…Darüber hinaus muss überprüft werden, inwieweit frühere Missstände, die zur Krise ursächlich beigetragen haben, beseitigt wurden.

Tourismusbranche: Glücksfall Corona-Virus?

Der Tourismus in Griechenland boomt seit Jahren. Das gilt zumindest hinsichtlich der absoluten Zahlen von Touristen, die das Land besucht haben. Die Angestellten im Tourismusgewerbe klagen jedoch weiterhin über ausstehende Löhne. Das Lohnniveau bleibt niedrig.

Zur Gefahr für den Tourismus könnten die geopolitische Entwicklung in Region und der Konflikt mit der Türkei um die Erdgasvorkommen in der Ägäis werden. Zudem herrscht aktuell Panik wegen des Corona-Virus. Das, was im Zusammenhang mit der weltweiten Sorge über die Auswirkungen der epidemischen Lungenkrankheit und den Verantwortlichen für den Tourismus jedoch verstört, sind die jüngsten Äußerungen des Ministers für Tourismus, Haris Theoharis.

"Viele europäische Touristen, die Asien als Reiseziel gewählt haben, werden sich jetzt neuen Märkten zuwenden. Die Buchungen nehmen in diesem Jahr zu, und weil wir die Kampagne dieses Jahr zum ersten Mal so früh gestartet haben, ist das Bild positiv “, kommentierte der Minister und implizierte damit, dass er den Virus in China als Chance auffasst.

Bezüglich der Stornierungen von Touristen aus China gab Theoharis an, dass die entsprechende Zahl im Bereich von 60 bis 70 Prozent liegt. Theoharis bestätigte, dass das Ziel, 500.000 chinesische Touristen nach Griechenland zu locken, auf 2021 verschoben wird.

"Das Ziel, 500.000 chinesische Touristen zu erreichen, gilt für das nächste Jahr, 2021, also bleibt noch Zeit. Unser Land hat im vergangenen Jahr, ohne die 5,5 Millionen Kreuzfahrtpassagiere mitzurechnen, 31.350.000 Touristen empfangen. Von diesen 31.350.000 Touristen waren 200.000 Chinesen, was eine geringe Größe ist. Wir sprechen also von einer Verzögerung bei der Entwicklung eines Marktes, der sich noch "öffnet", so dass das griechische Tourismusprodukt nicht so negativ beeinflusst wird ", erklärte der Minister.

Athen: Boomende Problemviertel

Der Tourismus ist der Motor für die Umgestaltung des bisherigen Problemviertel rund um den Omonia-Platz, dem Platz der Eintracht, mitten im Zentrum Athens. Hier investiert das Who is Who der Hotelketten in neue, moderne Hotels. Der Omonia-Platz und seine Umgebung sind aktuell ein Hot Spot für Drogengeschäfte und Prostitution. Verkehrstechnisch bietet das Viertel beste Innenstadtlage mit Anbindung an sämtliche öffentliche Verkehrsmittel. Zudem liegen die Akropolis, die antike Agora, der Syntagma-Platz und sämtliche relevanten Museen der Stadt nur einen Fußweg weit entfernt.

Die Brown Hotels Gruppe aus Tel Aviv wird im April das seit 2010 leer stehende Acropol Hotel unter dem Namen Brown Acropol neu eröffnen. Das Acropol bietet ein Gebäude mit dem architektonischen Charme der Sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Einer Zeit, in der die Gebäude in Athen noch überwiegenden von Architekten und nicht wie heute von Bauingenieuren geplant wurden. Die Israelis betreiben bereits das La Mirage im gleichen Viertel, ein Hotel, das aus dem Besitz des griechischen Militärs stammte und privatisiert wurde.

Außer den beiden bestehenden und von Brown Hotels aufwändig renovierten Hotels hat die Brown Hotels Gruppe mit dem denkmalgeschützten Gebäude, welches nahe dem Omonia-Platz Büros der Kommunistischen Partei Griechenlands beherbergte ein weiteres Projekt gestartet. Für die notwendigen Umbauten wurden bereits die entsprechenden Genehmigungen erteilt. Insgesamt soll die Gruppe in Athen und Thessaloniki innerhalb der nächsten Jahre elf Hotels eröffnen.

Ebenfalls aus Israel stammt mit Fattal Hotels ein weiteres Schwergewicht der Beherbergungsbranche. Die Gruppe wird bis 2020 das bis zu seiner Stilllegung 2010 als Esperia Hotel bekannte Gebäude an der Stadiou Avenue unter dem Namen Nyx Athens eröffnen. Unter dem bekannten Brand-Namen der Fattal Kette, Leonardo Boutique Hotel, wird wenige hundert Meter entfernt nahe dem Polytechnikum Athens ein weiteres Objekt bis 2021 fertiggestellt.

Die Accor Gruppe wird im Viertel direkt gegenüber dem Archäologischen Museum ein Ibis Styles eröffnen. Darüber hinaus investieren zahlreiche weitere Unternehmer in eine Reihe von bislang leer stehenden Gebäuden und Hotels rund um den historischen Platz der Stadt. Offenbar setzen die Investoren auf ein Ende der Krise, in deren Zusammenhand Dutzende von Hotels in der Athener Innenstadt schließen mussten.

Versteigerungsschutz läuft aus – Neuer Preisverfall am Immobilienmarkt?

Dem positiven Investitionsklima diametral entgegengesetzt erscheint die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Hier stehen in den nächsten Monaten, wenn am 30. April der bisherige, gesetzlich verordnete Versteigerungsschutz für die „einzige Wohnung“ ausläuft, stürmische Zeiten bevor.

Die Regierungen seit 2010 hatten, wegen der massiv gekürzten Löhne und Renten für die dadurch zahlungsunfähigen Kreditnehmer einen Versteigerungsschutz für mit Hypotheken belastete Immobilien erlassen, falls die beliehene Immobilie die einzige Wohnung des Kreditnehmers war. Privatpersonen, die in staatliche Pfandbriefe investiert hatten erlitten einen Totalverlust. Gleichzeitig wurden die Banken mehrfach mit staatlichen Geldern für die dadurch erlittenen Ausfälle rekapitalisiert.

Dadurch wurde das weiterhin bestehende Problem der Überschuldung der Bürger schlicht aufgeschoben. Denn die Banken lösten das Problem der faulen Kredite nicht, und die Regierungen erließen kein Insolvenzrecht für Privatpersonen. Die Immobilienpreise hingegen waren wegen der durch die Krise geplatzte Immobilienblase massiv gefallen. Das bestehende Schuldrecht Griechenlands bestimmt, dass die Schuldner auch nach Versteigerung ihres Pfands – im konkreten Fall der Immobilie – die volle Restschuld des Kredits abtragen müssen. Eine Novellierung soll seitens der Regierung ab dem 1. April im Parlament zur Beratung vorgelegt werden.

Die Banken haben zwischenzeitlich zur Bereinigung ihrer Bücher einen Teil der faulen Kredite mit erheblichem Abschlag an Investmentsfonds verkauft. Der Gesetzgeber, in diesem Fall die damalige SYRIZA-Regierung, hatte ausdrücklich verboten, dass die Kreditnehmer, oder aber auch die gesetzlich durch keine Regelung geschützten Bürgen in den Genuss eines derartigen, mit Steuergeldern refinanzierten Abschlags kommen.

Außer dem sozialen Sprengstoff, den die Versteigerungen und bevorstehenden Zwangsräumungen beinhalten, droht dem sich gerade zaghaft erholenden Immobilienmarkt ein erneuter Preisverfall. Daher bangen auch diejenigen, die entweder ihre Kredite bedienen, oder aber bereits abbezahlt haben, um den Wert ihrer Immobilie, wenn in direkter Nachbarschaft Wohnungen versteigert werden.

Einst stolzen Staatsbetrieben droht das Aus

Die griechische Post, ELTA, war vor der Krise ein von vielen ersehnter Arbeitgeber. Sie bot Sicherheit. Mittlerweile sind die Brief- und Paketzusteller hoffnungslos defizitär. Es ist bezeichnend, dass auf den Computern der ELTA immer noch Windows XP als Standardbetriebssystem läuft.

Ähnlich dramatisch sieht es beim staatlichen Fahrzeugbauer ELVO, der Rüstungsindustrie EAV, dem Minenbetreiber und Metallunternehmen Larco und der Skaramanga-Werft aus. Der Betrieb dieser Unternehmen kosten den Staat nach Angaben des Finanzministers Christos Staikouras jährlich knapp drei Milliarden Euro, was so ziemlich genau dem Betrag der eingenommenen Immobiliensondersteuer Enfia entspricht.

Allein die Schulden der Larco gegenüber dem staatlichen Energieunternehmen Public Power Company bewegen sich im Bereich von 364 Millionen Euro. Das Unternehmen sitzt als Global Player auf Nickel-Vorkommen in riesiger Höhe, kann diese aber nur zu höheren Kosten als dem aktuellen Marktpreis abbauen. Beiprodukte wie Kobalt und Eisen werden von der Larco bislang nicht wirtschaftlich genutzt.

Post auf Irrwegen

Bei der ELTA ist die Not so groß, dass in einigen Filialen die Kunden für notwendige Fotokopien des staatlichen Unternehmens in den nächsten Copy-Shop geschickt werden, weil das eigene Kopiergerät mangels Kapital nicht gewartet werden kann.

Zudem erhob die ELTA ab dem 3. Februar zwischenzeitlich für jedes Paket aus China oder weiteren nicht zur EU gehörenden Ländern eine Zollbearbeitungsgebühr von 15 Euro. Die Bearbeitungsgebühr wurde auch dann erhoben, wenn die Warenlieferung vom Zoll nicht mit weiteren Zollgebühren belegt war. Dies ist in Griechenland konkret für Sendungen mit einem Wert von weniger als 22 Euro der Fall. Diese Sendungen werden vom griechischen Zoll mit einer grünen Markierung versehen.

Um die Relation der Bearbeitungsgebühr zur Finanzkraft der griechischen Kunden einzuschätzen, reicht es zu beachten, dass der Mindestlohn in der Größenordnung von 550 Euro liegt. Die Kunden haben noch einen weiteren Grund zum Ärger. Es geht um die langen Paketlaufzeiten von bis zu drei Monaten. In Kombination mit der Gebühr von 15 Euro für die Bearbeitung, erlebten einige Kunden für im November 2019 bestellte, und vom Sender verschickte Waren so Anfang Februar eine üble Überraschung.

Sie hatten explizit als zollfrei erklärte Waren, zum Beispiel eine Plastikhülle für ein Mobiltelefon im Wert von zwei Euro bestellt. Für die verzögert eintreffende Ware mussten sie 15 Euro extra zahlen, und zwar unabhängig davon, ob sie die Ware tatsächlich annehmen wollten oder nicht. Rechtssicherheit und Kundenservice sehen sicherlich anders aus. Die Post erklärt die langen Laufzeiten, die in abgeschwächter Form auch für Sendungen innerhalb der EU registriert werden, mit fehlendem Personal.

Schließlich wurde die ELTA von der unabhängigen Aufsichtsbehörde zur Stellungnahme zum Thema aufgefordert. Die Gebühr wurde schließlich zurückgenommen. Pech gehabt, für diejenigen, die bereits gezahlt hatten.

Spendabler Staat

Den Belastungen der Bürger gegenüber stehen Förderungen und Geschenke an reichere Griechen und Unternehmer. So spendierte die Regierung Mitsotakis den 300 Parlamentariern und den im Parlament akkreditierten Journalisten eine Prämie von 600.000 Euro für den Kauf neuer elektronischer Geräte. Sechs Millionen Euro zusätzliche Förderung gab es für Medien. 4,5 Millionen Euro kosten den Fiskus die von der Regierung zur Propagierung der eigenen Arbeit angestellten Journalisten. Spitzensportler können sich über eine eigens für sie und ihre Vereine erlassene Halbierung ihres Spitzensteuersatzes von 45 auf 22 Prozent freuen.

Zudem wirbt Griechenland damit, ausländischen Investoren, die mehr als 500.000 Euro investieren als Steuerparadies mit einer Flat-Tax zu dienen. 75 Millionen Euro schenkte der Staat den Aktionären durch Halbierung des Steuersatzes für Dividenden von zehn auf fünf Prozent. Knapp 540 Millionen Euro Steuerausfall kostet die Senkung der Unternehmenssteuer. Schließlich wurden einigen privaten Unternehmen Abgaben und Steuern in Millionenhöhe erlassen.

Dem zukünftigen Besitzer der zu privatisierenden Skaramanga Werft wird der Staat zudem die Kosten für die Legalisierung bestehender Schwarzbauten erlassen. Die einst von der Reederfamilie Niarchos gegründete Werft ist in ihrer wechselhaften Geschichte schon mehrfach privatisiert und wieder verstaatlicht worden.

Bei einer weiteren Privatisierung des früheren Athener Flughafens Elliniko gibt es dagegen anderen Ärger. Hier wurde die Hard Rock International als Bieter für eine Kasinolizenz ausgeschlossen. Das Unternehmen hat gegen diese Entscheidung Klage eingelegt und verweist auf parteiliche Einflussnahme von Regierungsverantwortlichen zu Ungunsten der Hard Rock International. Die Privatisierung des Großflughafens ist das Paradeprojekt der Regierung.

Die alten Probleme bleiben

Die staatliche Gesundheitsversorgung bleibt auch zehn Jahre nach dem Gang Griechenlands zum IWF schlecht. Eine betagte Patientin auf Kreta staunte nicht schlecht, als ihr für eine dringend notwendige gastroskopische Untersuchung im Krankenhaus ein Termin für den 3. Februar 2022 gegeben wurde. Ob die Greisin den Tag – ohne Behandlung ihres Leidens – noch erleben wird, steht in den Sternen. Aus dem Gesundheitsministerium verlautete dazu, dass man sich nun damit befassen wolle, wie es zu so langen Wartezeiten kommen kann.

Verwundert es, dass bei solchen Wartezeiten für medizinische Dienste und Eingriffe immer noch das berühmt, berüchtigte „Fakelaki“, der Briefumschlag mit Schmiergeld, an korrupte Ärzte gegeben werden muss, damit Krankenversicherte in den Genuss medizinischer Versorgung kommen?

„Was heißt das konkret für mich!?“

Im Alltag der Bürger ist der von der Regierung gefeierte ökonomische Aufschwung augenscheinlich noch nicht angekommen. Der griechische Immobilienmarkt könnte einem erneuten Preisverfall anheimfallen, während die Staatsgelder stets an der falschen Stelle anzukommen scheinen. Die lautstark propagierte Kehrtwende scheint also lange noch nicht geschafft...

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