Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass seit dem Triumph der Alliierten über Deutschland und Japan kein einziger Krieg mehr nachhaltig gewonnen wurde? Sehen wir einmal von den konventionellen Großeinsätzen in Korea und Vietnam ab, so gab es nirgendwo, nicht einmal bei den belanglosen Scharmützeln von Somalia, beim gescheiterten Blue-Strike-Unternehmen im Iran, beim Einsatz der Contras in Nicaragua, vom Debakel Kennedys in der Schweinebucht ganz abgesehen, einen Sieg zu vermelden. Im Südlibanon, im Irak, in Afghanistan hat sich längst bestätigt, dass die konventionelle Kriegsführung der NATO-Stäbe, aber auch Russlands und Israels, mit der Abnutzungsstrategie, die den Kern des asymmetrischen Krieges bildet, nicht zurechtkommt. Die ungeheuerliche Durchschlagskraft neuer Monsterbomben, inklusive der "bunker buster", hat sich diesbezüglich als untauglich erwiesen.“, sagte mir der ehemalige CIA-Agent Robert Baer vor einigen Jahren in einem Interview.

US-Außenminister in Kabul

Nach 20 Jahren Krieg in Afghanistan haben die USA den Abzug ihrer Truppen aus dem Hindukusch angekündigt. US-Außenminister Anthony Blinken ist zu einem unangekündigten Besuch in Kabul eingetroffen.

Blinken verdrehte die Wirklichkeit, wie schon zuvor bei seinem Besuch in Europa, wie sie gerade dem Kalkül Washingtons entspricht, nämlich aus einer Niederlage einen strategischen Rückzug herbei zu phantasieren. Blinken habe dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani mitgeteilt, dass der US-Abzug die strategischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht schwächen werde. Die USA fühlten sich weiter Afghanistan und seinen Menschen verpflichtet.

Um den Menschen in Afghanistan ging es den USA nie. Es ging darum, nach dem 11. September 2001 eine militärische Kraftaktion zu vollziehen, die von Anfang an falsch konzipiert war. Die Tatsache, dass man auf eine asymmetrische Kriegsführung, wie bei den Anschlägen von Manhattan, mit dem Einmarsch in einen Nationalstaat reagierte, entsprach von Anfang an dem Scheitern eines strategischen Entwurfes.

Taliban und die USA - alte Bekannte

Die Taliban und die USA waren schon alte Bekannte, als 2001 der Krieg gegen den Terror begann. Einmal mehr zitiere ich an dieser Stelle den ehemaligen CIA-Agent Robert Baer. Er schreibt dazu in seinem lesenswerten Buch "Die Saudi-Connection":

"Das State Departement verschloss nicht nur die Augen vor der radikal-islamischen Außenpolitik, die Saudi-Arabien betrieb - gelegentlich leistete es dieser Politik sogar noch Vorschub. Es wusste, dass der Plan der Saudis, Erdgas- und Erdöl-Pipelines von Zentralasien bis nach Pakistan quer durch Afghanistan hindurch zu führen, den Taliban dabei helfen würde, an der Macht zu bleiben - und auf diese Weise zugleich dafür zu sorgen, dass Osama Bin Laden ein sicheres Schlupfloch behielt. Trotzdem ermunterte es sogar noch die amerikanische Gesellschaft United Oil of California (UNOCAL), sich daran zu beteiligen.“

US-Präsident Joe Biden hatte am Vortag den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan zum 11. September angekündigt. Dieses Datum markiert den 20. Jahrestag der Terroranschläge von 2001. Zuvor, während seiner Europa-Reise, hatte der US-Außenminister behauptet, das Ziel des Krieges war es, dass von Afghanistan niemals mehr ein NATO-Staat angegriffen werden kann. Das war nie der Fall. Aber was den Terror angeht, der hat sich in den letzten 20 Jahren internationalisiert, benötigt nicht einmal mehr einen geographischen Rückzugsraum.

Ahmad Shah Massoud warnte den Westen

Vor rund 20 Jahren, Anfang April 2001, besuchte ein afghanischer Kriegsheld, der mit seinen Truppen tapfer den Taliban standhielt, das europäische Parlament in Straßburg. Es handelte sich um Ahmad Shah Massoud. Massoud hoffte die Vertreter des EU-Parlamentes warnen zu können, vor einer Gefahr, er fand aber keine geeigneten Gesprächspartner, also Politiker, die überhaupt verstanden, wovon er sprach.

Massoud war sicherlich kein Demokrat westlichen Typus, er war ein Krieger aus dem rauen Hochland Afghanistans. Doch der amerikanische Journalist Sebastian Junger sagt über Massoud: „Viele Leute, die ihn kannten, hatten das Gefühl, dass er die beste Hoffnung für jenen Teil der Welt darstellte.“ Der Verlauf der Weltgeschichte hätte sich wohl etwas anders vollzogen, wäre Massoud noch am Leben, oder hätte man im Westen seine Warnungen ernst genommen. 

Massoud hatte mit seiner Nordallianz den Taliban verzweifelten Widerstand geleistet. Von den Afghanen wurde er als „der wahre Vater Afghanistans“ verehrt, besonders von den Tadschiken. Noch heute ziert sein Porträt die Wände vieler Wohnzimmer in Afghanistan und in der weltweiten Diaspora. Massouds Ermordung fand dagegen nur einen geringen Widerhall in den Agenturmeldungen der Welt. 11. September 2001- Der Tod des Rufers in der Wüste

Der Friedhof der Imperien

„Den Friedhof der Imperien“ nennt man Afghanistan schon seit den Tagen Alexander des Großen. Afghanistan zu erobern ist leicht, es zu beherrschen ist unmöglich. Diese Weisheit hat der Westen seit 2002 konsequent ignoriert…

Gewiss, das Desaster von 1842, als die aus Kabul ausbrechende Garnison Ihrer Majestät mitsamt Familien und Hilfskräften in den Schluchten des Hindukusch durch Stammesangehörige massakriert wurde, gehört einer anderen Epoche an. Aber wie heiß es doch so treffend.

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht begreifen und die Zukunft nicht meistern“

Das damalige Ereignis war immerhin so sensationell, dass Theodor Fontane dem einzigen Überlebenden, einem Militärarzt, der bis Dschalalabad gelangte, eine Ballade widmete: “Mit Dreizehntausend der Zug begann; einer kam heim aus Afghanistan“

Die Mauer in Berlin fiel 1989 nicht, weil in ostdeutschen Städten Demonstranten auf die Straßen gingen, sondern weil sich im gleichen Jahr die Rote Armee sich aus Afghanistan absetzte. Das Rote Imperium der UdSSR hatte Risse bekommen, die schließlich den Untergang der Sowjetunion beschleunigten.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Sicherlich, niemand behauptet heute mehr, dass „unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird“. Dennoch wird bei dem Thema Afghanistan gelogen, dass sich die Balken biegen.

Wenn der US-Präsident und die NATO einen Truppenabzug aus Afghanistan ankündigen, kehren sie das im selben Text in eine Drohung um – in doppelter Hinsicht: Sie bekunden zum einen ihre Entschlossenheit, jederzeit in den Bürgerkrieg, den sie 20 Jahre lang angeheizt haben, bewaffnet einzugreifen. Zum anderen verbinden sie das mit dem Vorhaben, sich nun völlig der Konfrontation mit Russland und China zu widmen. Letzteres in einem Moment, in dem unklar ist, ob die NATO in der Ostukraine zum Angriff übergehen oder ob Kiew mit einer Attacke die Allianz hineinziehen will.“, kommentierte Arnold Schölzel.

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