Man müsse "enge Kontakt nach Belarus" halten, erklärte ein Vertreter der Bundesregierung vor einigen Tagen auf einer Konferenz in Minsk, die von der deutsch-belarussischen Gesellschaft unter dem Motto "Der Platz von Belarus in Europa" durchgeführt wurde.

Ein potentieller Supergau für EU und NATO

Ein enges Bündnis zwischen Moskau und Minsk, gar ein Beitritt von Belarus in die Russische Föderation, wäre ein Supergau für die westliche Strategie im eurasischen Raum. Dadurch würde sich der Machtbereich Moskaus in Richtung Westen erweitern, direkt an die Grenzen der NATO und EU-Staaten Polen, Lettland und Litauen. Eine strategische Stärkung Russlands wäre die Folge, demographisch - die Republik Belarus hat etwa zehn Millionen Einwohner - sowie durch die hochindustrialisierten Gebiete mit einem für regionale Verhältnisse hohen Lebensstandard innerhalb der Grenzen des osteuropäischen Staates.

Im Westen zirkulieren daher Gerüchte, wonach zwischen Minsk und Moskau die Gespräche bezüglich einer staatlichen Vereinigung weit vorangeschritten seien. Dabei wird völlig übersehen, dass der Staatspräsident von Belarus, der seit 1994 autokratisch regiert, mit Sicherheit keine Rolle als Provinz-Pascha von Putins Gnaden anstrebt.

Mit harter Hand regiert

Dieser Politiker, der seit 1994 mit harter Hand regiert und planwirtschaftliche Elemente beibehielt, weshalb der Lebensstandard der Bevölkerung nicht den gleichen Transformations-Härten wie in den anderen GUS-Staaten ausgesetzt war, erteilte schon früh jeder Art von West-Orientierung seines Staates eine klare Absage.

Schon im März 1997 verwies Lukaschenko die »Soros-Stiftung« des Landes, die sich den Regimewechsel ganz offen zum Ziel gesetzt hatte, ein Vorgang der sich vor Kurzem im EU und NATO-Land Ungarn wiederholte. Kritiker werfen Lukaschenko vor, er regiere Belarus wie der Direktor einer Kolchose, was seiner beruflichen Bildung entspricht. In Wirklichkeit entstand unter seiner Amtsführung ein staatszentriertes Wirtschaftssystem bei gleichzeitig sehr guten Beziehungen mit Russland.

Politische Stabilität statt Sturz ins Chaos

Geschickt wusste Lukaschenko bisher die geographische Lage Belarus zum eigene Vorteil auszunutzen, an der Nahtstelle zwischen EU- und NATO-Staaten einerseits, und Russlands andererseits. Lukaschenkos Herrschaft entspricht nicht der einer westlichen Demokratie, aber im Westen wird häufig übersehen, dass viele Menschen in Belarus politische Stabilität, gerade mit Blick auf das Nachbarland Ukraine, wo Bürgerkrieg und politische Wirren zahlreiche Menschenleben gefordert haben, ebenso zu schätzen wissen, wie ein erträgliches, wenn auch bescheidenes Lebensniveau, das im Gegensatz zu dem Kasino-Kapitalismus in Kiew und der dortigen korrupten Herrschaft der Oligarchen steht.

Das erste Gipfeltreffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko am 7. und 8. Dezember - dem 20. Jahrestag der Gründung der Belarussisch-Russischen Union - verlief allerdings recht ergebnislos, weshalb am kommenden Freitag nachverhandelt werden soll.

Man kann dem Präsidenten Belarus nicht vorwerfen, ein blinder Gefolgsmann von Wladimir Putin zu sein. Noch zu Beginn dieses Jahres waren die Beziehungen zwischen Minsk und Moskau auf einem Tiefpunkt angelangt, flankiert von einem Handelskrieg, den beide Seiten entfachten.  

Pekings Einfluss ist gewachsen

Lukaschenko hat daher auch einen Trumpf im Ärmel, der einer totalen Unterwerfung gegenüber Moskau entgegenwirken könnte. Es handelt sich um einen chinesischen Trumpf, basierend auf der beispiellosen Annäherung zwischen Belarus und China.

Erst kürzlich vergab Peking einen Kredit über 500 Millionen US-Dollar an Belarus, was in Minsk den Bedarf an einem parallel verhandelten russischen Kredit über 600 Millionen US-Dollar rapide sinken ließ. Bis zum Jahr 2014 setzte die Volksrepublik auf die Ukraine als Brücke nach Europa, schwenkte aber nach dem Beginn des ostukrainischen Bürgerkriegs und des wirtschaftlichen Kollapses dort auf Belarus als neue Landbrücke nach Europa um, analysierte eine japanische Studie.

Trotz alledem wird im Westen - vor allem aber in Berlin - wie gewöhnlich Russland als Schreckgespenst an die Wand gemalt, in unguter deutscher Tradition. Inzwischen geniert man sich ja nicht einmal mehr, antirussische Ressentiments zu schüren, die aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte stammen könnten, obwohl man ja angeblich so viel aus der Geschichte gelernt zu haben glaubt - man fragt sich nur was.

Volker Beck: "Visafreiheit und Ryanair wie "Sauerstoff"

Unabhängig davon, wie sich die Annäherung zwischen Moskau und Minsk zukünftig darstellen mag, stellt diese für die NATO-Strategen ein Hindernis dar. Schon ließ der frühere Bundestagsabgeordnete Volker Beck verlautbaren "eine kreative Antwort der EU" sei gefragt, "um Belarus aus der Umklammerung der eurasischen Union zu befreien".

Von welcher Umklammerung Beck hier schwadroniert ist nicht ersichtlich, denn Belarus war Gründungsmitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), was die Metapher von einer "Umklammerung“ ins Reich der Phantasie und des Rausches verbannt. Doch Beck geht noch weiter. Um den Einfluss der EU auf Belarus' Bevölkerung zu stärken, sollen: "Visafreiheit und Ryanair wie "Sauerstoff"“ für die belarussische Zivilgesellschaft eingesetzt werden.  

Was bedeutet das konkret für mich!?“

Die Republik Belarus, in früheren Zeiten im deutschsprachigen Raum als Weißrussland bekannt, liegt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, gleich östlich von Polen, gehört damit zu unserem geographischen Schicksal und auch zum historischen Schicksal - denn nirgendwo verlief die Mordmaschinerie des 2. Weltkrieges und des Nazi-Terrors brutaler, als in der Heimat von Marc Chagall.

Für die Bewohner der NATO-Staaten ist es wichtig zu erkennen, dass die Ausdehnung des Militärbündnisses in die Weiten Eurasiens durch den Vormarsch der Volksrepublik China gestoppt wird und unsere politische Führung darauf nicht vorbereitet ist, da sie bisher willfährig den Vorgaben Washingtons zu folgen pflegte.

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