In der Mehrzahl der Staaten erhält der Sieger alle Stimmen der dortigen Wahlleute. Den bisherigen Ergebnissen zufolge entfallen auf den Demokraten Joe Biden 306 Wahlleute und 232 auf den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump. Zum Sieg reicht die absolute Mehrheit von 270 Stimmen, offiziell wird das Ergebnis erst am 6. Januar im Kongress von Vizepräsident Mike Pence bekanntgegeben.

Bei diesem Vorgang handelt es sich in der Regel um eine Formalität, einzelne Abweichler unter den Wahlleuten gab es in der Vergangenheit zwar immer wieder, den Wahlausgang hat dies bisher nicht entscheidend verändert.

Doch Amtsinhaber Trump zweifelt nach über 50 gescheiterten Klagen gegen das Wahlergebnis – zuletzt auch vor dem Supreme Court - weiter Bidens Wahlsieg an und twittert nach der Entscheidung der obersten Bundesrichter: “Der Kampf hat gerade erst begonnen!!!”

Wenn am 06. Januar 2021 das Votum der Wahlleute von beiden Kongress-Kammern bestätigt werden muss, gibt es für die Abgeordneten die Möglichkeit, gegen das Wahlergebnis in den Bundesstaaten Einspruch einzulegen. Da 126 republikanische Mitglieder des Repräsentantenhauses sich der Klage vor dem Supreme Court angeschlossen hatten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein Abgeordneter Einspruch erhebt, der Abgeordnete Mo Brooks aus Alabama hat dies bereits angekündigt.

Doch aufgrund der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus ist es ebenso wahrscheinlich, dass dieses den Einspruch ablehnt, wohingegen die Abstimmung im Senat, in dem die Republikaner eine knappe Mehrheit besitzen, dem Einspruch stattgegeben werden könnte. Damit hinsichtlich des Einwands eine Anhörung stattfindet, bedarf es allerdings der Zustimmung beider Kammern.

Die <link demokratieplattform beitrag trump-boese-biden-gut-anmerkungen-zur-aktuellen-berichterstattung _blank>Kluft in der Wahrnehmung könnte derweil also nicht anders ein, denn während in den großen Medienhäusern kein Zweifel daran gelassen wird, dass Joe Biden im Januar vereidigt wird, gehen die Anhänger Trumps davon aus, dass die Schlacht noch nicht geschlagen ist und die Wahlvorwürfe gar zur Angelegenheit der Nationalen Sicherheit erklärt werden könnten.

Anbei eine Zusammenfassung dieser Sichtweise:

Fehlprognosen zur Wahl

Biden soll also am 20. Januar in Washington vereidigt werden. Es stellt sich die berechtigte Frage: was bleibt dann von Donald Trump? 

Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass es sich bei dem Sieg von Joe Biden um einen bitteren Sieg handelte. Das Ergebnis der jüngsten US-Wahlen verdeutlichte die Fehleinschätzungen im demokratischen Lager. Man nahm die Unterstützung gewisser Milieus als gegeben, spekulierte auf einen Erdrutschsieg, der ausblieb.

Die Enttäuschung der Demokraten

Daher muss sich eine neue Regierung unter Joe Biden auf einen schwierigen Start einstellen. In der Zeitung „Le Monde diplomatique“ liest man dazu:

Die Demokraten hatten nicht nur den Sieg Bidens, sondern auch die Abstrafung Trumps erwartet. Sie hatten gehofft, ähnlich wie im Jahr 1980 könnte die Niederlage des amtierenden Präsidenten noch vor dem Ende der Abstimmung in Kalifornien besiegelt sein. Und um die Scharte der Demütigung des heiligen, progressiven Amerikas endgültig auszuwetzen, würde auf das Wahldebakel der Republikaner – so das Narrativ – die Verhaftung der Trump-Familie folgen, möglichst mit Fotos ihrer Mitglieder in orangefarbener Gefängniskleidung. Dieses Szenario blieb ein Traum. Es ist sogar wahrscheinlich, dass der Golfspieler von Mar-a-Lago nicht lange politisch untätig bleiben wird. Im Vergleich zur letzten Wahl hat Trump zehn Millionen Stimmen dazugewonnen, trotz aller Kränkungen, die er hinnehmen musste, wie das – gescheiterte – Amtsenthebungsverfahren. Trump wird seine Anhänger zweifellos davon überzeugen, dass er ein mutiger Präsident gewesen sei, der seine Versprechen gehalten und die gesellschaftliche Basis seiner Partei verbreitert habe und dessen Erfolgsbilanz durch eine Pandemie überschattet wurde.“ 

Trumps Wahl im Jahr 2016 war der Ausdruck ein tiefen Krise des politischen Systems der USA, die so oder so ähnlich alle westlichen Demokratien erfasst hat, wie bereits im <link beitrag post zeitalter-der-wut _blank>Cashkurs-Artikel „Zeitalter der Wut“ im Oktober 2017 thematisiert.

Nach Trumps Wahlsieg 2016 kann man unmöglich weiterhin die tiefe Kluft negieren, die von Rousseau einst erforscht wurde - die Kluft zwischen einer Elite, die sich die erlesensten Früchte der Moderne aneignet und ältere Wahrheiten verachtet und entwurzelte Massen, die sich von diesen Früchten ausgeschlossen sehen und sich in Gefühle kultureller Überlegenheit, in Populismus und verbitterte Realität zurückziehen.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die Globalisierung - mit ihren Merkmalen des hochmobilen Kapitals, der beschleunigten Kommunikation und der raschen Mobilisierung - hat überall zu der Schwächung älterer Regierungsformen geführt, in den Demokratien des Westens ebenso, wie in arabischen Diktaturen. 

Fast das gesamte Denken des westlichen Parlamentarismus seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges geht von der Annahme aus, dass die Menschen nichts weiter wünschen als ökonomischen Erfolg, Sicherheit und die Vermeidung von Ungewissheiten und Risiken.

Dabei wird übersehen, dass die menschliche Natur aber auch den Wunsch nach Sündenböcken, nach Feindbildern beinhaltet und ab und zu auch mal Pathos, Fahnen und Aufmärsche, auf dem Wunschprogramm stehen, wie es in den letzten Jahren im Westen zu beobachten war. Der Trumpismus wird also durch eine Abwahl Trumps nicht einfach von der Bildfläche verschwinden, sondern in neuer Erscheinungsform das Establishment herausfordern. 

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"