1979 war wahrlich eine historische Zäsur für die islamische Welt, eine Zäsur deren Folgen wir heute noch spüren.

1979 vollzog sich die Islamische Revolution im Iran. 1979 fand auch die Geiselnahme von Mekka und Medina statt, die Saudi-Arabien dazu veranlasste, die eigene puritanische Interpretation des Islams weltweit zu verbreiten.

Und 1979 -die UdSSR war noch eine der zwei Supermächte, welche den Erdball beherrschten- begann die Invasion der „ruhmreichen Roten Armee“ im südlichen Nachbarland, in Afghanistan.

Rückzug aus Afghanistan und Zusammenbruch des Imperiums

Eine Dekade später lag das kommunistische Weltreich, welches Helmut Schmidt einmal als Obervolta mit Atomwaffen -also als eine Nuklearmacht auf Drittwelt-Niveau- tituliert hatte, im Todeskampf. Es waren Risse im Roten Imperium erkennbar.

Nach zehnjähriger Okkupation durch 130.000 Sowjetsoldaten mitsamt einem Aufgebot von Hunderten, vielleicht Tausenden von Panzern waren sie dem Zermürbungskrieg der Mudschahedin erlegen.

In Moskau ging man damals wohl von der trügerischen Hoffnung aus, einem Übergreifen des islamischen Flächenbrandes -welcher zuvor von den USA kräftig angefacht wurde- auf das eigene Territorium, bzw. auf die eigenen muslimischen Ethnien, durch diesen Rückzug entgegenwirken zu können.

Es kam anders.

Trotz jahrzehntelanger atheistischer Indoktrination und kommunistischer Propaganda, fand vom Nordkaukasus bis nach Zentralasien die „Wiedergeburt des Islams“ statt, die den Niedergang des „gottlosen Imperiums“ beschleunigten.

Die muslimischen Völker des zerfallenen Eurasischen Riesenreiches betrachteten die „Höllenfahrt“ ihrer entmachteten kommunistischen Kolonialherren mit Verwunderung und fassungslosem Staunen. In das hinterbliebene ideologische Vakuum und die katastrophalen ökonomischen und ökologischen Hinterlassenschaften des Sowjetsozialismus‘ fielen die Koranverse, denen zufolge Allah den Geduldigen, den Standhaften, beisteht, auf einen fruchtbaren Boden.

Die sowjetische Soldateska hinterließ ein zerstörtes Afghanistan und kehrte in eine Heimat zurück, die gerade dabei war, zugrunde zu gehen. 15.000 sowjetische Soldaten blieben auf den Schlachtfeldern zurück, mehr als 1,5 Millionen Afghanen waren ums Leben gekommen.

Einige Monate später sollten die kommunistischen Marionetten-Regime in Mitteleuropa - von Warschau bis Sofia - stürzen, beziehungsweise die Mauer in Berlin fallen. 1991 kam es dann zur Auflösung der Sowjetunion selbst.

Die westliche Streitmacht, welche 2001 ihren „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan begann, konnte die ausgebrannten sowjetischen Tanks besichtigen, die immer noch in der rauen Bergwelt des Hindukusch rosteten.

Als Warnung und Mahnung wurden diese Relikte von ihren Vorgesetzten und Auftraggebern nicht interpretiert. Dabei hatte es an Warnungen aus Moskau nicht gefehlt, dass Afghanistan - wie schon zu Zeiten Alexander des Großen - ein Friedhof der Imperien bleibt.

1996, nach der Einnahme Kabuls durch die Steinzeit-Islamisten der Taliban, fiel Nadschibullah, der sowjetische Stadthalter in Kabul - auch als Stalin von Afghanistan bekannt, einer blutigen Abrechnung zum Opfer. Wie ein Stück Vieh ließen ihn die Taliban durch die Straßen von Kabul schleifen.

Trotz dieser archaischen Umstände befanden sich die USA und die afghanischen Taliban damals in einem Verhandlungsmarathon, bei dem das Thema Menschenrechte nicht zur Sprache kam.

USA verhandelten schon 1996 mit den Taliban

Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer schreibt dazu in seinem lesenswerten Buch „Die Saudi-Connection“: „Das State Department verschloss nicht nur die Augen vor der radikal-islamischen Außenpolitik, die Saudi-Arabien betrieb - gelegentlich leistete es dieser Politik sogar noch Vorschub. Es wusste, dass der Plan der Saudis, Erdgas- und Erdöl-Pipelines quer durch Afghanistan hindurch von Zentralasien bis nach Pakistan zu führen, den Taliban dabei helfen würde, an der Macht zu bleiben und auf diese Weise zugleich dafür zu sorgen, dass Osama Bin Laden ein sicheres Schlupfloch behielt. Trotzdem ermunterte es sogar noch die amerikanische Gesellschaft United Oil of California (UNOCAL), sich daran zu beteiligen."

Moskau 2018: Taliban am Verhandlungstisch

Man darf diese Hintergründe nicht außer Acht lassen, um den Erfolg der Afghanistan-Konferenz beurteilen zu können, welche am vergangenen Freitag in Moskau tagte.

Wenn auch keine direkten Ergebnisse erzielt wurden, was auch nicht zu erwarten war, konnten die russischen Gastgeber die Konferenz als Erfolg verbuchen. Zum ersten Mal wurden die Taliban -im grellen Licht der Öffentlichkeit- an den Verhandlungstisch gebeten.

Außerhalb der globalen Wahrnehmung führt Washington selbst seit Jahren Geheimverhandlungen mit den Taliban, in Doha, der Hauptstadt Katars, wo die Religionskrieger auf Wunsch der USA eine Art Mission unterhalten.

Ferner waren Vertreter jener Staaten anwesend, die entweder am Afghanistan-Konflikt beteiligt sind oder sich in der geographischen Nachbarschaft befinden. Hierzu zählten China, Iran, die traditionell verfeindeten Länder Pakistan und Indien sowie die an Nordafghanistan grenzenden ehemaligen sowjetischen Republiken Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan.

Die USA waren nur durch einen Diplomaten ihrer Moskauer Botschaft als »Beobachter« vertreten. Die Probleme der NATO in Afghanistan werden von Moskau und Peking mit großem Interesse verfolgt. Ein enger Berater von Wladimir Putin äußerte diesbezüglich an die Adresse Brüssels und Washingtons gerichtet: "You´ll have to eat your own shit!"

In Teheran studiert man das Versumpfen der westlichen Truppen noch genauer. Schon vor 20 Jahren, als Amerikaner und Taliban miteinander verhandelten, kam es fast zu einem Krieg zwischen dem schiitischen Iran und den radikalsunnitischen Taliban. Inzwischen weiß jeder in Washington, auch wenn es nicht zugegeben wird, dass ohne Teheran keine Stabilität in Afghanistan errichtet werden kann. Moskau hat mit dieser Konferenz einen Punktsieg erlangt und seine Bedeutung als internationaler Vermittler erhöht.
 
 
 
 
 

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