Trial-Version als Geschenk verpackt

Die griechische Regierung hatte bereits mit ihrem Vertrag mit der Datenfirma Palantir die Öffentlichkeit getäuscht. Bis Ende 2020 behauptete sie, dass die Datensammlung für die CoVid19-Pandemie kostenlos, als Geschenk durchgeführt würde. Hinterher, Cashkurs berichtete, stellte sich heraus, dass Geld floss, fließt und fließen wird.

Der Firma, die in den aktuellen Fall verwickelt ist, eine böse Absicht zu unterstellen, wäre falsch. Es handelt sich um ein US-Amerikanisches Unternehmen, das schlicht das macht, für das Unternehmen gegründet werden: Geschäfte. Es geht um den Vertrag der griechischen Regierung mit Cisco, zur Nutzung der Werkzeuge für Telekonferenzen und Tele-Unterricht, webex.

Die webex-Plattform wird für den Fernunterricht der griechischen Schüler seit März 2020 eingesetzt. Bisher betonte die Regierung, vertreten durch die Ministerin für Bildung und Religion, Niki Kerameos, dass die Nutzung von webex kostenlos sei. Einen Vertrag mit Cisco, so wie es durch die griechischen Transparenzgesetze vorgeschrieben ist, zu veröffentlichen, daran wollte Kerameos nicht denken. Denn, so die Logik, wenn etwas kostenlos ist, dann muss es doch keine Transparenz geben.

Nun ist der Vertrag im Internet veröffentlicht und in griechischer und englischer Version als pdf-Datei der gescannten Dokumente abrufbar. Denn, mitten im laufenden Schuljahr beginnt Griechenland zu zahlen. Die Ministerin kommentiert dies mit, „vom März 2020 bis zum Januar 2021 war es kostenlos. Natürlich war es kostenlos. Offensichtlich kann eine solche Plattform aber nicht ewig kostenlos bleiben.

Viele Freiberufler und Hobbyisten kennen eine derartige Geschäftspolitik von Softwareunternehmen. So gibt es für viele Bildbearbeitungsprogramme eine kostenlose Testphase, Trial genannt. Wird die Software vor dem Ende der Testphase nicht deinstalliert, beginnen die Kosten eines Abonnements zu greifen.

Alten Vertrag modifiziert - Huawei herausgekegelt

Theoretisch hätte Kerameos sich die Bezahlung der webex-Dienstleistung nun genehmigen lassen müssen. Für solche Fälle gibt es das Ausschreibungsrecht, den Staatsetat und weitere Transparenzwerkzeuge.

Kerameos schloss aber keinen neuen Vertrag für die nun gebuchte Dienstleistung. Sie setzte noch von der SYRIZA Regierung geschlossene Verträge ein. Diese wurden am 4. Juli 2019 und am 5. Juli 2019 unterschrieben. Am 7. Juli 2019 gewann die Nea Dimokratia die Parlamentswahlen.

Die ersten Seiten des verlinkten pdf-Dokuments bestehen aus einem am 16. März erstellten Bericht des Rechnungshof zur Umstellung der Verträge. Der Rechnungshof rechnet die Kosten für einen bisherigen Anbieter von Telekonferenzleistungen, Huawei, nach und befindet, dass im vorliegenden Fall ein weiterer Vertragspartner, eben Cisco, das aktuell preiswertere Angebot hat.

 
 

Eine Vereinbarung, die kein Vertrag ist (oder sein darf)

Beigefügt ist ebenfalls ein vom 15. Februar datiertes Schreiben des staatlichen Contract Managements. Hier wird vorgerechnet, an welchen Stellen das Cisco Angebot preiswerter sein soll.

Für Cisco ergeben sich in einem Unterpunkt der Berechnung 370.089 Euro für Nutzungslizenzen, bei denen ein Teil für zwölf und einer für 36 Monate lizenziert ist. Dagegen sollte das Huawei Produkt 370.101 Euro für 36 Monate und eine andere Anzahl, offenbar auch eine andere Art von Lizenzen kosten. Es ist ohne genaueres Studium aller relevanten Vertragsdokumente nicht ersichtlich, ob hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden.

 

 

Bei einem weiteren Untervertrag beträgt die Ersparnis durch den Anbieterwechsel exakt einen Euro. Hier dürfte der Aufwand für die Neuberechnung, samt der Arbeitszeit für die Einarbeitung des Personals in eine neue Softwareumgebung den Nutzen der Ersparnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überwiegen.

Zudem waren die nun neu berechneten Verträge nicht für die schulische Ausbildung der Kinder in Pandemiezeiten gedacht. Sie dienten vielmehr dazu, innerhalb der griechischen Verwaltung ein System für Telekonferenzen aufzubauen. Fakt ist, dass die ursprünglichen - von der SYRIZA-Regierung abgeschlossenen - Verträge für drei Jahr gültig waren und die für drei Jahre geplanten Anwendungen lizenzierten. Die Vertragsänderung hingegen begrenzt die Lizenzierung eines großen Teils der Anwendungssoftware auf zwölf Monate.

Für Kerameos bedeutet dieser verwaltungstechnische Schachzug, dass sie sich darauf berufen kann, keinen neuen Vertrag abgeschlossen zu haben. Die rund zwei Millionen Euro, welche für Huawei vorgesehen waren, gehen nun an Cisco, für eine bislang mehrfach im Parlament und in Presseerklärungen der Regierung als kostenlos bezeichnete Dienstleistung.

Und der Datenschutz?

In Griechenland sorgt ein weiteres Thema rund um die von Kerameos unterzeichneten Dokumente, die von Cisco als Business Associate Agreement bezeichnet werden und „Standard Contractual Causes“ beinhalten, aber laut dem Ministerium kein Vertrag sind, für Aufregung. Es geht um den Datenschutz.

In diesem Zusammenhang ist es durchaus interessant, ob die strittige Vereinbarung, die nach dem Motto der Ministerin, „Schatz, es ist nicht das, was Du denkst“, kein Vertrag ist, nicht vielleicht doch unter das Vertragsrecht fällt.

Griechische Medien und Oppositionsparteien haben sich beim Thema Datenschutz auf die EU-weit gültige Datenschutzgrundverordnung berufen. Sie bemängeln, dass im Vertrag, beziehungsweise den Anhängen, zwar über die Anonymisierung der personenbezogenen Daten geschrieben wird, die Nutzung der Metadaten der Nutzer jedoch nicht garantiert ist.

 
 

 

 

 
 
 
 

Die griechischen Journalisten meinen, dass die mit dem Vertrag gestattete Nutzung der Metadaten durch Cisco bereits einen Verstoß gegen die DSGVO darstellt. Sie vermuten zudem, dass es Cisco möglich sei, diese Metadaten kommerziell zu nutzen und an Dritte zu veräußern. Ein Punkt, der seitens des Unternehmens vehement dementiert wird. Oppositionsführer Alexis Tsipras prangerte im Parlament an, dass die Regierung die Daten von rund 150.000 Lehrkräften und knapp 1,5 Millionen Schülern an ein Unternehmen geliefert, und dafür auch noch zwei Millionen Euro gezahlt habe.

 

 

Das Ministerium für Bildung und Religion beruft sich hingegen auf eine Stellungnahme der griechischen Datenschutzbehörde und weist auch auf der Internetpräsenz des Ministeriums auf diese Stellungnahme vom 7. September 2020 hin.

Ein EuGH-Urteil mit Folgen

So weit, so gut, sollte man denken. Jedoch fehlt in der vom Ministerium veröffentlichten Stellungnahme der griechischen Datenschutzbehörde ein entscheidender Passus. Die Behörde hat, wie das Ministerium korrekt zitiert, keine Einwände gegen den Tele-Unterricht der Schüler über das Internet. Sie hat aber Einwände gegen bestimmte Dienstanbieter, auch gegen Cisco. Die strittige Vereinbarung wird in der Stellungnahme explizit erwähnt.

Denn, wie die auf juristische Themen spezialisierte Internetseite lawspot zitiert, hat die griechische Datenschutzbehörde korrekt auf das Urteil „C-311/18 - Facebook Ireland und Schrems“ des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Juli 2020 hingewiesen. Mit diesem Urteil wird der sogenannte Privacy Shield, auf den sich US-Amerikanische Unternehmen berufen, für unwirksam erklärt. Das Urteil hat EU-weit bindende Auswirkungen auf ähnliche Fälle.

Einfach ausgedrückt geht es darum, dass die in die USA exportierten Daten von Nutzern nicht sicher vor den US-Amerikanischen Behörden sind, und dass die europäischen Nutzer keine, ihren EU-Rechten entsprechende juristische Handhabe gegen die Datennutzung durch die US-Regierungsorgane haben. In der Vereinbarung, welche die Signatur der griechischen Ministerin trägt, beruft sich Cisco für die Datenübertragung von Nutzerdaten außerhalb der EU auf den Privacy Shield.

Es mag eine juristische Spitzfindigkeit sein, allerdings finden sich Rügen der Praxis von Cisco webex auch in einschlägigen Stellungnahmen deutscher Datenschutzbehörden.

Diesbezüglich sitzt Kerameos nun in der Falle. Denn, sie kann sich nicht darauf berufen, in einem neuen Vertrag das EuGH Urteil berücksichtigt zu haben. Denn, sie hat ja nach eigenen Angaben keinen neuen Vertrag unterschrieben. Die vom Ministerium hochgeladenen Dokumente haben zudem nicht die ansonsten vorgeschriebenen Protokollnummern.

Es bleibt spannend…

„Was heißt das für mich konkret!?“

Nicht nur hinsichtlich der eigenen Gesetze, der DSGVO, dem Vertragsrecht und Transparenz pflegt die griechische Regierung einen laxen Umgang. Es wird vorliegend aufgezeigt, wie Huawei zugunsten von Cisco aus einem Vertrag gekegelt wurde - und wie selbstherrlich sich griechische Minister auch über EuGH Urteile hinwegsetzen möchten.

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