Während der ukrainische Botschafter in Berlin, dem ansonsten auch keine verbalen Entgleisungen zu schade sind, vorgestern im ZDF angebliche Überfallpläne Russlands präsentierte, äußerte in Kiew der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats der Ukraine, Olexij Danilow:

Wir sehen zum heutigen Tag überhaupt keine Anhaltspunkte für die Behauptung eines großflächigen Angriffs auf unser Land!“

Für Kiew seien Truppenbewegungen auf russischer Seite im Gegensatz zum Westen keine erstaunliche Angelegenheit. Die ganze Aufregung habe erst mit einem Artikel in der „Washington Post“ Mitte Oktober begonnen - so der Sekretär des nationalen Sicherheitsrats der Ukraine.

Wachsende Irritationen zwischen Washington und Kiew

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der ansonsten gerne westliche Waffen und günstiges russisches Gas beziehen möchte, sah in einer Videoansprache ebenfalls keinen Grund zur Aufregung um die Ostukraine.

Alles ist unter Kontrolle. Es gibt keinen Grund zur Panik“,

betonte er auch mit Blick auf den Abzug von westlichen Diplomaten. Hier drückt sich auch schon eine wachsende Irritation in Kiew, angesichts der westlichen - vor allem der amerikanischen und britischen - Vorgehensweise aus.

In London agiert inzwischen der britische Premierminister Boris Johnson als Scharfmacher. Johnson äußerte, Geheimdienstberichte zur Lage im russisch-ukrainischen Grenzgebiet seien „ziemlich düster“, wobei er die Lage im ukrainisch-russischen Grenzgebiet nicht mit seiner innenpolitischen Ausgangslage verwechselte.

Wir müssen dem Kreml, Russland sehr deutlich machen, dass das ein desaströser Schritt wäre“, so Johnson mit Blick auf eine russische Invasion. 

Großbritannien und die USA haben natürlich auch die Führung bei Waffenlieferungen an die Ukraine übernommen, was etwas von den innenpolitischen Problemen an der Heimatfront ablenkt, von denen beide Staatsmänner genug haben. Gemäß der „New York Times“ hat auch US-Präsident Joe Biden erwogen, die Präsenz von US-Truppen in den osteuropäischen NATO-Staaten zu erhöhen, was dem transatlantischen Militärbündnis natürlich zu Gute kommt, falls man die Frage aufwerfen möchte, wem das alles eigentlich nützt.

Die Chemie zwischen dem ukrainischen und dem US-Präsidenten stimmt nicht. Nach langem Warten wurde Selenskyj im September letzten Jahres zwar endlich im Weißen Haus empfangen, dort aber abgefertigt wie ein Lieferant. Statt des erhofften verbindlichen Handschlags, mit dem Joe Biden gemäß den Wünschen in Kiew die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine unterstützen und die Gaspipeline Nord Stream 2 bekämpfen sollte, erhielt Selenskyi nur den kleinen Finger und kehrte mit leeren Koffern nach Kiew zurück.

In Washington hält man den ukrainischen Präsidenten für korrupt. Der ukrainische Präsident, der diese Demütigung nicht vergessen hat, geht inzwischen davon aus, richtigerweise möchte man hinzufügen, dass sein Land nur als Schach-Figur fungiert, in diesem geopolitischen Konflikt und früher oder später fallengelassen wird, wobei Russland der Nachbar im Osten bleibt und die ukrainische Bevölkerung sich immer stärker von ihrer Regierung abwendet. 

Moskau bleibt bei seinen Aussagen

Angesichts dieses undurchsichtigen Spektakels, dieses Konglomerats - westlich der eigenen Grenze - bleibt man in Moskau bei seinen Aussagen. Befürchtungen, wonach Russland im Falle von Sanktionen Europa den Gashahn zudrehen könnte, wies Kreml-Sprecher Peskow unterdessen zurück.

Russland hat in den schwierigsten Momenten der Konfrontation zwischen Ost und West seine Vertragsverpflichtungen tadellos erfüllt“, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. „Russland hat noch nie einen Grund gegeben, an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln.“ Moskau betont immer wieder, dass auch im Kalten Krieg in der Konfrontation zwischen Sowjetunion und dem Westen das Gas immer geflossen sei.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Eine Studie der regierungsnahen RAND Corporation aus dem Jahr 2019 verdeutlicht, wer in der aktuellen Krise das Drehbuch lieferte. Unter dem Titel "Overextending and Unbalancing Russia“ (Russland überlasten und aus dem Gleichgewicht bringen) wird dort neben weiteren Sanktionen unter anderem diskutiert, Bomber und taktische Atomwaffen in kurzer Schlagdistanz zur russischen Grenze zu stationieren sowie "Russlands größten äußeren Schwachpunkt auszunutzen" und der Ukraine "lethal aid", " tödliche Hilfe" zu geben, sprich: Waffen zu liefern.

Es kann durch aus sein, dass inzwischen der Westen überlastet und aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, angesichts der jüngsten Ukraine-Krise. Aber auch Washingtons Plan B - Russland aus der Allianz mit China zu drängen - geht nicht auf, denn in Moskau hat man in den letzten Wochen genau registriert, was aus der Sicht des Kremls vom Westen zu halten ist. Nicht Russland sei der Ursprung der Spannungen, sondern die „Informationskampagne“ und „Hysterie“ der USA und der NATO, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die Kampagne werde von einer Vielzahl „einfacher Lügen“ begleitet.

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