Der Sender Al Jazeera hat Ende August eine investigative Reportage über die „goldenen Visa“ und die „goldenen Pässe“ Zyperns veröffentlicht. Es geht darum, dass sich reiche Personen aus Nicht-EU-Staaten mir entsprechenden Investitionen ein Visum für die EU oder gar die europäische Staatsbürgerschaft kaufen können. Al Jazeera berichtet von 2.500 Personen, die über diesen Weg eine EU-Staatsbürgerschaft erhalten haben.

Ähnliche Programme haben in der EU auch andere Staaten wie Griechenland, Spanien, Irland und Portugal eingeführt. Solche Programme boten sich in den Krisenländern der Euro-Zone an, um Einnahmen zu generieren. Die reichen Investoren werden - anders als Bootsflüchtlinge - mit offenen Armen empfangen. Sie bekommen statt eines Asylantrags gleich die notwendigen Papiere, um innerhalb der gesamten EU zu reisen und zu wohnen.

Jeder, der zwei Millionen Euro investieren kann, bekommt eine Staatsbürgerschaft. Dies nutzen Investoren aus mehr als 70 Staaten und machten damit das kleine Zypern zu einem Hotspot der Millionäre. Mehr als 2.350 Neubürger investierten somit bis September 2013 mindestens 4,7 Milliarden, knapp ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts, in den Inselstaat. Al Jazeera schätzt, dass es mehr als acht Millionen Dollar pro Person sind. Viele der Neubürger bekamen im Zuge der Familienzusammenführung auch die notwendigen Pässe für Ehegatten und Kinder.

Datenleck: Wurden Kriminelle und korrupte Politiker eingebürgert?

Was nach einer Erfolgsgeschichte aussieht, hat auch Kehrseiten. Diese nahm Al Jazeera unter die Lupe, indem die Vita der neuen Zyprioten untersucht wurde. Der Sender muss an persönliche Daten der Antragsteller gekommen sein, was an sich bereits auf den ersten Blick einen Verstoß gegen den Datenschutz seitens der zypriotischen Administration oder von Al Jazeera nahelegt.

Allerdings können solche Datensätze auch über die Veröffentlichung der Namen der Neubürger und entsprechenden Abgleich mit weiteren, öffentlich zugänglichen Veröffentlichungen komplettiert werden. Durch die Reaktionen und Äußerungen der Regierung Zyperns auf die Affäre, manifestiert sich der Eindruck, dass das Datenleck den Behörden frühzeitig bekannt war.

In der veröffentlichten Liste von Al Jazeera befindet sich die Vita von einhundert eingebürgerten Zyprioten, welche der Sender besonders hervorheben wollte.

Unter Berufung auf ein 2013 eingeführtes Gesetz, das besagte, dass die Antragsteller keinen Eintrag im Strafregister und keinerlei Sanktionen seitens der EU gegen sich haben sollten, hat der Sender bei den hundert Personen gesucht, ob sich Fälle darunter befinden, die eigentlich nicht eingebürgert werden dürften. Den Behörden Zyperns wird vorgeworfen, dass sie ihren Pflichten nicht vollumfänglich nachgegangen seien.

Verschärfungs-Gesetz mit Lücken

Konkret stehen in der Liste verurteilte Kriminelle, Oligarchen auf der Flucht vor dem Gesetz und Regierungsbeamte. Dazu gibt es auch die anonymisierten Einträge von Personen, deren Vita offenbar vollkommen legal war, die aber als Beispiel dafür angeführt werden, dass zum Beispiel selbst Deutsche sich eine zypriotische Staatsbürgerschaft kauften. Al Jazeera will mindestens fünfzehn Milliardäre gefunden haben.

2019 wurden in Zypern schärfere Regeln für die Einbürgerung eingeführt. Mit parlamentarisch ratifiziertem Gesetz vom 31. Juli 2020 ist die nachträgliche Aberkennung von Staatsbürgerschaften möglich, wenn beim Antrag gemogelt wurde. Die Aberkennung kann auch erfolgen, wenn der Neubürger straffällig wird, Zypern diskreditiert oder aber innerhalb von zehn Jahren nach Erteilung der Staatsbürgerschaft für ein - auch vorher begangenes - Verbrechen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wird.

Al Jazeera kritisiert, dass dieses Gesetz jedoch lediglich die nach der Verschärfung der Kriterien vergebenen Pässe erfassen würde.

Rechtfertigungsversuche der Regierung Zyperns & indirekte Bestätigung der Daten

Die Regierung Zyperns beschäftigt sich seit den Veröffentlichungen von Al Jazeera intensiv mit dem Thema. Sie versucht sich zu rechtfertigen. So stellten sich zum Beispiel Innenminister Nikos Nouris und der Regierungssprechers Kyriakos Kousios bei einer Pressekonferenz zum Thema Einbürgerung und zum Investitionsprogramm den Fragen der Journalisten.

Der Innenminister bestätigte, dass der Regierung und dem Parlament detaillierte Informationen über jeden Fall vorliegen würden. Die Regierung werde jedoch nicht veröffentlichen, wer das Datenleck zu verantworten hat. Nouris verwies in diesem Zusammenhang auf andere zuständige Behörden, offenbar meinte er die Staatsanwaltschaft. Die Echtheit der von Al Jazeera veröffentlichten Dokumente wird somit indirekt bestätigt.

Zudem bestätigte der Minister, dass die Regierung bereits lange vor der Veröffentlichung Kenntnis von dem Leck hatte. Denn offenbar hatte Al Jazeera Fragenkataloge an die Eingebürgerten geschickt. Diese wandten sich dann an das Ministerium.

Gegenüber dem Vorwurf der Al Jazeera Mitarbeiterin Deborah Davies, dass es Fälschungen der Einbürgerungsanträge gegeben habe, meinte Nouris, dass dies von der Generalstaatsanwaltschaft geprüft würde.

Versprechen eines Ministers & Appell an Journalisten

Gemäß den Aussagen des Ministers werden nun alle Fälle noch einmal überprüft. Gegebenenfalls soll es danach zum Widerruf einzelner Einbürgerungen durch den Ministerrat kommen. Er bestritt, dass die neue Gesetzgebung einzelne Fälle vom Entzug der Einbürgerung ausnehmen würde.

Schließlich appellierte der Minister an die Journalisten, die Glaubwürdigkeit der Regierung eines EU-Mitgliedsstaats gegenüber der Glaubwürdigkeit eines Nachrichtensenders und seiner Mitarbeiter abzuwägen.

„Was heißt das konkret für mich!?“ (CK-Redaktion)

Dass der häufig benannte Millionärsboom auf Zypern mitunter durch die „kreative“ Gesetzgebung der dortigen Regierung zurückzuführen ist, wird einmal mehr bestätigt. Interessant bleibt außerdem festzuhalten, dass die EU – trotz Wissens um die Geschehnisse – nach aktueller Gesetzeslage faktisch nichts gegen die Visa-Vergabepraktiken Zyperns tun kann - außer natürlich ihrerseits an die zypriotische Regierung zu appellieren...

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