Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will ein Gesetz auf den Weg bringen, nach dem alle, die nicht von vornherein widersprechen, automatisch Organspender werden – Organentnahme als Normalfall.(1) Das nennt sich „Widerspruchslösung“, im Gegensatz zur geltenden „Entscheidungslösung“.
Diese Regelung ist in vielen europäischen Ländern bereits eingeführt, zum Beispiel in Frankreich, Österreich, den Niederlanden, Italien, Spanien und Polen.(2) Spahn beabsichtigt eine „doppelte Widerspruchslösung“ einzuführen, das heißt: Man kann die „Spende“ zu Lebzeiten durch eine Erklärung ablehnen, und falls das nicht geschieht, sind im Todesfall die Angehörigen zu befragen.
Die Organentnahme ist ein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Sterbenden. Eines Sterbenden, weil irreversibel Toten keine funktionsfähigen Organe mehr entnommen werden können. Die Vorschriften für die Entnahme setzen den Ausfall der Hirnfunktionen als Zeitpunkt des Todes (Hirntod) voraus.(2)
Das entspricht nach Ansicht des Philosophen und Mitglieds der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer, Dieter Birnbacher, aber nicht einer wissenschaftlichen Aussage, „sondern einer im besten Fall gut begründeten, sinnvollen und zweckdienlichen Konvention“.(3) Birnbacher verweist dabei auf den Philosophen Hans Jonas, der in den 1970er-Jahren das Hirntodkriterium als „pragmatische Umdefinition des Todes“ kritisiert hat und die Bestimmung des Todes durch das Aussetzen der Hirnfunktionen für „unsicher“ hielt.
Nun gibt es triftige Gründe für Organentnahmen, aber auch dagegen. Einmal abgesehen von dem Für und Wider stellt sich die Frage, ob eine solche Maßnahme überhaupt per Gesetz angeordnet werden kann, wenn auch mit der Einschränkung eines vorherigen Widerspruchs.
Nach Artikel 1 des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar, und das gilt auch über den Tod hinaus. Es ist sicherlich zu begrüßen, wenn sich viele Menschen dazu entschließen, bei ihrem Ableben Organe zu spenden. Dazu bedarf es jedoch ihrer Zustimmung, nicht aber der Ablehnung einer staatlich angeordneten Maßnahme.
Letzteres widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht über den Körper und sämtlichen ethisch-moralischen Vorstellungen sowie den Grundsätzen der in Deutschland aus dem römischen Recht erwachsenen Rechtsauffassung: Wenn von jemandem etwas genommen wird, was über den allgemeinen Konsens hinausgeht, bedarf das der Zustimmung oder vorherigen Einwilligung.
Organspende per Gesetz mit Widerspruchsrecht der Spender bzw. ihrer Angehörigen? Eine Entnahme also per Anordnung, wie es der Bundesgesundheitsminister vorsieht? Wie sollte das praktisch gehandhabt werden? Die Angehörigen können nicht bereits vor dem Ableben potentieller Spender eine Zustimmung erteilen, müssten sie dann also Tag und Nacht erreichbar sein?
Und diejenigen, die keine Organe spenden wollen? Sie können doch nicht gezwungen werden, jederzeit ein entsprechendes Dokument ihrer Ablehnung bei sich zu führen, um nicht bei einem Unfall automatisch zum „Spender“ zu werden. Hier zeigen sich unübersehbar völlig unzeitgemäße, die persönliche Integrität verletzende Vereinnahmungstendenzen. Das passt allerdings zu den zunehmenden Einschränkungen von Bürger- und Freiheitsrechten. Sollte vielleicht allen Bürgern künftig eine Marke ins Ohr gestanzt werden, auf der ihre persönlichen Daten gespeichert sind, unter anderem die Ablehnung einer Organspende?
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag in Frankfurt am Main das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA – eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“.
Quellennachweise
(1) Spahn: „Bin für doppelte Widerspruchlösung bei der Organspende“, Bundesministerium für Gesundheit, 31.8.2018, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/gzso.html#c13719, 3.9.2018.
(2) ARD Tagesschau, Jeder soll Organspender sein, 3.9.2018, https://www.tagesschau.de/inland/spahn-organspende-103.html, 3.9.2018.
(3) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktion (Hirntod) als Voraussetzung zur Organspende, https://www.organspende-info.de/organ-und-gewebespende/verlauf/hirntod , 3,9,2018.
(4) Thomas Müller, Hirntod ist nicht gleich Tod, Ärzte Zeitung online, 24.2.2015, https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/organspende/article/879725/organentnahme-hirntod-nicht-gleich-tod.html, 3.9.2018.
Erstveröffentlichung bei KenFM https://kenfm.de/organentnahme-par-ordre-du-mufti/
Kommentare
der Mensch als menschliches Wesen stellt sich immer mehr in Frage
als Individium, einzigartig einst geboren
geht er nun im Sammelsurium der Masse Ware verloren
der Mensch, sich selbst zur Ware immer mehr mutiert
der, der´s begriffen hat, überlegt ob er noch ein Menschenkind gebiert
Ein Menschenkind ob groß oder klein - sollte uns lieb und teuer sein
In naher Zukunft jedoch durch Roboter ersetzt
irgendwann dann als Zirkusattraktion zur Schau gestellt
hat er sich unreflektiert abgeschafft zugunsten Entwicklung und Fortschritt
Willkommen Maschine, willkommen in dieser schönen neuen unmenschlichen Welt.
Dies muss mehrstufig festgehalten werden und wird teils durch Vieraugen-Prinzip in den Krankenhäusern vorgenommen. Schon alleine aus der Angst vor Klagen.
Klassischer Fall von europäischen Firstworld Problems - man kann sich das Leben auch schwer machen und in der Steinzeit sitzen bleiben.
Wann genau wurde noch mal das Grundgesetz verfasst - richtig lange ist das schon her. (#Bildung #fakt 1949)
Die Welt ist im Wandel - und auch das Grundgesetz sollte mal modernisiert werden.
Früher war man medizinisch sicher noch nicht so weit, dass man diesen Fall bedacht hat.
Aber der klassische faule Mensch sieht halt ein Problem und will sich nicht adaptieren.
Der klassische Grund, warum die Menschheit gegen Klimawandel und Co. schon lange verloren hat.
Wenn wir alle nur 5-8% unserer Stammgewohnheiten ändern würden, gäbe es in 25 Jahren keinen Bedarf mehr an verpflichtender Arbeit, Klimaziele würden erreicht, Verschmutzung wäre auf ein Minimum gesunken.
Das beginnt beim Konsumdenken - Wäre es für uns heutzutage mit Smartphones zuviel verlangt, unseren Obst oder Fleischbedarf digital anzukündigen? Hier schreien Datenschützer wieder laut und heftig - Folge 50 bzw. 30% der Obst- und Fleischware verrottet in den Märken.
Ich hätte kein Problem damit in mein Smartphone einzugeben: Ich hätte diese Woche gerne 3 Äpfel, 2 Orangen, 400g Fleisch. Die Logistik und Künstliche Intelligenz (so jetzt haben wir dieses neumodische zeug hier auch mal untergebracht ^^) machen den Rest.
Auch das Konzept von Geschäften in Städten ist totaler Unfug, wenn man mal genau in Ruhe nachdenkt - aber dafür ist die Masse (und da zählen leider Politiker mittlerweile signifikant dazu) zu dumm.
(Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepaßt an eine zutiefst kranke Gesellschaft zu sein.)
Jiddu Krishnamurti
Es ist mittlerweile m.E. krank, sich noch für etwas einzusetzen, was schon dem Zerfall geweiht ist.
@ profiteur01: alles was einen "neuen" Menschen noch individuell macht in einem solchen System ist die pünktlich gelieferte Steuernummer. Danach kann sich das junge Individuum noch aussuchen, welchem Fanatismus es angehören möchte, welche Gruppe es dann aufnehmen soll.
Ich weiß, alles jammern auf dem hohen Niveau!
Bald werden Wir im Stande sein, lebensnotwendige Organe im 3D Drucker herzustellen. Das wird circa noch 10-15 Jahre dauern. Bis es soweit ist, ist das eine tolle Übergangslösung, die 1000nden Menschen das Leben retten kann. Bioreaktoren könnten früher fertig werden :-)
https://www.gentside.de/niere/die-geburtsstunde-der-bionischen-niere-koennte-das-ende-der-dialyse-bedeuten_art15742.html
Es ist schon eine abstruse Vorstellung, keine Organe zu spenden, nur weil in einzelnen Fällen bedürftige Empfänger in einer Warteliste vorgezogen wurden. Also lieber keine Organe spenden, damit nur ja kein Missbrauch möglich ist. Auch die Vorstellung, dass man "Untoten" die Organe entnimmt ist doch komplett an den Haaren herbeigezogen.
Es mag Menschen geben, die tatsächlich der tiefsten Überzeugung sind, dass man anderen Menschen keine Organe entnehmen darf, solange sie noch irgendwie am Leben sind. Das ist auch legitim und deshalb darf auch jeder seine Meinung kundtun, dass er keine Organe spendet.
In Deutschland kann alles mit irgendwelchen Datenbanken abgebildet werden und das wird auch funktionieren, allen Bedenkenträgern zum Trotz. Am besten wäre es natürlich, dass jeder die Information auf seinen persönlichen Dokumenten mitführt z.B. in einer Gesundheitskarte, die aus nichtigen Gründen an den Bedenketrägern der Nation gescheitert ist. Dann hat jeder seine eigenen Daten unter Kontrolle und es gibt auch nicht den gefürchteten Überwachungsstaat.
Übrigens: Ich habe meinen Organspendeausweis immer bei mir!
Ich habe lange im Bereich Transplantation gearbeitet und habe Menschen sterben sehen, weil es keine geeigneten Organe gab. Warum immer das Schimpfen auf die angebliche Elite und den angeblichen Überwachungsstaat. Beim Thema Organspende richten sich es viele recht gemütlich ein und verdrängen das Thema. Wenn sie aber dann in die Situation geraten, dann wollen Sie ein Spende Organ.
Es spricht absolut nichts dagegen, die Regelung zu ändern und dann ist jeder damit konfrontiert sich damit zu beschäftigen. Wer Organspenden seinerseits ablehnt, ich kann es medizinisch nicht nachvollziehen, aber ich respektiere es. Aber jeder ist gefordert sich darüber Gedanken zu machen und diese Art der Verdrängung ist sicherlich auch unethisch, denn es sterben dadurch Personen, denen man helfen könnte. Genau das sollte man anprangern.
Der Hirntod wird durch zwei unabhängige Ärzte festgestellt. Jeder ist in der Pflicht sich selber Gedanken auch zum eigenen Tod zu machen und wie in solchen Situationen des Hirntodes vorgegangen werden sollte. Nicht mehr oder weniger schafft das Gesetz. Bisher ist man darauf angewiesen den Organspende Ausweis zu finden oder in einer Patientenverfügung. Es ist auch nicht fair so eine Entscheidung an die Angehörigen zu übertragen, denn die sind in so einer Situation noch fassungsloser. Dies als Einschränkung der Bürger- und Freiheitsrechte zu betrachten ist absoluter Nonsens.
Aber als Organspender dazu verpflichtet sein immer diesen Ausweis dabei zu haben das ist ok. Ganz zu schweigen was ist mit den Personen, die jährlich sterben, weil kein Spende Organ verfügbar ist. Was ist mit deren Recht auf Leben? Und einen Chip braucht es nicht, alle Personen die Organspende ablehnen können sich in einer Datenbank registrieren lassen. Im Falle eines Falles weiss man dann, dass diese Personen zum einen keine Hilfe durch ein Spende Organ annehmen möchten und auch im Falle des Hirntodes, dass hier bitteschön die künstliche Beatmung monatelang eingestellt bleibt und es keine Organentnahme gibt. Die Identität eines Unfallopfers lässt sich an Hand von Personalausweis oder Führerschein rasch nachweisen.
Ja es kann auch immer Zweifelsfälle geben, aber ganz ehrlich ich habe zu lange solche dahinsiechenden Personen gesehen. Ich möchte so nicht enden und wäre dankbar, wenn dann meine Organe einer anderen Person helfen können und mein Körper ohne Hirn auch erlöst wird und der Beerdigung zugeführt wird. Ich möchte es auch meinen Angehörigen nicht zumuten, eine beatmete tödliche Hülle mit Herzschlag monatelang beweinen zu müssen.
@ cashkurs, wenn ihr euch auf ein solch ethisches Thema begebt, dann bitte beide Positionen klar darstellen. Eine Pro und eine Contra Meinung, das wäre echte Hilfe für die Leser sich Ihre Meinung zu bilden, einseitige Berichte wirken auf mich wie Meinungsmache und Ken FM ist aus meiner Sicht kein seriöses Medium. Da hilft es auch wenig wenn die Links angefügt werden.
Für mich will ich das selbst entscheiden! Oder jemanden meines Vertrauens beauftragen.
Meine Organe soll ich "per Default" spenden?!