Bundeskanzlerin Merkel ist gestern im Rahmen ihrer  Nahost-Reise in Jordanien eingetroffen. Das ZDF meldete diesbezüglich:

Die deutsche Regierung pflegt beste Kontakte in die jordanische Hauptstadt. In den letzten Monaten waren nicht nur die Verteidigungs- und der Außenminister in Amman, sondern auch der Bundespräsident. Berlin will dem jordanischen Königshaus deutlich signalisieren, für wie wichtig es die Unterbringung all dieser Flüchtlinge in der Region hält, bevor sie zu Millionen nach Europa strömen.

Was das Zweite Deutsche Fernsehen in diesem Zusammenhang nicht erwähnte, die Kanzlerin besuchte ein Land , welches von langanhaltenden Unruhen erschüttert wird und sich in einem ökonomischen Niedergang befindet, der alles andere als geeignet erscheint, um Flüchtlinge im großen Stil aufzunehmen.

Dabei wird völlig übersehen, dass Jordanien ohne den Schutzschild der USA, Saudi-Arabiens, teilweise auch Israels kaum Überlebenschancen hat. Der Pufferstaat, bis vor Kurzem von seinen Günstlingen finanziell am Leben erhalten, ist pleite.

Kunstgebilde Jordanien im Dienste des Empires

Ähnlich wie der Irak, ist Jordanien ein Kunstgebilde, welches einst von den Agenten des britischen Empires geschaffen wurde, um dessen geostrategischen Interessen zu dienen. Im Falle Iraks war es die britische Jungfer und begnadete Orientalistin  Gertrude Bell, die dieses Staatswesen in den Wüstensand zeichnete.

Churchill fungierte als Taufpate

Bei Jordanien war Winston Churchill Taufpate, als er 1921 „Transjordanien erfunden hatte“, wie er später in seinen Memoiren schrieb. Der spätere britische Premierminister war damals, um das Erbe des untergegangenen Osmanischen Reiches zu regeln, welches sich London und Paris unter den Nagel gerissen hatten, als Staatsminister für diese Kolonien benannt worden.

Um diesen Vorgang zu bewältigen, bzw. in die Wege zu leiten, hatte Churchill eine Konferenz in Kairo organisiert, in der sich die führenden Kolonialbeamten des Weltreiches trafen.

Churchill hatte damals erkannt, dieser strategische Weitblick war sein Markenzeichen, dass die angestrebte Gründung einer Heimstätte der Juden in Palästina -die sogenannte Balfour-Deklaration aus dem Jahr 1917- zwangsläufig zu Unruhen zwischen Arabern und Juden führen muss. London hatte sich um ein Völkerbundmandat für Palästina beworben. Der spätere Weltkriegsheld wies darauf hin, dass die mit Abstand längste Grenze, die arabische Gebiete von dem künftigen Mandat Palästina trennte, jene entlang des Jordans war.

Aus diesem Grunde packte Churchill die Gelegenheit beim Schopf und entwarf einen „Pufferstaat“ namens Transjordanien zwischen dem Mandatsgebiet Palästina und den arabischen Herrschaftsgebieten. Das britische Mandatsgebiet sollte so gegen Angriffe seitens der arabischen Halbinsel abgesichert werden. Ferner wurden die Grenzen dieses Gebildes weit nach Osten verschoben, wodurch die britischen Kolonien Palästina und Irak eine Landbrücke erhielten.

Ein Pufferstaat verliert seine Existenzberechtigung

Dieser Pufferstaat -das heutige Jordanien- war von seiner Gründung bis heute von Hilfsgeldern abhängig, die von Außen kamen, je nach der geostrategischen Ausgangslage im Wandel. War Großbritannien zu Beginn der Sponsor des haschemitischen Königreiches, ging diese Rolle nach dem 2. Weltkrieg an die USA, später dann an Saudi-Arabien. Nach 1948 ging es vorrangig darum, die Grenze zwischen Israel und Jordanien zu stabilisieren. Darüberhinaus  fungierte Jordanien unfreiwillig als Fluchtpunkt für die palästinensischen Flüchtlinge aus Israel und später aus dem Westjordanland.

Heute ist rund die Hälfte der Bevölkerung palästinensischer Herkunft, was gewisse israelische Politiker zu der sarkastischen Bemerkung veranlasste, es gäbe ja schon einen palästinensischen Staat, nämlich Jordanien.

Jordanien im Würgegriff

In den letzten Jahren wurde Jordanien auch zwangsläufig zum Fluchtpunkt von Flüchtlingen aus Syrien, was die fragile soziale Lage weiter verschärfte. In der Vergangenheit waren für die Flüchtlinge die UNRWA(United Nations Relief and Works Agency) zuständig, also die Hilfsorganisation der UNO. Über deren Kompetenz lässt sich streiten, allerdings garantierte deren Aktivität vor Ort, ein Überleben auf einem einigermaßen erträglichen Niveau.

Begründet durch die Tatsache, dass die Trump-Regierung  jene Gelder radikal kürzen ließ, welche die USA der UNRWA jährlich zur Verfügung stellten, mehr aber noch durch den Ausfall der finanziellen Unterstützung aus Saudi-Arabien.

Die Saudis haben ihre Unterstützung für den Nachbarstaat deshalb aufgegeben, da das Königreich für Riad nicht mehr vom geostrategischem Interesse ist, bzw. zu sein scheint. Riad arbeitet jetzt eng mit Jerusalem zusammen, wenn auch nur inoffiziell, so dass Jordanien nicht mehr als Pufferstaat taugt. Was geschieht, wenn das Pulverfass in Amann explodiert, bleibt bei dieser Rechnung allerdings unberücksichtigt.

Aber die Saudis sind selbst von finanziellen Verwerfungen betroffen, die abenteuerliche Politik des Kronprinzen Bin Salman kostet Geld, der Krieg im Jemen verschlingt Unsummen.

Merkel verkennt die Lage

In dieser angespannten Situation trifft Merkel in Amann ein. Seit Wochen finden Demonstrationen statt, die größten in der Geschichte des Landes. Die angekündigten Steuererhöhungen, in einem Land wo viele Menschen zu wenig verdienen, um überhaupt steuerpflichtig zu sein, sowie die Teuerungen, treiben die Menschen auf die Straßen und Plätze. Der Ministerpräsident trat kürzlich zurück, doch sein Nachfolger sieht sich außerstande, die angekündigten Steuererhöhungen und die Teuerung rückgängig zu machen.

Bei Ihrem Besuch in Jordanien diskutierte die Kanzlerin mit Studenten der Universität von Amann und traf mit dem König zusammen. Beides wird wenig hilfreich gewesen sein, um ihr die wahre Lage des Landes zu vermitteln.

Für diese Region, für geopolitische Tiefe, fehlt Angela Merkel auch jedes Gespür. Ihr Ziel ist es, die von ihr mit zu verantwortende innenpolitische Krise der Bundesrepublik auf Länder wie Jordanien abzuwälzen. Dabei beginnt die Mitverantwortung Merkels nicht durch die Aufnahme der Flüchtlinge, sondern dadurch, dass sie jahrelang, nahezu willfährig, sich der Politik Washingtons gegenüber der Region unterworfen hatte, eine Politik die zu jenem Krieg, Terror und Chaos führte, welcher die Flüchtlingsströme erst in Gang setzte.

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