Das Resultat ist klar, die Nation hat mich mit der Aufgabe betraut, die Pflichten der Präsidentschaft zu übernehmen.“ erklärte Präsident Erdogan in den frühen Stunden des heutigen Montags. Nach Angaben der staatlichen Medien hat Erdogan die Präsidentschaftswahl gewonnen. Im Parlament hat seine AKP-Allianz die absolute Mehrheit errungen. Rund 60 Millionen Menschen waren dazu aufgerufen einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen.

Neben den aktuellen Auswirkungen, sowie den Folgen für die Zukunft, ist es lohnend noch einmal einen Blick auf die Hintergründe dieses Urnenganges zu werfen.

Ungleiche Wahlen durch Notstand

Erdogan selbst sprach von einem Triumph der Demokratie und verwies auf die hohe Wahlbeteiligung von knapp 90%, von der manche westliche Demokratien heute nur noch träumen können. Allerdings erwähnte der alte und neue Präsident nicht, dass es ungleiche Wahlen waren.

In der Türkei gilt noch immer der Notstand, jener Notstand der es dem Präsidenten erlaubt, durch Dekret zu regieren. Mit der Machtfülle, die ihm der ausgerufene Notstand brachte, konnte er die Wahlen für sich beeinflussen und die Chancen seiner politischen Konkurrenten dramatisch reduzieren.

Das Ende der Demokratie?

Jene Kritiker im Westen aber, oder auch in der Türkei selbst, die nun vom Ende der Demokratie in der Türkei schwadronieren, haben anscheinend übersehen, dass es damit in der jüngeren Vergangenheit des Landes nicht allzu hoch bestellt war, gerade bei jenen Parteien, die mit Duldung der Militärs regierten und darum bemüht waren das kemalistische Erbe zu bewahren, was nur sehr bedingt mit heute im Westen vorherrschenden Vorstellungen von Demokratie und Menschenrechten in Einklang zu bringen war. Oder anders gefragt, wann soll denn das „Goldene Zeitalter der Demokratie“ existiert haben, welches jetzt angeblich zu Ende geht?

Der überwältigende Wahlsieg Erdogans im Juli 2007, stellte ja nur den vorläufigen Höhepunkt einer langen Entwicklung dar. Während im Iran die Moscheen leer stehen, ja sogar eine Entfremdung von religiösen Dogmen stattfindet, gerade unter der urbanen Jugend, sprießen im NATO-Land Türkei die Moscheen wie Pilze aus dem Boden.

Für den Durchschnittstürken, gerade wenn er zur Mehrheit des sunnitischen Kleinbürgertums gehört, ist Stabilität des gesellschaftlichen Rahmens zweifellos wichtiger als individuelle Ausdrucksfreiheit, was übrigens nicht nur für die Einwohner Anatoliens gilt.

Wenn oberflächliche Kommentatoren im Westen behaupten, der Wahlsieg Erdogans würde autoritäre Tendenzen in der Türkei verstärken, so haben diese keine Ahnung von der jüngeren Geschichte dieses Landes. Die herben Stimmenverluste der AKP bei den letzten Parlamentswahlen 2015 waren eher aus ein Ausdruck für die verfehlte Außenpolitik Erdogans.

Erdogan sitzt fest im Sattel

Zwei Jahre nach dem Putsch sitzt Erdogan also weiter fest im Sattel. Es konnte ja gar nicht ausbleiben, dass ein Politiker von seinem Schlage irgendwann in eine offene Konfrontation mit der allmächtigen Generalität der türkischen Armee und ihrer auf kemalistischen Laizismus eingeschworenen Staatsdoktrin gerät. Die europäischen Freunde des Türkei-Beitritts zur EU, welche stets darauf hinarbeiteten, den Einfluss der Armee abzubauen, weil diese den demokratischen Vorstellungen des Westens widerspricht, unterstützen Erdogan dabei fleißig, auch schon in den Jahren vor dem Putsch.

Die Opposition zeigte sich im Wahlkampf durchaus in der Lage Millionen ihrer Anhänger auf die Straße zu bringen. Wer aber davon ausgeht, dadurch ließe sich eine massentaugliche Bewegung errichten, irrt. Erdogans Vision, eines islamischen Staatskonzeptes, flankiert von den Besonderheiten der türkischen Geschichte, welches er schon als Bürgermeister Istanbuls propagierte, fand und findet noch die Zustimmung eines Großteils der Bevölkerung.

Für die NATO ist die Türkei von immenser Bedeutung, umgekehrt gilt das nur noch sehr bedingt. Wie man im Westen, besonders in Europa, auf diese geopolitischen Umwälzungen reagieren wird, ist zur Stunde ungewiss, gerade auch angesichts der politischen und kulturellen Orientierungs- und Führungslosigkeit, von welcher das Abendland, wie man früher zu sagen pflegte, zweifelsohne betroffen ist.

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