Ob am heutigen Mittwoch wirklich alle relevanten Weichen gestellt werden, ist noch nicht geklärt. Eventuell werden die Abgeordneten erst in den nächsten Tagen darüber entscheiden, ob beispielsweise eine engere Anbindung zur EU angestrebt werden soll - oder gar ein zweites Referendum in der Planung ist.

Einige Abgeordnete hatten sogar durchblicken lassen, die Austrittserklärung aus der EU zurückzunehmen. Unabhängig davon, was in den nächsten Tagen entschieden wird: das Geschehen offenbart eindeutig, dass die britische Regierung mit ihrem Latein am Ende ist und wie stark die Zerreißprobe des Brexits an Großbritannien zerrt.

Aufruhr gegen die Premierministerin

Am späten Montagabend hatten die Abgeordneten die Reißleine gezogen und jene Regel außer Kraft gesetzt, wonach nur die Regierung über die Tagesordnung bestimmt.

Der heutige Mittwoch wurde festgelegt, um darüber zu debattieren, welche Maßnahmen jetzt eingeleitet werden müssen, um einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse zu finden. Sogenannte „indicative votes“ – richtungsweisende Abstimmungen, sollen dafür sorgen, herauszubekommen, welche der angedachten Alternativen zum bisherigen Kurs mehrheitsfähig sind.

Sogar Abgeordnete von Mays Konservativen - 30 an der Zahl - hatten sich für diese Variante entschieden. In den britischen Medien entbrannten daraufhin wilde Spekulationen, wie lange sich die Premierministerin noch im Amt halten könne - aber wir sehen: bisher hält sie sich entgegen aller Unkenrufe. Brexit-Hardliner innerhalb der Tories fordern jedoch auf jeden Fall ihren Rücktritt.

Verschiebung des Brexits in letzter Sekunde

Nach bisheriger Planung hätte das Vereinigte Königreich diesen Freitag die EU verlassen müssen. Aber sowohl Brüssel, wie auch London, einigten sich darauf, dieses historische Datum bis zum 22. Mai hinauszuzögern - wohl um ein beispielloses Chaos und ernste wirtschaftliche Probleme zu vermeiden.

Brüssel knüpfte die Verschiebung aber an die Bedingung, dass das Unterhaus dem Austrittsvertrag in dieser Woche zustimmt. Sollte dieses nicht der Fall sein, gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In solch einem Szenario soll London vor diesem Termin erklären, wie es weitergehen soll.

Die oppositionelle Labour-Partei behauptete daraufhin, die Premierministerin habe die Kontrolle verloren, während der Brexit-Beauftragte des EU-Parlamentes, der Belgier Guy Verhofstadt, deutlich machte, hierbei handele es sich um die letzte Chance, um Pläne für eine künftig engere Beziehung (zur EU) zu entwerfen. Bei den Brexit-Hardlinern dominiert die Wut - im Plenarsaal kam es zu ungewohnt heftigen Wortgefechten.

Wird Großbritannien noch an den EU-Wahlen teilnehmen?

Und wie regierte die Premierministerin selbst? Theresa May stellte klar, dass sie sich und ihre Regierung nicht gebunden sieht, falls die Abgeordneten irgendwelche Alternativen zu ihren Brexit-Plänen präsentieren könnten.

Ferner verwies May darauf, dass die automatische Folge einer Ablehnung ihres Deals immer noch ein Austritt ohne Abkommen sei. Vor einer Abkehr vom Brexit warnte sie ausdrücklich, ebenso vor einem „langsamen“ EU-Austritt mit einer Verlängerung der Frist über den 22. Mai hinaus, womit eine Teilnahme an der Europawahl notwendig wäre, die vom 23. bis 26. Mai stattfindet.

Ob May diese Tage politisch überleben wird, ist also weiterhin ebenso ungewiss, wie der weitere Verlauf dieses Polit-Dramas…  

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