Insel Kreta darf von allen Landesbewohner wieder besucht werden…

Es geht um die schrittweise Aufhebung der Corona-Pandemie-Quarantänemaßnahmen. Zwei Monate und eine Woche lang war es den Griechen verboten, sich ohne besondere Sondergenehmigungen über die Grenzen ihrer Verwaltungseinheit hinaus zu bewegen. Besonders streng sind die Maßnahmen weiterhin für die griechischen Inseln. Auf diese darf nur, wer dort laut Steuererklärung oder Anmeldung beim Finanzamt auch ständig wohnt. Änderungen des steuerlichen Wohnsitzes sind seit Anfang März nicht mehr möglich.

Nun sollen ab Montag den 18. Mai die Fahrten zwischen den einzelnen Verwaltungseinheiten, den früheren Nomoi, welche zu Regionen zusammengeschlossen wurden, wieder möglich sein. Darüber hinaus möchte die griechische Regierung eine schnelle Öffnung der Tourismusbranche forcieren. Griechenlands größte Insel Kreta kann deshalb bereits ab Montag von allen Bewohnern des Landes besucht werden.

…bei den übrigen Inseln herrschst Chaos

Doch, was ist mit den übrigen Inseln? Zwei davon, Lefkada und Euböa, sind über Brücken, beziehungsweise Tunnel mit dem Festland verbunden. Wenn die Fahrten über Straßen frei sind, dann müsste dies doch auch für Brücken und Tunnel gelten, fragten sich zwei Journalisten des Senders Skai am Donnerstagvormittag. Sie hatten den zuständigen Minister für Handelsschifffahrt und Inselpolitik, Giannis Plakiotakis zum Live-Interview eingeladen und fragten explizit nach den Reisemöglichkeiten vom Festland auf die beiden Inseln.

Bei zweimaliger Nachfrage bekräftigte der Minister, dass es verboten sei, als Nichteinwohner beide Inseln anzufahren, schließlich seien es - trotz der Straßenverbindung - Inseln. Die Journalisten fragten nach, ob die berühmte „Hohe Brücke“ von Chalkida, welche die Insel mit dem Festland verbindet nun ab Montag gesperrt würde.

(c) Wassilis Aswestopoulos

Tatsächlich war die Brücke während der gesamten Zeit der Ausgangs- und Verkehrsbeschränkungen ebenso befahrbar, wie die knapp 40 Meter lange Schiebebrücke im Zentrum der Inselhauptstadt Chalkida. Euböa, die zweitgrößte griechische Insel hat nämlich eine Inselhauptstadt, die zur Hälfte auf dem Festland liegt. Für den Schiffverkehr durch den natürlichen Meereskanal Evripos, wie er täglich stattfindet, wird die Schiebebrücke geöffnet. Die Bewohner des Zentrums können dann für die Dauer der Öffnung des Kanals nur über die in den Neunzigern eröffnete „Hohe Brücke“ den gegenüberliegenden Stadtteil erreichen.

Die Bewohner Chalkidas sind es gewohnt, mehrmals täglich von der Insel aufs Festland und wieder zurück zu gehen oder zu fahren. Viele wohnen auf der Festlandseite, arbeiten aber auf der Inselseite. Durch die Städte und Gemeindereformen der letzten Jahrzehnte erlangte Chalkida verwaltungstechnisch die kommunale Hoheit über zahlreiche Dörfer des Festlandes.

(c) Wassilis Aswestopoulos

Willkür und „seltsame Strafzettel“

Das Chaos, welches die ministeriellen Äußerungen auslösten, war also groß. Viele Bewohner und Arbeitnehmer waren zutiefst verunsichert über ihre berufliche Zukunft für die nächsten Tage oder Wochen, bis zur endgültigen Öffnung der Inseln. Denn bislang bestanden keinerlei Beschränkungen in der Benutzung der Brücke und für die Fahrten innerhalb der Stadtgemeinde von Chalkida. Plakiotakis offizielle Stellungnahme stellte dies nun alles infrage.

Chalkida, das ist auch der Ort, in dem es während der strengen Zeit der Ausgangsbeschränkungen die seltsamsten Strafzettel der Polizei gab. Ein Rentner musste 150 Euro Strafe zahlen, weil er auf seiner Erklärung für den Gang zum Bäcker, statt der Jahresangabe 2020 aus Unachtsamkeit 2019 geschrieben hatte.

Der Inhaber einer Fahrradwerkstadt fand sich in kurzzeitiger Verhaftung wieder und bekam ein Bußgeld von 5000 Euro aufgebrummt, weil er Kunden ihre reparierten Fahrräder aushändigte. Die Beamten ließen sich nicht beirren, dass diese Tätigkeit, also die Reparatur von Fahrzeugen, zu allen Zeiten der Ausgangs- und Verkehrsbeschränkung von den Schließungsbestimmungen ausgenommen war.

Weil die Beamten aber unbedingt ihren Strafzettel schreiben wollten, argumentierten sie, dass der betreffende Laden außer der Reparatur von Fahrrädern theoretisch auch noch andere Dienstleistungen anbiete und daher vom Schließungsbeschluss betroffen sei. Der Fall hat nun ein juristisches Nachspiel, was in Griechenland leicht einige Jahre in Anspruch nehmen kann und den Unternehmer mit Anwalts- und Verfahrenskosten belasten wird.

Versuch der politischen Gesichtswahrung konterkariert Sinn der Maßnahmen

Unter diesem Vorzeichen mag nachvollziehbar sein, wie viel Panik der Minister mit seiner offenbar kaum durchdachten Äußerung auslöste. Schließlich sah sich die Regierung gezwungen, die Sachlage klarzustellen, ohne dem Minister einen Gesichtsverlust zu bescheren.

Nun ist es offiziell erlaubt, Euböa über die Brücken anzufahren, während die Fähren nur den aus dienstlichen oder medizinischen Gründen reisenden ständigen Inselbewohnern zur Verfügung stehen. Was das für eine Insel der Größe von Euböa im Detail bedeutet, zeigen folgende Beispiele:

Vom Ort Agiokampos im Norden der Insel fahren regelmäßig Fähren zum Ort Glyfa auf der gegenüberliegenden Seite. Es sind kleine Fähren, in denen in der Regel auch der Aufenthalt im PKW während der Fahrt möglich ist. Die Fahrt dauert knapp dreißig Minuten.

Alternativ kann ein Bewohner von Agiokampos per Kraftfahrzeug nach Chalkida fahren. Die dafür ermittelte Fahrzeit für die 111 km gibt Google-Maps mit 1:57 h an. Nun kann über die Brücke das Festland erreicht werden. Dann aber sind weitere 225 km nach Glyfa fällig, was über gut ausgebaute Mautstraßen innerhalb von 2:27 h möglich ist. Dabei werden drei Nomoi durchfahren. Ähnliche Mehrzeiten und Kilometer ergeben sich für die Orte, die im Süden der Insel liegen.

Sinn des Verbots auf Inseln zu reisen, ist die Tatsache, dass die meisten der griechischen Inseln über eine schlechte Krankenhausversorgung verfügen und nur ein Spezialbett mit Unterdruckkammer für den Lufttransport bereitsteht. Sinn der Verkehrsbeschränkungen ist es, dass unnötige Wege, und damit erhöhte Infektionsgefahren, sowie eine weitere Ausbreitung der Infektionskette vermieden werden sollen.

Die Tatsache, dass die Benutzung einiger Fähren möglich ist, ohne dass das eigene Kraftfahrzeug verlassen werden muss, lässt die Gefährlichkeit der Fähre im Vergleich zu den 336 Kilometern Fahrtstrecke quer durch die Insel und das Festland eher gering erscheinen. Zumal an den Mautstationen auf der Autobahn öfter der Kontakt des Fahrers zu fremden Personen besteht, als bei der Kontrolle der Einfahrt auf eine Fähre.

Fraglich erscheint auch, warum die über mehrere Stunden andauernde Fahrt per Fähre auf die Insel Kreta epidemiologisch ungefährlicher sein soll, als die kurze Überfahrt von Agiokampos nach Glyfa. Hier lässt die griechische Regierung mehrere Fragen ohne eine logische Antwort.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Die griechische Regierung sorgt mit ihren bürokratischen, selbstbezogenen Maßnahmen für noch größere Verwirrung hinsichtlich der Infektionsschutzmaßnahmen - und trägt damit maßgeblich dazu bei, die Akzeptanz dieser Maßnahmen bei der Bevölkerung erheblich gefährdet.

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