Es ist nicht lange her, dass sich der EU-Botschafter in der Ukraine Hugues Mingarelli, bei seiner Antrittsrede voller Lob über die, aus seiner Sicht, hervorragende Arbeit der Kiewer Regierung äußerte:
„My feelings are very positive, because over the last two years this government as well as the previous government of Mr. Yatsenyuk managed to achieve significant results. They managed to stabilise the microfinancial situation. I do not know many countries where the budget deficit has been cut from 11% to 3% in two years’ time, current account deficit reduced from 20% to 3,4%, and the national currency stabilised despite the armed conflict on its territory. I give a full praise to what has been done over the two years of Yatsenyuk and Groysman governments.”
Möglichst wortgetreue Übersetzung von mir:
„Meine Gefühle sind sehr positiv, weil diese Regierung und die vorherige von Herrn Jazenjuk es innerhalb der letzten beiden Jahre geschafft hat, bedeutende Ergebnisse zu erzielen. Sie haben es geschafft, die Mikrofinanzsituation zu stabilisieren. Ich kenne nicht viele Länder, in denen das Haushaltsdefizit von 11 % auf 3 % in zwei Jahren reduziert wurde. Das laufende Defizit wurde von 20 auf 3,4 Prozent reduziert und die nationale Währung stabilisiert, trotz bewaffneter Auseinandersetzungen auf dem eigenen Staatsgebiet. Ich lobe ausdrücklich, was im Laufe der zwei Jahre von der Jazenjuk und Groysman-Regierung getan worden ist.“
Letzte Tranche wird nicht ausgezahlt
Überraschend erklärte Hugues Mingarelli nun, dass der Ukraine die letzte Hilfsrate über 600 Millionen Euro nicht ausbezahlt wird. Was ist da passiert?
Offiziell hatten Vertreter der EU-Kommission und der Internationale Währungsfonds (IWF) Anfang Dezember festgestellt, dass die ukrainische Regierung trotz gewisser Fortschritte immer noch nicht alle Anforderungen der Europäer erfüllt hätte. Der IWF hält mehr als die Hälfte der zugesagten 17 Milliarden Dollar für Kiew zurück.
Poroschenko versagt
Laut interfax-ukraine hat die Kiewer Regierung ihre Zusagen, die zur Auszahlung der Tranche erforderlich sind, nicht erfüllt. Neben Problemen bei der Renten- und Gesundheitsreform sowie bei den Privatisierungen nennt die EU ausdrücklich das Versagen des Staatsoberhauptes Poroschenko gegen die überbordende Korruption als Grund für die Verweigerung der Auszahlung.
Betrachtet man die Entwicklung der Ukraine der letzten Jahre, so kann man sich über die Argumentation der EU nur noch wundern. Plötzlich soll die Korruption eine Rolle spielen. Als ob diese nicht über die ganze Zeit hinweg und während aller bisher erfolgten Zahlungen nicht allgegenwärtig gewesen wäre. Bis jetzt hat man doch sämtliche Augen zugedrückt.
Rückblick erforderlich
Um zu ergründen, worum es tatsächlich geht, muss zumindest bis Ende 2013, dem Beginn der aktuellen Ukraine-Krise zurückgeblickt werden.
Im November 2013 begannen die „Euromaidan“ genannten Proteste, als die Unterzeichnung der EU-Assoziierung ausgesetzt wurde. Die Euromaidan-Proteste wurden wie die Proteste der sogenannten „Orangen Revolution“ von 2004 vom US-State-Department finanziert und organisiert.
Federführend dabei war Victoria Nuland (ursprünglich „Nudelman“), die von September 2013 bis Januar 2017 Assistant Secretary ofState im Dienst des US-Außenministeriums und als solche zuständig für Europa und Eurasien war. Nuland ist parteipolitisch unabhängig und verfolgt eine übergeordnete Agenda.
So diente sie im Außenministerium schon unter Clinton, aber auch unter dem Republikaner George W. Bush und zuletzt unter dem Präsidenten der Demokratischen Partei, Barack Obama. Nach dem blutigen Ende mit über 80 durch Schüsse getöteten Menschen und der Flucht des direkt gewählten Präsidenten Janukowytsch im Februar 2014 nach Russland wurde eine Übergangsregierung gebildet.
Merkel und Steinmeier übergangen
Einen Hinweis darauf, dass Bundeskanzlerin Merkel und der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Steinmeier ihre Finger mit im blutigen Spiel hatten, zeigt die Auseinandersetzung zwischen der EU und dem State Department über die Leitung der Übergangsregierung.
Merkel und Steinmeier wollten damals den in Deutschland populären Boxer Vitali Klitschko als Regierungschef. Dies scheiterte am Widerstand Nulands, was einwandfrei dokumentiert ist durch das geleakte Telefonat zwischen ihr und dem damaligen US-Botschafter in der Ukraine Geoffrey Pyatt. Jazenjuk war Nulands Wunschkandidat. Mit einem einfachen „Fuck the EU“ wurden EU-Großmachtsträume vom Tisch gewischt.
EU = NATO-Vasall
Der Vorgang in und um die Ukraine ist zusätzlich einer der deutlichsten und jedermann zugänglichen Hinweise darauf, dass die EU die Aufgaben einer der NATO untergeordneten Organisation zu erfüllen hat. Welche „Deals“ hinter den Kulissen zwischen unserer Bundesregierung und den USA ausgehandelt wurden, wird, wenn überhaupt, die Zukunft zeigen.
Nichtsdestotrotz gibt es Hinweise darauf, dass der Vasall Deutschland wohl zu einer Art Obervasallen in der EU aufgestiegen wäre und erweiterte Handlungsspielräume in Osteuropa bekommen hätte. Was die EU und die Bundesregierung sich ganz genau erhofften, liegt jedoch im Dunklen.
Die Doktrin der Geostrategen ist jedoch unbestreitbar und klar erkennbar. Unter anderem unmissverständlich von Zbigniew Brzezinski, dem langjährigen Berater US-amerikanischer Regierungen, in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“, beschrieben: Die Verschiebung der NATO-Ostflanke an die Grenzen und die Einkreisung Russlands.
Russland wieder mal unterschätzt
Die versuchte EU- und NATO-Vereinnahmung der Ukraine passierte unter völliger Missachtung der Interessen und einer fahrlässigen Unterschätzung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einflussnahme Russlands, sowie dem russischsprachigen Bevölkerungsteil und Industriegebiet, dem Donezbecken, oder kurz „Donbass“ im Osten der Ukraine an der russischen Grenze. Dort toben seit 2014 schwere bewaffnete Auseinandersetzungen, die erkennbar von der ukrainischen Regierung nicht gewonnen werden können.
Eine Eskalation zu einem offenen Krieg ist unwahrscheinlich, da Moskau für diesen Fall seine Unterstützung für den Donbass deutlich gemacht hat. In Kiew agieren zwar gierige und korrupte „Staatenlenker“, denen extrem nationalistische Banderisten im Genick sitzen, aber eine Todessehnsucht kann ihnen nicht unterstellt werden.
Fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel
Die Ukraine ist aus den Schlagzeilen unserer Auftragsschreiber und sonstiger Regierungsmedien verschwunden. Nur noch gelegentlich hört und liest man inzwischen Weniges über und von der Ukraine, Ihrer EU-Assoziation, ja gar der in Aussicht gestellten Mitgliedschaft.
Nur die Lieferung von US-Waffen im Dezember an die Ukraine ploppte in den Medien kurz auf. „Die ukrainische Regierung hingegen zeigte sich erfreut über die Ankündigung einer Waffenlieferung. Laut dem ukrainischen Botschafter in den USA, Waleri Tschali, helfen die neuen Raketen dabei, den "Aggressor" in Schach zu halten“, so die Zeit.
Die Entscheider in der EU und in Deutschland scheinen ihr Interesse, angesichts der ukrainischen Realitäten, wie Korruption, zerstörter Wirtschaft, unbrauchbarem Militär, Zersplitterung, Rechtsextremismus, Oligarchie, Verarmung großer Bevölkerungsteile, damit verbundener, nicht vorhandener Kaufkraft, Überschuldung und nicht vorhandener Produktionskapazitäten, zu verlieren.
Über die Waffenlieferung und die ukrainische Vorfreude an deren Einsatz schienen die EU-Politiker, vorneweg Merkel und Macron, nicht erfreut gewesen zu sein. Man hat genug vom schwelenden Unruheherd am östlichen Rand Europas, da man erkannt hat, dort keinen Blumentopf mehr gewinnen zu können.
Zahlungsaussetzung ist ein Zeichen
Dazu passt die Aussetzung der Zahlung der letzten Tranche. Sie war ein deutliches Zeichen an die Machthaber in Kiew. „Wie wollt Ihr Krieg führen ohne unser Geld, ohne dass Ihr weder etwas zum heizen noch genug zu Essen habt?“ Dieser Wink mit dem Zaunpfahl ist in Kiew wohl verstanden worden. Weder aus Kiew noch von Waleri Tschali hörte man danach etwas von Eskalation im Donbass. Die Maßnahme saß.
Das geostrategische Ziel musste aufgrund der Geschehnisse im Donbass, dem nachhaltigen Einfluss Russlands und dem für den Wertewesten dramatischen Verlauf in Syrien aufgegeben werden. Ohne dieses Ziel scheint die Ukraine für den Westen wertlos zu sein. Ja für die EU und für die Bundesrepublik tut sich gar eine Horrorvision gigantischer Kosten für nie endende Wirtschaftshilfe und weiterer Unterstützungskosten auf. Die Ukraine entwickelt sich zum Alptraum der EU.
Der Kreml kann warten
Russland braucht nichts mehr zu tun. Die Strategen im Kreml können sich entspannt zurücklehnen und abwarten. Und Russland kann warten. Man hat dort ein anderes Verständnis von „Zeit“ als im Westen. Die Zeit arbeitet für Russland.
Die USA sind inneren Grabenkämpfen verfallen, die EU droht weiter zu zerbröseln, die Ukraine ist nicht mehr überlebensfähig ohne Hilfe von außen.
Der wichtigste Handelspartner der Ukraine war einst Russland. In nicht allzu ferner Zukunft, wird die Ukraine froh sein, wieder Handel mit Russland betreiben zu können. Das wird der Tag sein, an dem die Ukraine Russland in den Schoß fällt wie eine reife Pflaume.
Russland wird dann bestenfalls im Donbass investieren. Der Rest der Ukraine wird noch lange Zeit mit seinen Misslichkeiten zu kämpfen haben und die EU wird sich stillschweigend zurückziehen.
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Kommentare
Ich möchte nur ein paar Punkte ergänzen.
Beim Maidan wurden einerseits Georgische Terroristen eingesetzt welche (zumindest ein Teil) die Schüsse abgaben.
Ebenso wurden die westlichen Puppen aufgeboten um auf dem Maidan für Stimmung zu sorgen. Möglicherweise waren diese sich über die genauen gewalttätigen Hintergründe wirklich nicht bewusst.
V.a. wenn die Besuche strikt über Pyatt und seine Mitarbeiter organisiert wurden.
In Bezug auf die neue Regierung und Odessa kann man nur immer die im Rekordtempo eingebürgte Ausländer hinweisen.
Und auf die schon absurden neueren Geschichten mit dem nun staatenlosen Sakashvili mit seiner illegaler Eindringung über die grüne Grenze über Polen (wie sichert Polen eigentlich die Grenzen? können sich georgische Terroristen einfach so im Land bewegen?) sowie dem Kampf gegen die Polizei bei seiner Verhaftung.
Dass die Ukraine fallen gelassen wird überrascht mich nicht.
Ich sehe es auch im Zusammenhang, dass die Ukraine für die alte Elite eine grosse Rolle spielte aber für die Trump Administration keine hohe Priorität hat.
die 5 Milliarden sind nichts für die USA.
Schulden werden sowieso nie zurückbezahlt. Man rollt und vergrößert die Schulden (weltweit).
Also geht es maximal um Zinskosten. Bei 2% sind das gerade mal 100 Millionen pro Jahr.
Und für die nimmt man auch wieder Schulden auf.
Der russische Vermittler & Putins Sonderbeauftragter bei der sog. "Minsker Verhandlungs- und Kontaktgruppe" (Friedensabkommen von Minsk-2) - der bekannte russische Politiker Boris Gryslow - hat die beiden Volksrepubliken Donezk & Lugansk heute aufgerufen bereit zur Landesverteidigung zu sein, da die USA das Kiewer Regime angewiesen haben - den Konflikt per Krieg zu "lösen", nach dem das ukra-faschistisch dominierte ukrainische Parlament das Gesetz zur "Reintegration des Donbass" in zweiter Lesung angenommen hat:
"Wir sehen faktisch, dass ein Weg eingeschlagen wird, der dem friedlichen Regulierungsprozess des Konflikts widerspricht, plus der von den Kriegsfalken ("Kriegspartei") angedreht wurde und vom ukrainischen Präsidenten begrüßt wird. Wir sehen faktisch auch, dass die USA ihre Sanktion (Erlass) gegeben haben, den Konflikt im Südosten der Ukraine kriegerisch mit Gewalt zu lösen, statt durch friedliche politische Regulierung. Unter diesen Fakten ist es uns unerklärlich, wie Kiew seinen Verpflichtungen die sie aus dem Friedensabkommen auf sich genommen haben, erfüllen will, die von der Minsker Kontaktgruppe vereinbart, vom UN-Sicherheitsrat mit der UN-Resolution beschlossen und auch von dem Normandie-Format (Russland, Deutschland, Frankreich, Ukraine) abgesegnet wurden. Statt die Blockade aufzulösen und die Normalisierung der humanitären Lage anzustreben - wird auf einen Gewaltlösung und einen Kriegszustand gesetzt. Statt politischer Entscheidungen bezüglich eines Sonderstatus des Donbass, Amnestie und freie gemeinsame Wahlen zu setzen - wird auf eine gewaltsame Unterdrückung gesetzt. Für den Donbass (DNR, LNR) ist es ein klares Signal, dass Kiew nicht verhandlungsfähig ist und ein klares deutliches Signal bereit zur Landesverteidigung zu sein. Mit diesem neuen Gesetz wird faktisch eine neue Realität im Regulierungsprozess im Südosten der Ukraine geschaffen. Dieser Weg ist selbstverständlich ein falscher und wird die Lage in der Ukraine nur noch verschlimmern. Die Russische Föderation bleibt dem Format des Minsker Friedensabkommens treu und ruft Kiew letztmalig dazu auf zu seinen Verpflichtungen aus Minsk-2 zurückzukehren, die Kiew auf sich genommen hatte. Es gibt keine Alternative dazu."
Ich bin mit der klaren Überzeugung aufgewachsen, dass wir die Guten sind und habe jetzt die Erkenntnis, daß unser Hut der schwärzeste ist.
Als ich dieses Jahr im Süd-Westlichen Teil der Ukraine war, überraschte es mich wieviele der dort Ansässigen sich als Russen sehen.
Falls das mit dem Gesetzt stimmt, gibt es sicher Aufstände in der Westukraine.