Trotz aller anderslautenden Erfolgsmeldungen, die wahlweise von den eine Überwachungsfunktion wahrnehmenden Kreditgebern oder aber von der griechischen Regierung verkündet werden, bleibt Hellas ein Sorgenkind. Dabei liegt der Kern des Problems nicht unbedingt in der oft zitierten Steuermoral der Hellenen, sondern vielmehr in einer Jahrzehnte lang gehegten und gepflegten Maschinerie der Bürokratie, welche unter den Augen der Kreditgebertroika sogar noch ausgebaut wurde. Zusätzlich dazu würgt der Fiskus jegliche wirtschaftliche Erholung durch übermäßige Besteuerung ab.

Griechenland steckt weiter in der Depression

Kaum eine Woche nachdem Griechenland eine fünfjährige Staatsanleihe an den internationalen Märkten platzierte, und dies von der Regierung Alexis‘ Tsipras‘ als Erfolg gefeiert wurde, hat sich Zypern ebenfalls Geld geliehen. Allerdings zahlt die Inselrepublik keinen Zinssatz von 4,65 Prozent wie die Griechen. Den Insulanern gelang es vielmehr, sich für dreizehn Wochen 100.000 Millionen Euro zu einem negativen Zinssatz von durchschnittlich 0,03 Prozent zu leihen.

Zypern, das knapp zwei Jahre nach Griechenland und unter dem Druck der von zypriotischen Banken aufgekauften griechischen Staatsanleihen, welche beim Schuldenschnitt Griechenlands 2012 ihren Wert verloren, selbst in Schieflage geriet, erholt sich. Es gibt bereits Pläne, den mit krisenbedingten Rentenkürzungen geschädigten Insulanern drei Viertel ihrer Kapitalverluste zu ersetzen. Es handelt sich um Pensionsfonds, deren Kapitaleinlagen bei den abgewickelten Banken Laiki Popular Bank und Bank of Cyprus verloren gingen.

Von solchen wirklichen Erfolgsmeldungen ist in Griechenland nichts zu spüren. Hier gibt es vielmehr das Paradoxon, dass mehr als 53 Prozent der Berufstätigen in einem an Stränden und Meer reichen Land nicht in der Lage sind, sich eine Woche Urlaub zu leisten. Die allseits spürbare Sparwut hat immer mehr negative Auswirkungen.

Pars pro toto seien die Bedingungen für Spitzensportler erwähnt. Vor den Olympischen Spielen von Athen 2004 wurde der Sport maximal gefördert. Heute muss Griechenlands Medaillenhoffnung Kostas Filippidis seine Teilnahme in der Diamond League absagen, weil er sich in den desolaten Anlagen der Nationalmannschaft eine schwere Verletzung zuzog. Ein Loch vor dem Absprungpunkt für den Stabhochsprung wurde seit vier Jahren nicht beseitigt, und verrottete stattdessen immer mehr.

Es ist exemplarisch, weil überbordende Bürokratie und Spardiktate an den falschen Stellen, das Land förmlich lähmen.

Mamma Mia no more

Das Filmmusical Mamma Mia hatte vor wenigen Jahren für Griechenland geworben. Denn im Zentrum des Films über eine imaginäre griechische Insel, auf der Pierce Brosnan und Meryl Streep zur Musik von Abba ihr Glück fanden, stand Skopelos als Kulisse. Die real existierende Insel freut sich seitdem über einen Tourismusboom, der jedoch langsam abflaut. Da war das nun zu drehende Remake Mamma Mia 2 eigentlich passend. Eigentlich, denn die Insulaner hatten die Rechnung ohne die Bürokratie gemacht.

Auch heute noch gilt ein altes Gesetz, dem gemäß jeder Dreh genehmigungspflichtig ist. Für jeden Drehtag, jede Szene und alle eingesetzten Kameraleute hätte das Hollywoodteam daher jeweils einen Antrag stellen müssen. Anträge sind mit Gebühren und bürokratischem Zusatzaufwand verbunden. Personalmangel in den Behörden lässt derartige Antragstellungen zu modernen Odysseen werden.

Das Gesetz wurde mehrere Jahre lang etwas lasch gehandhabt. In Zeiten der Sparmemoranden werden jedoch sämtliche – auch unsinnige Gesetze – von den Beamten mit Eifer überwacht.

Weil es in Griechenland zudem verboten ist, archäologische Ausgrabungen mit Kameradrohnen zu überfliegen, und weil es kaum einen Flecken Erde im Land ohne antike Fundstücke gibt, sind in die Genehmigungen von Dreharbeiten auch Archäologen involviert. Kurz, es ist trotz der perfekten natürlichen Kulissen und der optimalen Wetter- und Lichtbedingungen eine Sisyphus-Arbeit, in Griechenland einen Kinofilm zu drehen.

Die Produzenten von Mamma Mia verlegten daher aus praktischen Gründen die imaginäre griechische Insel nach Kroatien. Dort sind erheblich weniger bürokratische Hürden zu überwinden.

Jeder aufstrebende Geschäftszweig wird abgewürgt

Die Investoren der Trans-Adriatic Pipeline, kurz TAP, hatten vorgesorgt. Sie ließen sich vor ihrem finanziellen Engagement in Griechenland die steuerlichen Rahmenbedingungen festschreiben. Das Konsortium wird daher auch heute mit den 2013 gültigen fiskalischen Gesetzen behandelt. Mit dieser weisen Entscheidung können die Investoren ihr fiskalisches Risiko bis 2023 überschauen.

Für kleinere Investoren, mittelständische Unternehmen oder gar Privatpersonen gibt es keinerlei derartige Schlupflöcher. Sie müssen vielmehr damit rechnen, dass jegliche Investition sobald sie spürbar erfolgreich wird, ins Visier des Finanzministeriums gelangt.

Der in Flaute befindliche Immobilienmarkt hatte in der kurzzeitigen Vermietung von Immobilien über Internetplattformen wie AirBnB oder Booking.com ein Mittel zur Abschwächung der Rezession gefunden. Hausbesitzer, die ob der immer höheren Immobiliensteuern und mangels Möglichkeit Kreditraten zu tilgen oder das Objekt zu verkaufen, in der kurzzeitigen Vermietung einen Ausweg gefunden hatten, müssen nun ihren Gewinn zu horrenden Sätzen an den Fiskus abführen. Der maximale Steuersatz für die Vermietungen liegt, nachdem die Regierung die Steuerbelastung erhöht hat, bei 45 Prozent. Zusätzlich dazu sind zehn Prozent Solidaritätssteuer abzuführen.

23 Dokumente für einen Verkauf

Doch auch der Verkauf einer Immobilie ist nicht nur wegen der um mehr als die Hälfte gesunkenen Preise kaum eine Option. Für einen Immobilienverkauf sind nunmehr mindestens 23 verschiedene Dokumente erforderlich.

Vom Finanzamt:
1.    Bescheinigung, dass der Verkäufer gemäß Gesetz 1882/1990 keinerlei Steuern schuldet.
2.    Bescheinigung, dass die Immobiliensteuer ENFIA, gemäß Gesetz 4144/2013 bezahlt ist.
3.    Bescheinigung, dass keine Erbschaftssteuern gemäß Gesetz 2961/2001 geschuldet sind.
4.    Bescheinigung über die Begleichung der mit dem Verkauf fälligen Mehrwertsteuer.
5.    Bescheinigung über die Begleichung der Wertsteigerungssteuer für die Immobilie gemäß Gesetz 4152/2013.

Von der Stadtgemeinde und den Sozialversicherern:
6.    Bescheinigung, dass die Immobiliensteuer TAP beglichen ist.
7.    Bescheinigung der Stadtgemeinde über beglichene Erschließungskosten gemäß Gesetz 1337/1983.
8.    Bescheinigung über beglichene Sozialversicherungsbeiträge.

Von Ingenieuren:
9.
    Bescheinigung eines Bauingenieurs, dass das Objekt gemäß Gesetz 4178/2013 keinerlei ungenehmigte oder nicht legalisierte Bauten hat.
10.    Energiepass gemäß Gesetz 3661/2008 und den Ergänzungen des Gesetzes 4122/2013.
11.    Topographischer Lageplan mit den in den Gesetzen 4178/2014 und 651/1975 vorgesehenen Bestätigungen eines Vermessungsingenieurs.
12.    Eidesstattliche Erklärung des Immobilienbesitzers, dass gemäß Gesetz 4178/2013 keine ungenehmigten Bauten bestehen.
13.    Beglaubigte Kopie der Baugenehmigung, wenn das Gebäude nach dem 14. März 1983 erbaut wurde, ansonsten eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des Besitzers.
14.    Bescheinigung über den Abschluss der regelkonformen Bebauung gemäß dem Gesetz 3843/2010.

Bescheinigungen vom Katasteramt:
15.
    Auszug aus dem Katasterregister für Immobilien innerhalb der Hauptstadtregion gemäß Gesetz 2664/1998.
16.    Bestätigung der Eintragung ins nationale Katasteramt.

Bescheinigungen der Forst- oder Grenzbehörde:
17.     Bescheinigung der Forstbehörde zusammen mit einem topographischen Diagramm, dass die Immobilie kein Waldgebiet ist. Dazu kommt im Einzelfall die Erfordernis ein Dokument der Forstbehörde über ein abgeschlossenes Einstufungsverfahren vorzulegen. Gesetz 998/1979.
18.    Bestätigung der Forstbehörde, dass eine private Bewaldung unverbrannt ist. Gesetz 998/1979.
19.    Sollte ein privates Waldgebiet von mehr als 50.000 Quadratmetern verkauft werden, dann ist dies der Forstbehörde anzuzeigen, so dass die öffentliche Hand gemäß Gesetz 998/1979 ihr Vorkaufsrecht wahrnehmen kann.
20.    Für bewaldete Flächen ist gemäß Gesetz 86/1969 eine Ministerentscheidung des Agrarministeriums einzuholen, welche den Teilverkauf einer Waldfläche betrifft.
21.    Bescheinigung des Forstamts, dass das fragliche Objekt in den gemäß Gesetz 3889/2010 erfassten landesweiten Registern über die bewaldeten Flächen eingetragen wurde.
22.    Bescheinigung der Regionalbehörde, dass das Verbot des Verkaufs einer in Grenzregion liegenden Immobilie gemäß Gesetz 1892/1990 in der Novellierung des Gesetzes 3978/2011 aufgehoben wurde.
23.    Bescheinigung des Amtes für Bodenverbesserung, dass für verkauftes Ackerland keine Schulden hinsichtlich der Bewässerung bestehen.

Wassilis Aswestopoulos

Entsprechende Bedingungen gelten mit einigen Einschränkungen auch für Erbschaften und Schenkungen. Es fällt auf, dass zahlreiche der einzeln zu besorgenden Dokumente gleiche Gesetze oder aber einen ähnlichen Sachverhalt betreffen. Für jede Bescheinigung ist im günstigsten Fall ein Arbeitstag zu kalkulieren.

Einen ähnlichen bürokratischen Aufwand müssen Griechen in allen Geschäftsfeldern des öffentlichen Lebens durchmachen. Derartige strukturelle Probleme wirken für den wirtschaftlichen Aufbau des Landes sicherlich hemmender als die oft in der Presse zitierte, ohne Rechnung veräußerte Blätterteigstulle eines Straßenhändlers.

Mount Athos International Ship Registry

Dass die griechische Politik dieser Probleme durchaus gewahr ist, zeigt folgendes Beispiel.

Marineminister Panagiotis Kouroublis möchte die Troika und die EU Konkurrenz umgehen. Die griechischen Schiffe sollen daher mit der Flagge der autonomen Mönchsrepublik Athos versehen werden, damit Reeder steuerfrei und die Flagge spottbillig bleiben. Was wie ein schlechter Aprilscherz klingt, scheint dem Minister, der damit für eine spezifische Klientel die Bürokratie ausschalten könnte, ein todernstes Anliegen zu sein.

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