Anastasiadis und Akıncı gelten beide als engagierte Verfechter eines vereinigten Zyperns, welches sie lange auch gegen die internen Widerstände in ihren Gebieten durchsetzen wollten.

Zypern und die Rohstoffe

Der diplomatische Poker wird vom UN-Sondergesandten Espen Barth Eide moderiert. Der frühere Außenminister Norwegens ist bei den Verhandlungspartnern nicht unumstritten. Die Teilung der Insel besteht, seit dem Sommer 1974. Damals hatten auf Zypern Anhänger der in Griechenland herrschenden, von den USA gestützten Obristendiktatoren versucht, auf dem blockfreien Zypern ein ihnen freundlich gesonnenes Regime an die Macht zu putschen. Die frühere britische Kolonie Zypern ist eine Inselrepublik deren ethnische Zusammensetzung uneinheitlich ist und aus Griechen, Türken, armenischen und arabischen Minderheiten besteht. Das Herrschaftsgebiet der Republik umfasst formaljuristisch fast die gesamte Insel. Ausgenommen sind britische Militärbasen, die als Exklave völkerrechtlich zu Großbritannien aber auch ohne Brexit nicht zur Europäischen Union zählen.

Das Gebiet der Republik Nordzypern wird als besetztes Gebiet angesehen. Als Resultat haben die dortigen Bewohner, die entweder 1974 bereits Zyprioten waren, oder aber auf Familien stammen, die 1974 zypriotisch waren, automatisch die Staatsangehörigkeit der Republik Zypern. Sie sind somit im Gegensatz zu den aus der Türkei nach Nordzypern gesandten Siedlern auch Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU.

Außer diesem Paradoxon gibt es noch einen weiteren, gewichtigeren Grund für die internationale Staatengemeinschaft, eine Einigung der Insel oder zumindest eine Lösung der durch den Status Quo hervorgerufenen Probleme anzustreben. Rund um Zypern gibt es umfangreiche Vorkommen fossiler Brennstoffe im Meer. Bevor diese abgebaut werden können, muss geklärt werden, wem die Seegebiete hoheitsrechtlich zuzuordnen sind.

Erdogan verschärft Spannung zwischen den Inselteilen

Bei ihrer Entlassung in die Unabhängigkeit wurden der Inselrepublik drei Garantiemächte zur Seite gestellt, Griechenland, die Türkei und Großbritannien. Die Invasion der Türkei von 1974 wird von dieser mit dem Putschversuch begründet. Letzterer führte in Griechenland zum Scheitern und zum Fall der Obristendiktatur. Denn diese hatte beim kriegerischen Konflikt, der als Unikum 1974 zwischen zwei NATO-Partnern ausgetragen wurde, keinerlei Unterstützung mehr aus den USA. Die auf Zypern entsandten griechischen Truppen litten vor allem unter ernsthaften Problemen im Materialnachschub.

Hinsichtlich des auf der Insel herrschenden Klimas führte diese Konstellation dazu, dass die Griechisch stämmigen Zyprioten in ihrer Mehrheit die griechische Politik als Hauptverursacher ihres Dramas sehen. Dagegen gibt es auch heute noch grenzüberschreitende Gemeinsamkeiten zwischen den angestammten griechischen oder türkischen Zyprioten. Anastasiadis und Akıncı gehören beide zu den Vertretern der Politik, welche diese Gemeinsamkeiten mehr betonen als das Zugehörigkeitsgefühl zu den Mutterländern.

Beide haben die Rechnung ohne den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gemacht. Die offensive Politik der Türkei, die täglich mit Luftraumverletzungen aber auch mit Kriegsschiffen griechische und zypriotische Hoheitsrechte anzweifelt, hat die Spannungen zwischen beiden Inselteilen erhöht. Diese Eskalationsspirale wird mit NAVTEX-Ordern der Türkei noch einmal verschärft. Die Türkei bindet Seegebiete für militärische Manöver mit scharfer Munition. In der vergangenen Woche testete sie zwar im Schwarzen Meer aber mit eindeutiger Signalwirkung ins Mittelmeer eine selbst entwickelte Mittelstreckenrakete.

Verhandlungen gestalten sich schwierig

Eide versucht die Wogen dadurch zu glätten, dass er sich allen Kontrahenten gegenüber neutral verhält, die Eskalationsgefahr jedoch bewusst als Druckmittel gegen die Verhandlungspartner einsetzt. Eide meint, dass es entweder nun eine Einigung oder aber das endgültige Scheitern geben müsse.

Das wiederum kann Anastasiadis nicht hinnehmen. Denn Eides scheinbar neutrale Verhandlungstaktik fördert aus seiner Sicht die Lösung einer endgültigen Teilung in zwei unabhängige Teilrepubliken. Zudem bemängelte Anastasiadis in einem Brandbrief an UNO-Generalsekretär António Guterres, dass Eide außer Acht lasse, von wem die als Gefahr dargestellten Aggressionen ausgehen würden.

Akıncı hingegen bekommt den Druck von seinem Amtsvorgänger Derviş Eroğlu. „Ich glaube nicht an eine Einigung in der Zypernfrage“, verkündete dieser bei einer Rede in der Universität von Antalya. „Nun bin ich nicht mehr der Einzige, der sieht, dass es keine Einigung mit den griechischen Zyprioten geben kann. Drei Viertel der türkischen Zyprioten sehen, dass die griechischen Zyprioten keine Absicht einer Einigung haben. Auch der heutige Präsident Akıncı, der „Ja“ gesagt hatte, sagt nun dass wir unseren Weg fortsetzen werden, wenn es keine Einigung gibt. Zum ersten Mal sprach er wie ich. Die Türkische Republik Nordzypern ist unsere Garantie.“ Eroğlu warnte bei seiner Rede, dass es zu einer Eskalation kommen würde, wenn die Republik Zypern mit dem Abbau der fossilen Brennstoffvorkommen beginnen würde. Dann würde die Türkei ebenfalls eine Plattform installieren und dann „ist es die Zeit, wo sie den Verhandlungstisch verlassen werden“.

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