Naftali Bennett - Siedler-Lobbyist und Rechtsaußen-Politiker 

Der Siedler-Lobbyist und Rechtsaußen-Politiker Naftali Bennett wird Nachfolger von Regierungschef Benjamin Netanjahu, der das Land Israel zwölf Jahre lang ununterbrochen regiert hatte. Genau die Hälfte der insgesamt 120 Abgeordneten in der Knesset stimmten für eine neue Regierungskoalition, die sich aus einem breiten ideologischen Spektrum zusammensetzt. 59 Abgeordnete votierten dagegen, einer enthielt sich.

Eine breite und brüchige Koalition

In dieser Koalition, welche sich aus acht Parteien zusammensetzt, von links bis rechts, befindet sich auch die konservative islamische Ra’am Partei, was ein Novum darstellt, denn dadurch wird zum ersten Mal eine arabische Partei Bestandteil der israelischen Regierung. Deren Vorsitzender Mansour Abbas wird damit zum Königsmacher, gerade zu einer Zeit, in der sich die arabische Minderheit in einem Prozess des Aufbegehrens befindet.

 

Der israelische Historiker Moshe Zuckermann äußerte kürzlich dazu,

in einem Interview

 mit dem Verfasser dieses Beitrages:

 

Es waren nicht nur die Zusammenstöße zwischen den Arabern und den Sicherheitskräften, sondern die zwischen den Arabern und den Juden, die die Bevölkerung in Schock versetzt haben. Es wurde offenkundig, welche Hass- und damit einhergehende Gewaltpotenziale sich in der Gesellschaft angestaut haben. Das kam nicht von ungefähr, denn abgesehen von schierem Vandalismus bildete sich in diesen Exzessen der Frust und der Zorn großer Teile der arabischen Minderheit ab, die in Israel seit Jahrzehnten ein Leben als Bürger zweiter Klasse fristen müssen. Vielleicht werden die Ausbrüche während der Krise als Alarmzeichen wahrgenommen werden. Ausgemacht ist dies aber nicht.“

 

Die Jamina-Partei des neuen Regierungschefs Bennett, könnte die zukünftige Regierungsarbeit erschweren, da sie als Sprachrohr der Siedler in der Westbank fungiert. Auch hier handelt es sich um eine Zäsur, denn Bennett ist der erste israelische Regierungschef aus dem national-religiösen Lager, welches bisher höchstens als Mehrheitsbeschaffer gebraucht wurde, aber immer von der Machtzentrale ferngehalten wurde.

 

Der 49-jährige Bennett war mehrmals Minister in der Netanjahu-Regierungen, bis die beiden Männer sich überwarfen, obwohl sie ideologisch einiges verbindet. Bennett ließ diesbezüglich verlautbaren:

 

"Wir sind von unseren Werten nicht abgekommen. Freunde, das wird keine Regierung, die Siedlungen räumt oder Gebiete hergibt. Diese Regierung wird auch nicht zögern in eine Militäroption zu ziehen, wenn es notwendig ist."

Während Bennetts Partei den Siedlungsbau forcieren möchte, gar die Annexion von Teilen der Westbank anstrebt, treten die erwähnte Ra’am-Partei, wie auch die linksliberale Merez, ebenfalls Mitglied in der Regierungskoalition, für das Gegenteil ein. Bennett scheint sich der Problematik der ideologischen Gegensätze seiner Regierungskoalition, sowie der hauchdünnen Mehrheit, welche diese trägt, bewusst. 

Ganz Israel?

Daher verkündete er auch pathetisch, dass das von ihm angeführte Links-rechts-Bündnis aus acht Parteien „ganz Israel“ repräsentieren werde. Seine Rede in der Knesset wurde durch laute Zwischenrufe des Netanjahu-Lagers gestört. Der neue Regierungschef sprach sich dabei gegen eine Rückkehr zum internationalen Atomabkommen mit dem Iran aus, wohl wissend, dass dies in Washington entschieden wird. Ferner sprach er eine Warnung in Richtung der im Gazastreifen herrschende Hamas aus.

Likud-Partei auf der Oppositionsbank

Die nationalkonservative Likud-Partei ist außen vor, sie befindet sich auf den harten Bänken der Opposition, denn zum ersten Mal seit zwölf Jahren wurde eine Regierung ohne diese Partei gebildet. Der Likud galt einst als Partei der "polnischen Krawattenträger", als politisches Gegengewicht zur streng sozialistischen Kibbuz-Ausrichtung der Arbeiterpartei. In den ersten Jahren nach der Staatsgründung war der Likud in Israel zu einer ewigen Opposition verdammt.

 

Erst 1977, unter Menachem Begin, basierend auf der veränderten Demographie in Israel, gelangte der Likud an die Macht. Ausgerechnet die Sepharden, die orientalischen Juden, die nach der Staatsgründung nach Israel eingewandert waren und äußerlich kaum von Arabern zu unterscheiden sind und damals die Bevölkerungsmehrheit erlangten, basierend auf höheren Geburtenraten, wählten Likud - aus Protest gegen die Dominanz der politischen linken Elite, die überwiegend aschkenasisch (also europäischen Ursprungs) war und ist.

 

Nach den Plänen der neuen Regierung wird Bennett nur zwei Jahre Regierungschef bleiben, dann das Amt an den smarten Jair Lapid übergeben, dessen Partei Jesch Atid säkular-liberale Werte vertritt. Ob die neue Regierung überhaupt so lange

durchhält, steht aber in den Sternen.

Düstere Zeiten für Netanjahu

Für Benjamin Netanjahu, der sich bis zuletzt an sein Amt klammerte wie ein Ertrinkender an das Reststück eines Floßes, stehen die Zeichen auf Sturm. Gegen den 71-Jährigen läuft ein Korruptionsprozess, der ihn

durchaus ins Gefängnis bringen

könnte.

"Was bedeutet das konkret für mich!?"

Bei aller Unterschiedlichkeit, bezüglich der geopolitischen und soziodemographischen Rahmenbedingungen, demonstriert die politische Entwicklung in Israel auch die Zukunft der politischen Landschaft im Westen. Der Zerfall der Gesellschaft in immer kleinere Subgruppen, mit eigenen politischen Interessenvertretungen, teils ethnisch, teils religiös, vor allem aber sozioökonomisch geprägt, bis hin zu unregierbaren Gesellschaften, die nur noch mit Mühe handlungsfähige Regierungen schmieden können. 

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