Wen der Schuh drückt, der besorgt sich in der Regel neue Schuhe oder kauft sich ein paar Einlagen. Die teilverstaatlichte und in Frankfurt residierende Commerzbank hatte mehr als nur finanzielle Hühneraugen zu beklagen, als die vielbeinige bundesdeutsche Insolvenzabwehr mit Steuermitteln zur Rettung schritt. Da man die Schuhe allen Löchern zum Trotz nicht wegwerfen wollte, besorgte sich das Institut Geld beim Staat. Stille Einlagen waren neben einem Aktienkauf Teil dieser Wiederbelebungsmaßnahme.
Nun kann man sich über den seinerzeit völlig überteuerten Preis, den der Steuerzahler für die ebenfalls per Aktien übernommenen 25% am Unternehmen aufregen. Ebenfalls darf man über erhöhten Puls klagen, wenn man sich das derzeitige unwürdige Gezerre um die Zinsen auf die genannten Einlagen anschaut. Aber manchmal stellt sich bei all dem Irrsinn doch die Frage, warum ordentliche Abwicklungen anscheinend allen scheinliberalen Predigern zum Trotz nicht zum Wirtschaftssystem gehören, während andernorts die 40ct-Bagatellentlassung allen Ernstes mit dem Wort „Glaubwürdigkeit“ begründet wird. Ausgerechnet Glaubwürdigkeit! Die Anteile der „Heuchel + Co. AG“ erreichen wirklich täglich neue Höchststände.
Während die inkarnierte Systemrelevanz also weiter an den verschiedenen Wunden der Bank laboriert, fragt sich der Rest der Welt, was man denn eigentlich mit dem ganzen Gewerbeimmobiliengeschäft anfangen will. Und für welchen Markt man das putzige Investment Banking der Ex-Dresdner angesichts der flauen Umsätze in der Branche eigentlich haben wollte? CDOs verkaufen? An wen denn? Immobilienkredite mit Gewerbebezug verbriefen? Viel Spaß beim Verkauf. Privatkundengeschäft? Das will man doch in Deutschland alle fünf Jahre beleben und erklärt es in den nächsten fünf Jahren für tot. Aber operativ läuft es den bankeigenen Verlautbarungen zufolge ja dennoch spitze.
Die Frage ist halt, wie man den Begriff „positiv“ definiert. Eine Woche Durchfall ist nun einmal besser als zwei. Dennoch würde es für allgemeine Erheiterung sorgen, wenn sich der ein oder andere Betroffene im Überschwang dazu hinreißen ließe, eine derartige Erfahrung freudig als positiv einzustufen. Im Zwischenbericht des Geldhauses finden sich die Worte operativ positiv, rückläufig und erhöhte Belastung dennoch in derselben Schublade.
Der außenstehende Betrachter dürfte sich angesichts der Aussichten nun fragen, wie man denn eigentlich mit den eingebrachten Staatshilfen umgehen soll. Sicher haben Sie es mitbekommen, die Zinsen auf die stillen Einlagen für das Jahr 2009 kann sich der Bund abschminken. Die Struktur der Hilfen und das negative HGB Ergebnis der Bank geben nichts anderes her. Das kann man dem Haus nicht einmal vorwerfen, hier muss sich die Gegenseite in die Schämecke stellen und die Eselsmütze aufsetzen. Wer Verträge nicht ordentlich aushandeln kann, muss sich trotzdem daran halten.
Interessanter ist aber das Gedankenspiel, wie es denn aussähe, wenn die Bank Gewinne schreiben würde, und die fälligen Zahlungen an den Bund leisten müsste. Der Blick auf die Unternehmenszahlen seit 2000 zeigt, dass die Gewinne auch in der Vergangenheit bei weitem nicht ausgereicht hätten, um eine derartige Verpflichtung zu decken.
In nur sechs von 42 Quartalen verdiente man mehr als die zusätzliche Zinsbelastung bedeuten würde. Da man ja derzeit eher darauf fokussiert ist, ein positives Ergebnis nach IFRS für die Außendarstellung und zwecks Zinseinsparung ein negatives Ergebnis nach HGB auszuweisen, fällt die in der Grafik eingezeichnete Belastung dankenswerterweise gar nicht erst an.
Für den Steuerzahler bedeutet dies allerdings, dass die vorläufige Rettung der Commerzbank vor der Insolvenz nun wohl doch Kosten verursacht, genauer gesagt Opportunitätskosten. Der Bund hat sich das Geld zur Stützung ja mangels Reserven selbst am Kapitalmarkt besorgen müssen. Nehmen wir einmal eine 5-jährige Laufzeit an und gehen von einer Finanzierung zum Januar 2009 aus. Die Rendite auf 5-jährige Bunds lag seinerzeit bei etwa 2,3%. Bei einer Summe von €18 Mrd. kommt der Steuerzahler so auf Kosten in Höhe von €414 Millionen per annum. Die ach so große geplante Bankenabgabe würde aktuellen Zahlen zufolge jährliche Belastungen für die gesamte Branche in Deutschland in einer Höhe von lediglich €2 Mrd. mit sich bringen. Abgesehen davon, dass diese Kosten natürlich an die Kunden weitergereicht würden, wenn es soweit käme, ist davon auszugehen, dass eine Bank wie die Commerzbank wesentlich weniger zu zahlen hätte, als der Steuerzahler derzeit laufend an Geld für die Stützung aufbringt. Peinlich, peinlich.
Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, die Stützungsmaßnahmen bei der einen oder anderen Bank etwas fachkundiger auszuhandeln. Die entsprechenden Vorschläge zu einer anders strukturierten Stützung wurden übrigens bereits damals ebenso massiv wie konstruktiv kritisiert. Die beliebte Ausrede „Zeitdruck“ kann man also bestenfalls in der Augsburger Puppenkiste erzählen.
Mit Verstaatlichung kennt man sich in der Bank übrigens aus, auch 1932 war es schon einmal soweit. Seinerzeit waren rund 70% in Staatshänden, aber was nicht ist kann ja noch werden. Wenn man dann die wirkliche Mehrheit hat, kann das Kabinett auch eine Zwangsdividende beschließen, die nach dem Modell Deutsche Bahn unabhängig vom ökonomischen Erfolg ein Quäntchen Geld für das Sparpaket einspielt. Einfach ausschütten, verdienstunabhängig. Wenn man das Ganze dann noch über regelmäßige Kapitalerhöhungen finanziert, ist das staatlich organisierte Schneeballsystem perfekt.
Kommentare
Der Tagesausblick ist echt nicht zu genießen...
Gruß
Die Heulsuse
Exakt. Egal ob Weygand oder Roth ... das langweilt nur.
Deraufschwungkommtoderkommtnichtblabla ... irgendeinindexwarschlechtaberdieaktiensteigenodernicht.
Gruß
Miesepeter
ich denke wir sollten realistisch und fair bleiben !!!
Dirk Müller macht das gut aber Hr. Wesygand und Hr. Roth mindestens genauso !!!
Außerdem ist es sehr gut auch andere, optimistischere Sichten auf das
Geschehen auf dem Parkett zu bekommen. Auch sie spiegeln das Marktgeschehen wieder !!! Unser Forum wäre sehr sehr viel ärmer ohne diese Meinungsvielfalt !
Lieber Akteure wechselt Euch auch zukünftig immer wieder mal ab !
Beste Grüsse
Realist
Die Menschen möchten jemanden, der "die Wahrheit" kennt! Die kennt aber keiner.
Ich sehe diese website als Vorschlag an, Wissen zu erwerben, um mir selbst ein Bild machen zu können. Dafür bin ich allen "Wissensanbietern" von cashkurs dankbar. Was ich glaube oder nicht, bzw. welche der hier erhaltenen Informationen bei meiner persönlichen Realitätsanalyse hilfreich bzw. überzeugend sein könnten, muss ich leider selbst entscheiden. Die Realität ist komplex und meiner Meinung nach kommt das bei cashkurs ganz klar rüber.
Übrigens, die oben, im Beitrag "zerlegte" Bank ist ...die meine.
Ich freue mich, dass die Hintergründe realistisch
dargestellt werden.
Danke
könnten Sie einige Details zu den Vertragsvereinbarungen nachliefern? Die (die Regierung) haben also ausgehandelt, dass bei Verlust keine Zinsen zu zahlen sind? Welcher Geldgeber verzichtet auf die Verzinsung seines investierten Kapipitals? Zumal, wie Sie ja ausführlich darstellen, das Geld ebenfalls nur geliehen ist... Was ist sonst üblich, gleiche Verzinsung, egal ob Gewinn oder Verlust? Können Sie das sagen?
Von der Möglichkeit der persönlichen Nutznießung als Motivation bei solchen Deals, wollen wir noch nicht mal reden.
Erst einmal vielen Dank für die stets interessanten Berichte rund um das Marktgeschehen.
Was o. a. Artikel betrifft, habe ich allerdings Schwierigkeiten mit der Begrifflichkeit „Opportunitätskosten“. Damit suggerieren Sie, dass es eine alternative Anlageform mit höherer Rendite gegeben hätte. Dieses Szenario ist aus meiner Sicht in Verbindung mit der Bankenrettung unzulässig. Denn der Staat war niemals in der Position eines Anlegers, der Kapital am Markt anlegen wollte.
Aus Sicht der Bundesregierung und vielen sog. Experten war die stille Beteiligung alternativlos. Wenn Sie den Begriff Opportunitätskosten verwenden wollen, dann müssten die Kosten der Bankenrettung gegen die fiktiven Kosten einer Bankenpleite der Commerzbank gerechnet werden.
Inwieweit letztere Konstellation für den Steuerzahler günstiger gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln.
Ansonsten bitte so weiter machen !
MfG
Olli
@Autor: Olli75a
Zunächst einmal vielen Dank!
Zum Begriff Opportunitätskosten. Wir wollten mit diesem Begriff auf die Aussagen aus der Politik hinweisen, die ja teils bis heute behaupten, es entstünden keine Kosten für die Bankenrettung. Wir erinnern uns auch an Artikel in großen überregionalen Zeitungen, die ausbreiteten, wie die Staaten sogar Geld mit den Rettungen verdienen würden. Das ist grober Unfug, daher der Hinweis auf die Opportunitätskosten. Wenn ein Staat Schulden aufnimmt und dafür Zinsen zahlt, sind dies ja sehr wohl Kosten. Die Alternative wären andere Verträge - etwa ein Mindestzins, der die Finanzierungskosten deckt. Aber am gesündesten wäre wohl eine saubere Abwicklung gewesen.
Bezogen auf die Rettung der Commerzbank oder anderer Institute (auch Industrieunternehmen) ist die Frage, was günstiger ist - Insolvenz oder Stützung - in der Tat sehr interessant. Wir finden es aber problematisch, wenn eine Pleite immer als "totales Chaos" dargestellt wird und eine Stützung als besonders planvoll. Besser eine geordnete Insolvenz, die sehr wohl möglich gewesen wäre, als eine ungeordnete Rettung. Keine Bank hat ein systemrelevantes Geschäftsmodell, hier gibt es reichlich Alternativen.
Aber zu diesem Thema gibt es natürlich viele Meinungen und viel Raum für interessante Diskussionen. Jedenfalls ist es gut, wenn sich zunehmend mehr Menschen für derlei Vorgänge interessieren.
Beste Grüße
Bankhaus Rott
Der Bund hat sich an der Commerzbank beteiligt. Dafür hat er Geld gebraucht und da er keine Überschüsse hat (Nettokreditaufnahme) mußte er sich das Geld eben am Geldmarkt leihen. Das dafür Zinsen anfallen sind keine neuen News.
Das er diese zinsen bei der Bank nicht abschöpfen kann wenn diese keine Geld verdient wundert nicht, sonst wäre sie pleite und die Aktion umsonst.
Durch den Verkauf seiner Anteile könnte der Bund aber wieder Geld in die Kasse bekommen. Vielleicht eines Tages ?
Also gaaanz sachte !