder Moskau nur allzu gerne ins Spiel bringt, während Macron die Konfrontation mit der Türkei nicht scheut. Hierzu auch mein Artikel <link gesellschaft-und-politik beitrag das-nato-fiasko-im-oestlichen-mittelmeer _blank>Das NATO-Fiasko im östlichen Mittelmeer vom 28. August 2020.
Es ist nicht zu erwarten, dass der bevorstehende EU-Gipfel irgendwelche brauchbaren Lösungsansätze hervorbringen wird.
„Was heißt das für mich konkret!?“
Nein, heute behauptet niemand mehr, dass „Unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird“. Diese Aussage würde heute ja noch weniger Sinn machen als 2002, zu Beginn des Afghanistan-Feldzuges, wo doch am Mittelmeer, auf dem Balkan, in Belarus und in vielen anderen Orten im geopolitischen Umfeld Europas und der EU die Lunte der ungelösten Konflikte brennt.
Statt diesbezüglich eine Krisenstrategie zu konzipieren, treten die die verantwortlichen Politiker die Flucht ins Weite an. Was an den Grenzen der EU nicht funktioniert, ja sogar gescheitert ist, soll nun in Ostasien funktionieren, ja in den Weiten des Indischen Ozeans und des Pazifiks. Dazu hatte die Bundesregierung ein Strategiepapier entworfen, in dem über Bundeswehroperationen in Ostasien spekuliert wird - ohne dass Lösungen für die Konflikte an den eigenen Grenzen auch nur in Sicht wären.
In diesem Zusammenhang kommt einem die Aussage von Peter Scholl-Latour in den Sinn, die dieser in einem Interview mit dem Verfasser dieses Beitrages, anlässlich seines 90. Geburtstages am 9. März 2014 getätigt hatte: "Wir leben in einer Zeit der Massenverblödung!“
Kommentare
Latour nur beipflichten. Diese Massenverblödung wird seit Jahrzehntenvon den Regierungen Europas sowie Medien mit unterstützt und betrieben da es für Regiegerende immer vorteilhaft war und ist die Menschen für 'dumm zu verkaufen'. Et stultus populus est facile ad imperium wusste man auch im SPQR und handelte danach.
Es gehören jedoch stets mindestens 2 oder mehrere zu jedem Spiel resp. Situation. Nun scheint sich dieses Verhalten zu rächen und 'fires back'.
Auch die deutschen Regierungen seit mindestens 1998 unter Rot-Grün Koalition betrieben systematisch diese Politik (siehe Agenda 2010). Unter Kanzlerin Merkel wurde selbst die CDU bewusst von Mitte-Rechts
nach Mitte-Links befördert, wer ihre Kreise in der Partei störte - degradiert oder hinaus komplimentiert.
Fähige Nachfolger auf Jahre von der Kanzlerposition ferngehalten, auch dies ist aktuell das Nachfolgeproblem der CDU mit dem die Kandidaten zu kämpfen haben. Außenpolitisch hat sich Frau
Merkel dadurch teilweise isoliert, dies ist in Krisenzeiten nicht unbedingt vorteilhaft.
Wie sie richtig analysieren ist President Emanuel Macron heute der Einzige der die Position der EU sowie
Gesamteuropas intelligent kraftvoll energisch darstellt und voranbringen möchte, mit einem lahmen Gaul
als Partner (n) jedoch natürlich Probleme hat. Zudem fallen die Briten auf absehbare Zeit durch Breit als
starke Freunde und Verbündete aus. Für eine fähige intelligente und starke 'Truppe' für Europas Zukunft
ist jedoch der Schulterschluss zwischen Frankreich - Britannien und allen anderen alternativlos, auch
militärisch. Die Forces des Frappes und Royal Army sind faktisch u.a. auch wegen ihrer nuklearen striking
power unter Umständen derzeit die Einzigen die unliebsame Gäste oder Feinde abschrecken können und
damit die Sicherheit Europas garantieren,zumindest solange bis in Washington D.C. wieder normalere
verlässliche Verhältnisse herrschen. Q.e.d.
Aufwachen wäre dringend nötig. Aber wer denkt noch selbst? Die grosse Masse offenbar nicht mehr.
Übrigends: 8 Mrd. Menschen sind 7 Mrd, zuviel. Davon völlig unabhängig gibt es bald eine Zwangsimpfung...
Hat geklappt.
* Anm. d. Red.: Der letzte Satz wurde mit Hinweis auf die Netiquette entfernt.
Das war von Anfang an eine fehlgeleitete Utopie. Die Anrainerstaaten der EU um das Mittelmeer herum im Nahen Osten oder Nordafrika waren und sind keine Demokratien. Von Marokko über Libyen, Algerien bis Ägypten, Syrien usw. halten sich seit jeher wenn, dann Diktaturen. Die können einen ‚säkularen‘ Anstrich haben, wo z. B. das Militär das Sagen hat. Die Alternative zu einer Diktatur in der islamischen Welt war und ist auch in neuerer Zeit nie die Demokratie. Sondern die Herrschaft des ‚Islamismus‘. Rechtsstaatlichkeit im westlichen Sinne? Akzeptanz von Grund- und Menschenrechten? Davon konnte bei den islamischen Nachbarn der EU nachhaltig noch nie die Rede sein.
Ich spreche hier von Tatsachen. Nicht von einer Meinung. Tatsachen übrigens, die hauptsächlich
n i c h t „Folgen der völlig verfehlten Politik unter der Vorgabe Washingtons“ sind.
Es liegt nicht in der Hand des Westens, in der islamischen Welt „verantwortungsvoll regierte Staaten“ im Sinne von Demokratien durchzusetzen – und zwar egal, ob die westliche Nahostpolitik nun richtig ist oder falsch.
Zerschlägt man freilich Diktaturen in der islamischen Welt, woran sich die USA leider in der Tat teilweise beteiligen, wo ihnen ein Potentat missliebig wird, dann bringt man diesen Ländern nicht die Demokratie, sondern, wo keinen stabilen ‚Islamismus‘, heilloses Chaos, Bürgerkrieg und Zivilisationsbruch. Siehe den Horror des IS im Irak.
Anstatt also auf Utopien zu setzen, die so irreal bleiben wie die Idee, Frau Holle ließe es schneien, steht der EU und zuerst einmal Deutschland nur frei, den politischen Begriff der „G r e n z e“ endlich zu rehabilitieren. Neun von zehn Nicht-Europäern, die es schaffen, Deutschland zu erreichen, setzen heute ihr ‚Bleiberecht‘ durch. Was ist, wenn die Ankommenden nicht mehr in Tausenden zählen, sondern in Millionen? Selbst wirkliche Einwanderungsländer wie Australien lassen über den Ozean keine Invasionen von Migranten zu – mit Zustimmung von Dreiviertel der Bevölkerung, übrigens – alles Faschisten?
Auch China, in vielem heute an der Spitze, was der Globalismus 'alternativlos' und ‚modern‘ zu nennen pflegt, unterbindet weitgehend Einwanderung. Und wem eine Demokratie in Asien als Beispiel lieber ist: Japan lässt weitgehend keine Einwanderung zu. Alle diese Staaten kennen „G r e n z e n“ und die Integrität einer sehr wohl national verstandenen Idee. Sie schützen diese Grenzen. In der EU bzw. in Merkel-Deutschland sind Grenzen heute „Empfangszentren“ einer 'höheren Haltung'.
Es leben übrigens auch kleine Gruppen von Afrikanern in China. Ich bin sehr gespannt, wann der Progressive aus Deutschland ‚afrikanische Menschen‘ in China ‚Chinesen‘ nennt…
oder wann die Chinesen das selbst tun oder sich Afrikaner in China als ‚Chinesen‘ verstehen
Kann man so sagen... Russland draußen zu halten aus Deutschland (West-Deutschland) hat geklappt. Nur zum Glück geklappt.
Mir fallen gerade keine Länder ein ohne Russen, die sich russische Machtpolitik' 'drinnen' wünschten...
selbst die direkten Nachbarn Russlands wünschen sich das nicht, meistens.
Die Polen wünschen sich keinen russischen Imperialismus, die baltischen Staaten auch nicht. Die Georgier, überwiegend, genauso wenig, von Tschechen, Ungarn usw. muss man gar nicht sprechen.
Umgekehrt wünschen sich alle die genannten Länder und Nachbarn Russlands viel eher Anbindung an den Westen und die EU, zumindest Sicherheit vor Russland und gerne geschützt von Amerikanern,
wovon ja auch die alte Bundesrepublik profitierte, in der ich aufgewachsen bin und die o h n e amerikanischen Schutz niemals politisch überlebt hätte.
Wer also wünscht sich machtpolitisch Russen bei sich, außer 'progressiver' Antiamerikanismus oder der Amerikahass des 'traditionellen' Linksextremismus?