<link>Fortsetzung des Interviews "Global Change? Im Gespräch mit Jörg Buschbeck (Teil 1)"

 

Helmut Reinhardt:Du weißt, dass ich vier Jahre lang das Regiogeld VolmeTALER betreut habe. Du selbst engagierst Dich in Deiner Heimat ebenfalls in diesem Bereich: http://www.zschopautaler.info/ und hast sicherlich auch die ein oder andere erstaunliche Erfahrung sammeln dürfen. Regiogelder basieren ja fast ausnahmslos auf der Idee von Silvio Gesell, negative Zinssätze zuzulassen, was oft fälschlich, - ob aus Böswilligkeit oder Unwissenheit sei dahin gestellt – als Abschaffung der Zinsen interpretiert wird. Ich möchte Dir kurz von meinen Erfahrungen mit dem Thema Regiogeld berichten:

Ca. 50 Prozent der angesprochenen Unternehmer hatten kein Interesse an dem System teilzunehmen, obwohl VolmeTALER kostenlos (leistungsgedeckt) zur Verfügung gestellt wurden. Beispielhafte Aussagen waren:

„Mit so etwas will ich nix zu tun haben.“ oder in Bezug auf die Umlaufsicherung: „Ich will nicht der Letzte sein, den die Hunde beissen.“

Eine große Anzahl der Teilnehmer fand die Umlaufsicherung blödsinnig, überflüssig und ungerecht, obwohl die Erlöse zu 100 Prozent an gemeinnützige Zwecke weitergeleitet wurden. Ich fand diese Reaktion sehr erstaunlich, da es sich um eine Gebühr in Höhe von einem Prozent alle drei Monate handelte. Im Klartext bedeutete die Umlaufsicherung für die Teilnehmer, dass z.B. bei einem Geldbestand von 1000 VT alle drei Monate zehn VolmeTALER fällig wurden. Eigentlich äußerst geringe Kosten, wenn man bedenkt, dass bei jeder einzelnen Zahlung mit EC- oder Kreditkarte ähnliche oder deutlich höhere Kosten für den Unternehmer entstehen.

In der Schweiz sind negative Zinssätze gerade hochaktuell, wie tagesschau.de berichtet.

„Harte Zeiten für Sparer, die ihr Geld in der Schweiz angelegt haben: Im Kampf gegen den starken Franken senkte die Nationalbank die Zinsen praktisch auf Null. Etliche Banken führten sogar Negativzinsen ein - mit der Folge, dass die Geldanlage nicht nur nichts bringt, sondern sogar kostet.“

Ich persönlich halte die Möglichkeit negative Zinssätze zuzulassen für ein probates Mittel, das zusammen mit einer höheren Besteuerung der oberen zehn Prozent der Einkommen helfen könnte, aus dem Schlamassel in dem die ganze Welt steckt wieder herauszukommen. Wie siehst Du das?

Jörg Buschbeck: Ich sehe dies prinzipiell genauso, auch wenn die Freiwirte aufbauend auf dem falschen Denkgebäude der Tauschwirtschaft oft nicht korrekt argumentieren. Monetär bedingte Unternachfrage tritt auch ohne Bargeldhortung auf, wenn die Kredittilgungen und Geld-Sparpläne größer werden als die exportsaldenbereinigten Neuverschuldungspläne.

Helmut Reinhardt: Moment, Moment Jörg, das klingt kompliziert. Diese Gleichung muss unbedingt näher und vor allem verständlicher aufgeschlüsselt werden. Lass mich versuchen, diesen Sachverhalt zu übersetzen:

Wenn zukünftig die Summe der Spargelder und Kredittilgungen größer sind als die geplante Neuverschuldung, steht weniger Geld für die Nachfrage nach realwirtschaftlichen Gütern zur Verfügung. Ausgeglichen werden kann das nur durch eine im gleichem Maße nötige Neuverschuldung. Fehlt diese (zu berücksichtigen sind hierbei Exportüberschüsse oder –defizite der einzelnen Länder) kommt es zur Stockung der Nachfrage und es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit einer deflationären Depression. Für einen anderen Artikel hatte ich gerade folgendes Bild gebastelt. Siehst Du diesen Zukunftsausblick ähnlich?

Jörg Buschbeck: Ja, Unternachfrage hat bei hoher Verschuldung und ausgereizter Niedrigzinspolitik Crash-Charakter, da der Nachfragemangel durch die hohen Kredittilgungen + Geldsparen schlagend wird. Für Deutschland sprechen wir hier übrigens schon von einem jährlichen Neuverschuldungsbedarf in Höhe von ca. 20% des Volkseinkommens. Wenn jetzt die dafür wichtige Verschuldung des Auslands via Exportüberschüsse ins Stocken kommt, verschuldet sich die deutsche Privatwirtschaft wegen des Abschwungs auch kaum noch – Investitionsfalle und dann ein Absturz mit angeblich „unvorhersehbarer“ Geschwindigkeit. Wir können aber offensichtlich das europäische Ausland gar nicht weiter aufschulden, innerhalb der bisherigen Spielregeln ist das Spiel eh vorbei. Es muss jetzt etwas jenseits Deiner Ausschilderungen auf neuen Wegen passieren – eine deutliche Reduktion der privaten Geld-Sparquote der Deutschen. Eigentlich bräuchten wir aktuell negative Geldsparquoten und Deutschland müsste Importweltmeister werden. So könnten wir unsere Guthaben und den Euro ohne Transferunion noch retten.

Hortungsgeschütztes Freigeld würde nominal negative Guthabenzinsen erlauben und man könnte das Geldsparangebot auf den Kreditbedarf freiwilliger und solventer Schuldner begrenzen. Dann müssten wir nicht mehr mit Verschuldungspolitik/Exportüberschusspolitik auf die zu hohe Geldsparneigung reagieren. 

Ich habe mich ja auch genau aus diesem Grund beim Regiogeld engagiert, weil man da „Minuszinsgeld“
praktisch testen kann. Die starke Ablehnung der Idee nominaler Minuszinsen habe ich aber nicht nur dort gespürt – es ist einfach ein hochemotionales Problem. Wie schon im ersten Teil gesagt, wir kompensieren mit unvergänglichen Guthaben teilweise unsere Urängste u.a. um die eigene Vergänglichkeit. Geldhaltung wird damit zu einer Art Religion – Ketzer werden wütend beschimpft. Der bekannte US-Ökonom Gregory Mankiw hat den nominalen Minuszins 2009 in der New-York-Times gefordert. Er musste danach in seinem Blog folgendes berichten: „Ich habe noch nie so viele Hass-E-Mail erhalten“.

Helmut Reinhardt: Warum erregen die Menschen sich so über nominales Schwundgeld – wo wir doch reales Schwundgeld (Inflation > Sparzins) schon seit der Euro-Einführung haben? Bekommt man irgendwann auch eine emotionale Akzeptanz für ein rational betrachtet richtiges Mittel?

Jörg Buschbeck: Ich habe da heute große Zweifel – wenn nominaler Minuszins die Menschen wütend macht, helfen auch keine Sachargumente. Dann müssen wir „magenfreundlichere“ Wege suchen, welche weniger Bauchschmerzen auslösen und quasi eher auf Sog funktionieren. 

Helmut Reinhardt: Meiner Meinung nach fehlt es im aktuellen Geld- und Wirtschaftssystem an Ober- und Untergrenzen, die es einzuführen gilt. Ich denke ein gangbarer Weg wäre die Einführung parallel zueinander existierenden Währungen auf nationaler und internationaler Ebene. Einen Vorschlag dazu habe ich ausgearbeitet und <link>Monetärer Trialismus genannt.

Mein Vorschlag beinhaltet auch ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE). Allerdings unterscheidet sich mein Konzept in vielerlei Hinsicht vom BGE des Götz Werners, das ich für eine Mogelpackung halte, weil es dazu führt, dass die Marktvermachtung weiter voran getrieben wird, da Unternehmensgewinne völlig steuerfrei gestellt werden. Selbst die zu zahlenden Löhne und Gehälter sollen in Höhe des Grundeinkommens wegfallen, was nichts anderes bedeutet, als dass sie dem Unternehmer und nicht dem Arbeitnehmer zufallen, der für sein bedingungsloses Grundeinkommen gefälligst zu arbeiten hat, um das Unternehmen von lästigen Gehaltszahlungen zu befreien.

Wie siehst Du das Konzept des Götz Werner und wie sieht Dein Vorschlag aus?

Jörg Buschbeck:
Ich halte ein intelligent gemachtes Grundeinkommen für eine wunderbare Sache, um unsere so universell gestörte Marktwirtschaft in Ordnung zu bringen. Man kann eine der wichtigsten Marktstörung schon aus dem Stand abschaffen – die Mindestpreisstörung im Arbeitsmarkt. Längerfristig unfreiwillig arbeitslos ist heute, wessen Arbeitsmarktwert unter der Höhe der Sozialleistungen liegt. Mit einem von der Erwerbstätigkeit unabhängigen Grundeinkommen ist dieses Problem gelöst, die unfreiwillige Arbeitslosigkeit ist mit einem Schlag abgeschafft. Wer arbeiten möchte, verdient seinen Marktwert und Grundeinkommen. Wer einen niedrigen Marktwert hat wird überlegen, wie er diesen erhöhen kann.  Dies ist also auch für die Persönlichkeits - Enwicklung viel besser, als das heutige Ausgrenzungssystem. Allerdings bin ich sowohl wegen der Finanzierbarkeit als auch wegen der Persönlichkeitsentwicklung nur für ein recht bescheidenes Grundeinkommen.

Helmut Reinhardt: Zwei Fragen dazu: Darf man Menschen überhaupt einen Marktwert geben und ist ein kleines Grundeinkommen nicht eher unsozial?   

Jörg Buschbeck:  Es geht ja nicht darum den Menschen zu bewerten, er ist uns ja auch per Existenz ein Einkommen wert, es geht um den Wert seiner wirtschaftlichen Leistung. Da kann man sich nur um den Preis von Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Ausgrenzung gegen den Markt stellen, etwas zutiefst unmenschliches.

Ein großes Grundeinkommen, welches das preiswerte Arbeitsangebot stark senkt, würde in jedem Fall stark inflationär wirken. Wenn denn eine Finanzierung überhaupt darstellbar wäre, ist dies dann weder sozial noch gut für die in Folge beschädigte Idee des Grundeinkommens. 

Helmut Reinhardt: ... und wie genau sieht die Konstruktion Deines „Intelligenten Grundeinkommens“ aus?

Jörg Buschbeck: Als „intelligent“ würde ich ein Grundeinkommen bezeichnen, welches neben der Arbeitsmarktstörung auch die Probleme mit  Markstörungen und Marktvermachtungen in allen anderen Märkten angeht. Es darf nur ein Grundeinkommensmonopol für den Menschen übrig bleiben, dann haben wir die Machtfrage in Richtung einer dem Menschen dienenden Marktwirtschaft neu beantwortet. Ein intelligentes Grundeinkommen greift auf die Stärken des Staates zurück und vermeidet seine Schwächen. Der Staat ist richtig gut im Steuern eintreiben, dies ist eine regelrechte Kernkompetenz. J Beim Geldausgeben und Steuern wirtschaftlicher Prozesse über Verordnungen hat er regelmäßig Defizite, ausufernde Bürokratie und Korruption sind die Folge.

Helmut Reinhardt: ... eine kleine Rückfrage – Du meinst also, das wenn der Staat das Geld aus Steuereinnahmen einfach dem Bürger per Grundeinkommen zum Ausgeben gibt…?

Jörg Buschbeck:
Genau Helmut, Geldausgeben ist die Kernkompetenz der Bürger, dies können wir viel besser. J Viele staatliche Ausgaben braucht es ja in einer „grundeinkommensgesteuerten Marktwirtschaft“ gar nicht mehr. Es wird nichts mehr subventioniert und vor allem wird die teure und die Menschen gängelnde Sozialbürokratie weitgehend abgeschafft. Es steigt auch einfach die Wertschöpfung in einer Gesellschaft, wenn ihre Mitglieder in der Mehrzahl recht sinnvolle Dinge tun. Also, z.B. ständig über ihren Marktwert statt über ihren Subventionswert nachdenken. Wenn die soziale Absicherung nicht mehr am Arbeitnehmerstatus hängt, werden wir also auch viel mehr selbständige Tätigkeiten, neue kreative Angebotsideen und neue Wettbewerber für alte vermachtete Marktstrukturen sehen. Mit diesem Produktivitätsschub ist auch gleich mal das angebliche demografische Problem verschwunden.

Helmut Reinhardt: Du siehst also kein Problem darin, dass Deutschland, dass Deutschland Jahr für Jahr rund 200.000 Menschen verliert?

Jörg Buschbeck:
Wenn wir anfangen, die Ursachen unserer wirtschaftlichen Probleme anzugehen, statt hilflos an den Folgen „herum zu doktern“, hat dies ein enormes Produktivitätspotential. Wir haben dann auch bei steigender Rentnerzahl für alle Menschen genügend Waren und Dienstleistungen zu Verfügung. Angstmache dient hier vor allem dem Verkauf von Bankprodukten für die private Altersvorsorge.  Die Förderung und Propagierung dieser Privatrenten, ist beim eh schon großen Geldsparüberschuss der Deutschen übrigens ein Tatbestand, der nach strafrechtlicher Verfolgung der verantwortlichen Politiker und Ökonomen ruft. Wir sehen hier „Finanzterrorismus“ und Untreue am deutschen Volksvermögen - diese sogenannten Privatrenten sind nichts anderes als Nachfrage nach Staatsverschuldung statt realwirtschaftlicher Nachfrage – ein Treiber der Finanzkrise und des „europäischen Rettungsbedarfs“.

... wird in Teil 3 fortgesetzt

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