Die Quadratur des Kreises

Seit dem 4. Mai wurden die Ausgangsbeschränkungen in Griechenland - bis auf weiteres - gelockert. Innerhalb von sieben Wochen soll der Wirtschaftsbetrieb stufenweise so weit wie möglich geöffnet werden. Vieles hängt davon ab, ob die bislang registrierten geringen Infektionszahlen und die relativ geringe Todesrate der Pandemie in Griechenland dem Praxistest der Öffnung der Wirtschaft standhalten können.

Bleibt das Land „ein sicherer Hafen“, wie es die verantwortlichen Politiker gern beschwören, dann besteht Hoffnung, dass ein Teil der Tourismussaison noch gerettet werden kann. Allerdings sind die Buchungs- und Stornierungszahlen bereits jetzt auf erschreckendem Niveau.

Die Tourismusunternehmer bereiten sich vor, so gut sie können. An manchen Orten werden Strandliegen in Plexiglas-Separees am Strand aufgestellt. Über den einheimischen Rundfunk erfahren die Griechen, wie ein eigens mitgebrachtes Handtuch auf die Liegen zu legen ist, damit Infektionen vermieden werden.

Umsatzeinbruch mit Dominoeffekt

Vom zu erwartenden Umsatzeinbruch sind nicht nur Hoteliers und Restaurantbesitzer betroffen. Viele weitere Branchen hängen vom Tourismus ab. „Plötzlich innerhalb eines Monats sind wir vom Penthouse ins Souterrain gekommen“, beschreibt Eftyxis Vasilakis die finanzielle Situation von Griechenlands größter Fluglinie, Aegean Airlines.

Er gibt zu, dass die Auswirkungen der Coranavirus-Pandemie auch von seinem Unternehmen zunächst unterschätzt wurden. Seit dem 25. Februar hatte die Fluglinie versucht, das Fliegen mit verstärkten hygienischen Maßnahmen so sicher wie möglich zu machen. Nun wurden die meisten Maschinen zwangsweise stillgelegt. Vasilakis erwartet, dass das ökonomische Niveau der Geschäftseinnahmen erst in knapp drei Jahren erneut erreicht werden kann.

Gemäß der aktuellsten Statistik der Tourismusorganisation SETE für 2018, trägt der Tourismus mit insgesamt 30,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. 25,9 Prozent der Jobs im Land hängen vom Tourismus, der mittelbar und unmittelbar zu 988.600 Arbeitsplätzen beiträgt, ab. Einen großen Anteil an den Tourismuseinnahmen generieren Besucher aus dem Ausland, die 2018 insgesamt 15,6 Milliarden Euro ins Land brachten. Die Haupttourismussaison mit 54,8 Prozent an ausländischen Gästen liegt in den Monaten Juli, August und September. Für sie stehen 10.121 Hotels mit insgesamt 798.650 Betten bereit.

Neuere Zahlen für 2019 zeigen, dass der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt 2019 konstant hoch war. Mit den knapp 25 Milliarden Euro - entsprechend 25 Prozent des BIP - welche der Tourismus als Branche direkt einnahm, sind laut jüngsten Berechnungen über die Zulieferer mehr als 40 Milliarden Euro, somit erneut knapp 30 Prozent des BIP verbunden.

Der überwiegende Großteil der Touristen kommt per Flugzeug ins Land. So verzeichneten die größten Flughäfen des Landes folgende Ankunftszahlen aus dem Ausland:

  • Athen 8.121.761

  • Heraklion (Kreta) 3.319.392

  • Rhodos 2.362.308

  • Thessaloniki 2.162.117

  • Korfu 1.509.219

Auch hier stehen mit den direkten Folgen für die Finanzen und das BIP weitere ökonomische Faktoren in Verbindung. Die Flughäfen sind privatisiert. Für ihre Nutzung überweisen die privaten Betreiber jährlich Lizenzgebühren. Da die Flughäfen mit einer staatlichen Verordnung zum Infektionsschutz geschlossen, beziehungsweise der Passagiertransport bis auf wenige Ausnahmen eingeschränkt wurde, gibt es bereits Diskussionen darüber, inwieweit der Staat berechtigt ist, für das laufende Jahr die Lizenzgebühren einzufordern. Auch hier drohen somit finanzielle Folgen, nicht nur für das BIP, sondern direkt für die Staatseinnahmen.

Durchhalteparolen & Verstaatlichungskarussell

Die Auswirkungen des Sparkurses haben die Binnennachfrage der Griechen nachhaltig vermindert. Gekürzte Gehälter und Renten sowie hohe Arbeitslosenquoten führen nicht dazu, dass die Griechen nach Ablauf der Quarantäne mit vollgefüllten Portmonees als Urlauber im eigenen Land die Lücke füllen können. Zudem gibt es Stimmen aus dem Arbeitgeberverband, die Sommerferien für das Personal für 2020 zu streichen, damit die Verluste der Quarantänezeit aufgeholt werden können.

Die von der Regierung gepredigte Hoffnung, dass inländischer Binnentourismus die Kassen füllen könnte, erscheinen daher eher wie eine Durchhalteparole. Zumal diejenigen unter den Griechen, die sich dieses Jahr ans Meer trauen werden, zum großen Teil auch die Alternative von Tagestrips ohne Übernachtung haben.

Ohne staatliche Finanzspritzen wird es nicht gehen. Auch für die Aegean Airlines ist eine zumindest teilweise Verstaatlichung im Gespräch. Damit würde das Unternehmen, welches die Reste von Griechenlands einst stolzen staatlichen Aircarrier Olympic übernommen hat, zu einem weiteren Staatsunternehmen. Treppenwitz der Geschichte ist, dass dies unter einer Regierung geschehen wird, in der als Topminister und Vizevorsitzender der Regierungspartei Kostis Chatzidakis sitzt, der seinerzeit unter Premier Kostas Karamanlis die Privatisierung der Olympic als alternativlos darstellte.

Unter den Vorschlägen sind zudem Rabattierungen der Mehrwertsteuer für touristische Dienstleistungen und Güter. Darüber hinaus setzen Regierung und Regionen auf ein Wiederaufleben des Autotourismus. Der Grundgedanke ist, dass Individualreisende im eigenen PKW einen höheren Infektionsschutz genießen und auch gegenüber anderen Touristen gewähren, als solche, die in Fliegern oder Kreuzfahrtschiffen ins Land kommen. Hier hofft die Regierung darauf, dass die Kraftstoffpreise weiterhin niedrig bleiben – und darauf, dass sich die erhofften Touristen nicht von den exorbitanten Mautgebühren im Land abschrecken lassen.

Erschwerte Anreise

Zudem ergibt sich für Autoreisende aus der übrigen EU und Westeuropa ein weiteres Problem. Sie müssen in der Regel mehrere Grenzen überqueren. Nur via Fähre aus Italien ist eine komplette Reise nach Griechenland innerhalb des Schengen-Raums möglich. Der Landweg über die Balkan-Route führt durch Serbien und Nord-Mazedonien - zwei Staaten, deren Quarantäne-Bestimmungen nicht mit der EU koordiniert werden müssen.

Eventuelle Quarantäne-Bestimmungen, zum Beispiel ein für die Übrigen geschlossener Schengen-Raum, würde dem Nachbarstaat Bulgarien einen Vorteil verschaffen. Die Bulgaren sind zwar in der EU, aber nicht im Schengen-Raum. Somit könnten mögliche Touristen aus Russland eventuell einfacher nach Bulgarien und die Türkei reisen - und Griechenland außen vor lassen.

Bei allen Spekulation über den Tourismus ist zudem zu bedenken, dass ein kurzfristiges Aufflammen der Pandemie oder eine befürchtete „zweite Welle“ schnell wieder zu einem Lockdown und zu Grenzschließungen in den Transitstaaten führen könnten. Welcher Tourist wäre dann gern mit dem eigenen Auto und ohne Möglichkeit der Rückreise im Urlaubsland gefangen?

„Was heißt das konkret für mich!?“

Der Leser erfährt in diesem Beitrag wie sehr Griechenland vom Tourismus abhängt und wieso es in Zeiten der CoVid-19 Pandemie keine Lösung für die aktuellen Probleme geben kann. Das Karussell dreht sich unausweichlich weiter…

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