Zu meinem Beitrag vom 29.01. „Deutsch-Russische Wirtschaftsbeziehungen: Das verlorene Jahrzehnt“ schrieb ein Leser:

„Der OAOEV hat sich doch mit Washington und London abgestimmt? Ich fürchte, es gibt da einige Damen und Herren mit anderer Auffassung zum Thema Handel und Zusammenarbeit. Und der Herr Altmaier ist Teil der Regierung Merkel, die den immer dreisteren, mafiös-erpresserischen Einflussnahmen von unseren transatlantischen Partnern allzu gerne zustimmt: Ukraine, Northstream 2, Russland-Sanktionen usw. Danke, Herr Trepnau, für den interessanten Artikel. Aber kann es sein, dass dieser Ostausschuss auf verlorenem Posten kämpft?“

Diesen Kommentar möchte ich zum Anlass nehmen, um auf ein weiteres im Positionspapier des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft beschriebenes strategisches Themenfeld mit zukunftsweisenden deutsch-russischen oder europäisch-russischen Kooperationsmöglichkeiten und auf den „Kampf auf verlorenem Posten“ einzugehen.

Energie: Synergien liegen auf der Hand

Dass das Thema Energie eines der 15 Themenfelder des Positionspapiers des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft ist, dürfte niemanden überraschen.

Russland ist demnach in seinen Beziehungen zur EU stark auf das Thema Energie und Rohstoffe fokussiert. Deutschland wiederum hat eine große Expertise auf dem Feld der erneuerbaren Energien. Russland könnte von der deutschen Expertise auf diesem Gebiet profitieren und umgekehrt einen weiteren wichtigen Beitrag auf dem Weg zur angestrebten Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft leisten.

Durch den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie bis 2022 und dem politisch angestrebten Ausstieg aus der Verstromung von Braun- und Steinkohle sowie der Verbesserung alternativer Kraftstoffe und Antriebe für private und öffentliche Mobilität, werden Deutschland/die EU unter anderem auf russisches Erdgas als Brückenenergieträger angewiesen sein.

Deutsche Unternehmen haben auch in Russland selbst bereits einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des dortigen Energiemarktes mit hohen Direktinvestitionen, zum Beispiel in den Stromsektor, geleistet. Russische Unternehmen haben ihrerseits wichtige Investitionen in die Erdgasinfrastruktur getätigt, die der Versorgungssicherheit Deutschlands zugute kommen.

Zwischen deutschen und russischen Unternehmen besteht seit über 50 Jahren eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Energiesektor. Rund 35 Prozent der deutschen Erdgas- und Erdölimporte stammen aus Russland. Russisches Erdgas bietet eine Chance, die mittelfristigen CO2-Reduktionsziele zu erreichen.

Auch gemeinsame Projekte zur effizienten und umweltgerechten Erschließung von Rohstoffen für Zukunftstechnologien wie Seltene Erden und andere Hightech-Rohstoffen, die die europäische Wirtschaft für ihre Entwicklung dringend benötigt, könnten Themen für eine Zusammenarbeit sein.

Ein engerer aufeinander abgestimmter Energiemarkt kann eine wichtige Säule eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok darstellen. Jenseits des Geschäfts mit Öl, Kohle und Erdgas sieht der Ostausschuss Perspektiven für den transeuropäischen Handel mit Elektrizität.

Zudem könnten zukunftsweisende Themen wie Energieeffizienz, dezentrale und erneuerbare Energie, Erdgas als Kraftstoff für klimafreundliche Mobilität (Compressed Natural Gas CNG/ Liquified Natural Gas LNG), Grünes Gas (Power-to-Gas-Technologie) oder Wasserstoffanwendungen Felder der Zusammenarbeit sein.

Methane Cracking ist eine junge Technologie, bei der Erdgas in Wasserstoff und hochwertigen schwarzen Kohlenstoff gespaltet wird. Russische Unternehmen arbeiten an dieser Methode, die auch bei deutschen Unternehmen auf hohes Interesse gestoßen ist. Hieraus könnten sich weitere Projekte einer wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit ergeben, wie zum Beispiel die Nutzung der Erdgasinfrastruktur für Wasserstoff.

Was läuft: LNG und Nord Stream

Aktuell läuft die Realisierung des europäischen Pipeline-Projekts Nord Stream 2. Das Projekt dient angesichts rückläufiger europäischer Eigenförderung der Versorgungssicherheit Europas, trägt zur CO2-Reduktion bei und ist gegenüber verflüssigtem Erdgas (LNG) in den meisten Fällen kostengünstiger und dadurch wettbewerbsfähiger.

LNG gewinnt als Energieträger insbesondere im Auto-, LKW- und Schiffsverkehr als Alternative zum klimaschädlicheren Öl zunehmend an Bedeutung. Mitgliedsunternehmen des OAOEV wie Shell und Uniper haben aktuell erste stationäre LNG-Tankstellen für LKW eröffnet.

Aktuell auch in Planung ist das Projekt eines LNG-Terminals des russischen Energiekonzerns Nowatek und des belgischen Fernleitungsnetzbetreibers Fluxys in Rostock. Der Bau dezentraler, kleiner Erdgasverflüssigungsanlagen in Russland mit deutschen Technologiepartnern verspricht ein erfolgreiches Modell für die Zukunft zu werden. Hier laufen bereits Gespräche über deutsch-russische Partnerschaften.

Kampf auf verlorenem Posten

Wie ich schon im vorigen Beitrag schrieb, steckt in den russisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen mehr Dynamik, als die Öffentlichkeit vermutet. Das Potenzial für die Zukunft ist schier unermesslich. Der Ausbau der neuen Seidenstraße toppt dieses gewaltige Potenzial einmal mehr.

Dennoch sind die Bedenken des Kommentators nicht von der Hand zu weisen. Was uns seit rund fünf Jahren politisch vorgeführt wird, ist Russland- und Putin-Bashing in Reinkultur. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die BRD seit nunmehr rund sieben Jahrzehnten in die westliche Hemisphäre eingebettet ist, keine echte Verfassung hat, sich Gerüchte um eine Kanzlerakte ranken, fremdes Militär auf dem Gebiet der BRD stationiert ist etc. Natürlich stellt sich in Anbetracht dieser Fakten, die Frage nach der Souveränität der Bundesrepublik.

Ich möchte mich hier jedoch nicht an der –durchaus berechtigten- Frage der Souveränität abarbeiten. Worum es mir geht, ist darauf hinzuweisen, dass die Bundesrepublik und ihre Regierungen der letzten Jahrzehnte nur begrenzten Handlungsspielraum hatten und überwiegend Menschen in zentralen politischen Positionen installiert waren und noch immer sind, die den Besatzungsstatus, zumindest nach innen, akzeptierten und sich entsprechend verhielten und verhalten.

Meine persönliche Meinung ist, dass der Ostausschuss nicht auf verlorenem Posten kämpft. Nachfolgend möchte ich die Gründe benennen, die mich zu dieser Sichtweise bewegen. Einerseits ist dies erkennbar an dem Festhalten der Regierung an Nord Stream 2, gegen alle Widerstände. Die ökonomischen Zwänge werden unausweichlich für eine deutlich stärkere Ausrichtung der deutschen Wirtschaft nach Osten sorgen.

Die Rolle des US-Präsidenten

Hinzu kommt, dass Donald Trump ein Präsident ist, dessen Aufgabe es zu sein scheint, alte Zöpfe abzuschneiden, und sich auf das - aus Sicht des unbedingt erforderlichen Gesundungsprozesses der USA - Wesentliche und Wichtigste zu konzentrieren.

Die Mannschaft hinter Trump hat offensichtlich erkannt, dass der eingeschlagene Weg der militärischen Überdehnung, der massiven Korruption im eigenen Land, besonders ausgeprägt im Pentagon, der Verarmung ganzer Bevölkerungsteile, die durch die Globalisten angestoßene Deindustrialisierung, die Drogenepidemie, der Verlust von Forschungskompetenz, die Totalüberschuldung von Studenten und Haushalten schlicht ins Verderben führt.

Hinzu kommt, dass das US-Militär dem russischen und chinesischen Militär nicht mehr überlegen ist. Damit entfällt eines der wichtigsten Instrumente zur weltweiten Dominanz. Die De-Dollarisierung findet im Hintergrund statt. China und Russland arbeiten daran. Auch die EU hat nun einen Weg gefunden, iranisches Öl unter Umgehung des US-Dollars zu kaufen.

Diese Erkenntnis dürfte der Anlass dafür sein, dass die Trump-Mannschaft die USA bewusst, gegen den massiven Widerstand der Demokraten und des Tiefen Staates, isoliert und sich gesichtswahrend aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika zurückziehen will. Auch Europa wird als Bürde gesehen. Hinter den Kulissen in Washington findet ein erbitterter Kampf statt. Ein Hauen und Stechen, das einmal in die eine Richtung, ein anderes Mal in die Gegenrichtung zu gehen scheint.

Die Taktik Trumps, die Vasallen zu verprellen, scheint jedenfalls zu funktionieren. Europa, speziell Deutschland und Frankreich sind dabei, sich von den USA zu emanzipieren. Ein Beispiel dafür sind die Pläne Macrons zur EU-Armee. Dies dürfte manchen, die Europa nicht so einfach in Richtung Russland und China abdriften lassen wollen, nicht geschmeckt haben. Wer und welche Organisationen das sind, wird, wenn überhaupt, erst die Zukunft zeigen.  Die „gilets jaunes“, die Gelbwesten jedenfalls sind nicht vom Himmel gefallen.

Geopolitische sichtbare Veränderungen

Der Nahe Osten ist für die USA faktisch verloren. Die Machthaber dort stehen in regelmäßigen Abständen im Kreml Schlange und nicht im Weißen Haus. In Asien sind die USA bei kaum einem Treffen mehr dabei und Nord- und Südkorea verhandeln über einen Friedensvertrag. Indien schert sich nicht um amerikanische Verbote und kauft russische S-400. Dann hat sich auch noch Verteidigungsminister Mattis, der letzte NATO-Getreue aus der US-Regierungsmannschaft verabschiedet; sehr zum Leidwesen der europäischen Transatlantiker.

Trump wird Tollpatschigkeit, Dummheit und Trottelhaftigkeit vorgeworfen. Vielleicht stimmt das alles. Ich kenne ihn nicht. Was er jedoch erkennbar hinter sich lässt, ist eine Spur der Zerstörung von alten Partnerschaften. Dummheit oder Absicht? Ich denke letzteres. Wir sehen auf der Bühne hysterische Medien, japsende, stammelnde, auf Russland schimpfende Politiker und Journalisten, die von Angst getrieben inhaltsleer und falsch berichten.

Gleichzeitig wächst das Handelsvolumen der EU mit Russland und Nord Stream 2 wird weiter gebaut, China treibt die Seidenstraße weiter voran. Worüber in unseren Qualitätsmedien so gut wie nichts zu finden ist, ist die Tatsache, dass die Russische Föderation neben der Türkei auch Deutschland und Frankreich an den Aufbauplänen Syriens teilhaben lässt.

Venezuela

Dass sich die USA unter der Trump-Mannschaft für die nächsten Jahrzehnte auf den eigenen Kontinent zurückziehen wollen, zeigt uns die Krise in Venezuela. Venezuela liefert den USA ungefähr ein Drittel der gesamten Ölimporte. Venezuela sitzt auf soviel Öl, dass es den Nahen Osten als Lieferanten für die USA ersetzen könnte. Allerdings ist dafür einiges an Investitionen erforderlich.

Ihren eigenen Hinterhof, nämlich Mittel- und Südamerika, werden die USA nicht so einfach aufgeben. Bitter in den nächsten Jahren für diese Länder, dass sie - im Gegensatz zum Nahen Osten - so strategisch günstig für die USA liegen. Einen Krieg wird Trump gegen Venezuela dennoch nicht lostreten. Dass kann er sich, zwei Jahre vor der Wahl nicht leisten.

Im Gegensatz zu allen seinen Vorgängern hätte er die politische Opposition und die Medien im Kriegsfalle nicht mit im Boot. Im Gegenteil, die würden jeden einzelnen Leichensack, gefüllt mit einem US-Soldaten durch sämtliche Programme und Zeitungen jagen, um Trump zu schaden.

Einen Bürgerkrieg zu provozieren liegt jedoch im Rahmen des Möglichen. Allerdings mit erheblichen Risiken, da die Russen schon militärische Präsenz in Venezuela zeigen und Maduro mit Beratern und Waffen unterstützen dürften, auch wenn sie sicher keinen Soldaten dafür opfern werden.

Obwohl Südamerika für die USA keine Spielwiese mehr ist, wird sie alles daran setzen, dort die Kontrolle zu behalten. Man kann es auch anders sehen. Ich freue mich auf Ihre Kommentare.

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