Das Thema Sicherheit ist in den Vordergrund gerückt und fungiert neben wirtschaftlichen Erwägungen als entscheidend.

Die andauernden Raketentests Nordkoreas – bis zum Samstag waren es allein neun in diesem Jahr – machten noch einmal deutlich, welche Herausforderungen den neuen Staatschef von Beginn an erwarten, welcher im Mai sein Amt antreten wird.

Flankiert wird der Wahlkampf von einer hitzigen Debatte über die geopolitische Ausgangslage, in der sich die Republik Korea befindet. Geographisch tangiert von den Super- und Regionalmächten, den USA, der Volksrepublik China und Russland, die in die eskalierenden außenpolitischen Spannungen involviert sind, wird in Seoul die Frage aufgeworfen, wie sich diese auf die koreanische Halbinsel auswirken. 

Den beiden Top-Kandidaten wurde vorgeworfen, den Krieg in der Ukraine zu politisieren und für den Wahlkampf auszuschlachten.

In dem in Tokio erscheinenden Nachrichtenmagazin „The Diplomat“, welches den Wahlkampf als den „bösesten“ in der Geschichte der Republik bezeichnete, war diesbezüglich zu lesen, dass sowohl Lee Jae-myung, der Kandidat der sozialliberalen Deobureo-minju-Partei, als auch Yoon Suk-yeol, von der konservativen Gungminui-him, sich gezwungen sahen, von „kontroversen“ Äußerungen zu distanzieren, angesichts des russischen Einmarschs in der Ukraine. 

Am 25. Februar, einen Tag nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine, ließ Lee Jae-myung verlautbaren, dass der ukrainische Präsident Selenskyj - aufgrund von mangelnden politischen und diplomatischen Fähigkeiten - Russland provoziert habe und somit verantwortlich sei, für den Ausbruch des Krieges. Sein Gegenkandidat, der für eine noch stärkere Anlehnung an die USA plädiert, forderte daraufhin eine Entschuldigung an den Präsidenten der Ukraine.

"But Moscow’s invasion of Ukraine also sparked controversy closer to home. Many Koreans were incensed by the controversial remarks of politicians – including the two leading candidates in next week’s presidential election – regarding the war in Ukraine."

Kontroverse um die außenpolitische Orientierung Südkoreas

Yoon sah das Scheitern der Ukraine beim versuchten NATO-Beitritt als Grund des Krieges. Ferner wies er daraufhin, dass nach seiner Überzeugung Südkoreas enge Allianz mit den USA die einzige Antwort für die Sicherheit der koreanischen Halbinsel darstellt, welches einen Ausbruch eines Krieges zwischen den beiden koreanischen Staaten verhindert.

Gemäß Umfragen schien der Versuch beider Kandidaten, den Ukraine-Konflikt politisch auszuschlachten, bei den Wählern nicht gut anzukommen. Für die meisten Südkoreaner stehen immer noch innenpolitische Fragen im Vordergrund, wobei eine klare außenpolitische Positionierung vermisst wird. 

Eine schwierige außen- und sicherheitspolitische Ausgangslage

Zu den Hauptherausforderungen der südkoreanischen Außenpolitik gehört hierbei die wachsende Rivalität zwischen den USA - als engsten Alliierten - sowie der Volksrepublik China als größter Handelspartner. Dieser geopolitische Druck, so analysierten einige Experten, hindern die Kandidaten daran, sich programmatisch in Fragen der Außenpolitik festzulegen. “Wer auch immer die Wahlen gewinnt, wird mit einer extrem schwierigen außen- und sicherheitspolitischen Ausgangslage konfrontiert seinanalysierte Kim Heung-kyu, der Direktor des „US-China Policy Institute“ an der Ajou Universität in Südkorea.

Wir erleben jetzt einen Kampf um die Hegemonie in der Region!“

Whoever becomes president, they’ll face an extremely difficult foreign policy and security situation,” said Kim Heung-kyu, director of the U.S.-China Policy Institute at Ajou University in South Korea. “We’re now seeing a fight for hegemony in the region again.

Historische Betrachtungen bilden bei den meisten Kommentatoren eine wichtige Rolle. Im Handelsblatt wurden dabei die Sorgen Washingtons erörtert, hinsichtlich der zukünftigen außenpolitischen Orientierung Seouls:

"Die Exportnation stehe geopolitisch vor einer Richtungswahl, es gehe um nichts weniger als um das künftige Verhältnis des Landes zu den USA und China, meint Kim Soo, Korea-Expertin der konservativen amerikanischen Denkfabrik Rand Corp.
Der Urnengang könne zu grundlegenden Veränderungen der geopolitischen Landschaft führen, was in Washington mit einer gewissen Beunruhigung registriert wird. Denn Südkorea sei ein wichtiger Baustein der amerikanischen Asien-Strategie, die verlässliche Allianz sei notwendig, um die wirtschaftliche Stabilität dort im Sinne Washingtons zu sichern."

Die politische Teilung der koreanischen Halbinsel stellt heute zweifelsohne so etwas wie einen historischen Anachronismus dar, ein Überbleibsel aus den blutigen Tagen des Korea-Krieges, der zu Beginn der 1950er Jahre die Welt erschütterte, sowie aus den Tagen des Kalten Krieges.

Die sukzessiven Phasen dieses Korea-Krieges sind heute im Westen nur noch wenig bekannt und einem historischen Vergessen anheimgefallen, obwohl sie für die ostasiatische Strategie der Zukunft, deren Bedeutung allmählich wächst, wohl aufschlussreicher sein dürfte als die endlosen Berichte und Darstellungen über die amerikanische Vietnam-Expedition. In den beiden koreanischen Staaten bilden diese aber das Fundament jeder sicherheitspolitischen Diskussion. 

China und Korea: "Wie Lippen und Zähne"

Dieser "vergessene Krieg" war keine unbedeutende Angelegenheit, sondern ein Ereignis von weltpolitischer Bedeutung. Die USA verloren in Korea etwa 29.000 Soldaten und auch die anderen Alliierten, von der Türkei bis Australien, hatten Ausfälle zu beklagen. Am schlimmsten traf es die Republik Südkorea, die zum Schlachtfeld wurde, wie ihr nördlicher Gegenpart auch, wobei die Verluste des Nordens und seiner chinesischer Verbündeten möglicherweise noch höher ausfielen, was aber nur auf Schätzungen beruht.

Es soll hier aber keine Chronologie dieses Konflikts dargestellt werden, der am 38. Breitengrad, der Grenze zwischen Nord-und Südkorea, eingefroren - keineswegs gelöst – wurde, sondern darauf hingewiesen werden, dass der wirkliche Nutznießer dieses Krieges die damals junge Bundesrepublik Deutschland war, welche plötzlich als Partner gegen den kommunistischen Erbfeind eine Aufwertung erfuhr, in Form von umfangreichen Investitionen und Geldspritzen, flankiert von einer Rückkehr auf die diplomatische Weltbühne.

In Seoul ist man sich natürlich bewusst, dass die Existenz Nordkoreas für Peking ein hervorragendes Instrument, um die amerikanischen Herrschaftspositionen in der pazifischen Nachbarschaft Chinas zu erschüttern und in Frage zu stellen, gemäß des Diktums von Mao Zedong:

China und Korea gehören zusammen wie Lippen und Zähne.“

Sicherlich, die Beziehungen zwischen Peking und Pjöngjang sind nicht ungetrübt. Aber die Tatsache, dass die „Demokratische Volksrepublik“, so der amtliche Name des nordkoreanischen Regimes, die Abgründe überlebte, in die es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Weltkommunismus gestürzt war, hat man dem strategischen Denken der Volksrepublik zu verdanken. Insofern ist es sehr interessant, dass keiner der Kandidaten für das Amt des Präsidenten, bisher direkt die gewichtige Rolle der Volksrepublik, bei der außenpolitischen Zielsetzung Südkoreas, zu erwähnen wagte.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Der Krieg in der Ukraine wirft weltweit seine Schatten. Der Ausgang der Wahlen in Südkorea, also auf der anderen Seite der riesigen eurasischen Landmasse, wird davon tangiert. Auf der ganzen Welt bilden sich neue Achsen der Macht, beziehungsweise werden die geopolitischen Karten neu gemischt.  

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