Moldau - eine Nation von Auswanderern

Dieses völlig verarmte Staatsgebilde, zwischen der Ukraine und Rumänien gelegen, deren Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter zum Großteil zu Auswanderung in die EU-Staaten oder nach Russland gezwungen ist, gerät dieser Tage in den Blickpunkt der Geostrategen. Der Binnenstaat, dessen Staatsgebiet nur zwei Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt endet, ist wirtschaftlich kaum überlebensfähig. Die heutige Republik Moldau stellt territorial fast exakt die Grenzen der ehemaligen Region Bessarabien da, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder unterschiedlichen Mächten unterworfen war.

Moldau/Bassarabien stellt linguistisch die östlichste Grenze der romanisch sprachigen Welt dar, denn die Bevölkerung ist überwiegend rumänisch sprachig, und damit sprachlich verwandt mit Spanisch, Portugiesisch, Französisch und Italienisch. Alle romanischen Sprachen haben sich aus dem Latein entwickelt, das heutige Rumänien stellte einst die römische Provinz Dakien dar, weshalb das Lateinische dort seine Wurzeln schlug, woraus sich dann die heutigen Amtssprachen in Rumänien und Moldawien entwickelten.

Merkels Kandidatin siegt

In der Republik Moldau fanden dieser Tage Präsidentschaftswahlen statt, aus der die in der westlichen Presse als „proeuropäisch“ eingestufte Kandidatin Maja Sandu als Siegerin hervorgegangen ist. “Prowestlich“ trifft es besser, denn auch der bisherige „prorussische“ Amtsinhaber Igor Dodon, hatte die europäische Identität Moldaus nie in Frage gestellt. Aber, hinter dem Attribut “Proeuropäisch“ verbirgt sich natürlich die Ambition Moldau in die EU und NATO zu integrieren, ein erklärtes Ziel von Maja Sandu. Was die EU-Mitgliedschaft angeht, gäbe es Seitens Brüssel kaum Einwände, allerdings ist die Republik Moldau kein Beitrittskandidat und würde auch den Ansprüchen für die Vollmitgliedschaft nicht genügen, selbst wenn Ursula von der Leyen eine rosarote Brille aufsetzen würde. Doch durch die rumänische Hintertür versucht man das Vorhaben auf smarte Weise voranzutreiben.

Wie vollzieht sich dieses?

Zum einen vergeben die rumänischen Konsulate in Moldau die rumänische Staatsbürgerschaft wie am Fließband, so dass viele Moldawier Rumänen werden und somit EU-Bürger.  

Andererseits durch die Agenda der neuen Präsidentin. Reinhard Lauterbach schreibt diesbezüglich:

Sandu tritt für die Integration Moldaus in EU und NATO und mittelfristig die Vereinigung des Landes mit Rumänien ein. Kurzfristig will sie vorgezogene Parlamentswahlen erreichen, um auch dort eine Mehrheit für ihre Partei der Aktion und Solidarität (PAS) zu erzielen. Im Moment sind dort die Sozialisten (PSRM) Dodons die stärkste Partei. Außenpolitisch hat Sandu eine Intensivierung der Beziehungen zur Ukraine und zu Rumänien angekündigt.

Eine Umsetzung der Anschlusspläne Moldaus an Rumänien wäre für Washington und Brüssel ein willkommenes Vorhaben, Moskau weiter zu provozieren und sich auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion weiter zu verankern. Diese Ambitionen sind aber von erheblichen Risiken flankiert.  Einerseits könnte bei einer solchen neuen Grenzziehung auch der ungarische Präsident Orban auf die Idee kommen, die ungarisch sprachigen Gebiete in Rumänien, in der Ukraine und in der Slowakei für Budapest zu beanspruchen, also den Großrumänien-Ambitionen Bukarests eine eigene Großungarn-Ambition entgegenzustellen. Beide Visionen wären historisch vorbelastet und würde alte Nationalitäten-Konflikte in die EU tragen.

Andererseits könnte Moskau Transnistrien, also jene überwiegend russischsprachige Region Moldaus, die sich 1992 in einem kurzen aber blutigen Krieg losgesagt hat, mit Russland vereinen, als exterritoriale Enklave, wie etwa Kaliningrad, direkt als Nadel im NATO-Fleisch zwischen Rumänien und der Ukraine .

Transnistrien stellt ein sogenanntes De facto-Regime da, welches neben Südossetien und Abchasien, an den Grenzen Georgiens zu Russland gelegen, als Gemeinschaft nicht anerkannter Staaten fungiert, aber von Moskau protegiert wird.  

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die EU befindet sich dieser Tage auf einem Erweiterungskurs, der nicht nur Moldau erfasst hat, sondern konkret auch Nordmazedonien und Albanien. Während die Öffentlichkeit mit einer überbordenden Corona-Berichterstattung penetriert wird, oder mit infantilen Meldungen aus dem US-Wahlkampf, vollziehen sich in unserer geopolitischen Nachbarschaft abenteuerliche Entwicklungen, welche die alten Gespenster des Balkan wieder zum Leben erwecken lassen, von denen Peter Scholl-Latour einst so trefflich schrieb.

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