Neue Regierung – alles bleibt, wie es ist

Die Arbeit der neuen Bundesregierung hat begonnen, Angela Merkel und ihre Minister schwärmen aus und geben Verlautbarungen heraus. Und sei es – Unsinniges – zu Hartz 4 oder der sich ausweitenden britisch-russischen Agenten-Affäre.

Dass die Kanzlerin nur mit knapper Mehrheit gewählt wurde ist zwar ein Manko, aber in wenigen Wochen vergessen. Sie wird aller Voraussicht nach ihre bisherige Politik in Abstimmung mit willfährigen Koalitionspartnern weiterführen, Grundlegendes wird sich jedenfalls nicht ändern.

SPD manifestiert Krisenursachen

Anders sieht es in der SPD nach der Mitgliederbefragung über die Große Koalition aus. Die starke 1/3-Minderheit mit ihren Neinstimmen hat ganz offensichtlich mehr als einen Achtungserfolg erzielt. Denn die Wahlkreisabgeordneten wissen aus Gesprächen und Konferenzen ganz genau, dass viele SPD-Mitglieder sich zu einem „Ja“ keineswegs aus innerer Überzeugung, sondern nur unter dem massiven Druck des Vorstands und aus Angst vor den von ihm und zahlreichen Medien beschworenen chaotischen Folgen eines „Nein“ entschlossen haben.

Die Krise der SPD ist damit also keineswegs beendet. Ihre Ursachen liegen viel tiefer und sie werden durch die Mechanismen des Koalitionsvertrages noch verstärkt, der den politischen Streit, den argumentativen und rhetorischen Schlagabtausch in Grundsatzfragen und den Kampf um Mehrheiten im Parlament ersetzt durch einen überparteilichen Konsens (von CDU/CSU und SPD), der – wie ein Dienst- oder Werkvertrag – der Verwirklichung gegenseitig geschuldeter, nicht mehr hinterfragbarer Pflichten dient.

Klausel in Koalitionsvertrag führt zur völligen politischen Erstarrung

Über diesem deformierten parlamentarischen Geschehen, das eher einem Marionettentheater gleicht, schweben wie überparteiliche und unpolitische Makler oder Notare mit dem Koalitionsvertrag in Händen die Kanzlerin und der Bundespräsident.

Übrigens findet sich in diesem „Vertrag“ am Ende eine politisch weitreichende Klausel, über die bisher öffentlich kein Wort verloren worden ist. Sie lautet sinngemäß: Keine der Koalitionsparteien darf eigene Initiativen ergreifen oder Gesetzesvorlagen ins Parlament einbringen, ohne die Zustimmung des Vertragspartners eingeholt zu haben, beide Seiten verpflichten sich, keine Initiative einer anderen Fraktion zu unterstützen und in allen Gremien gemeinsam abzustimmen.

Diese Klausel verpflichtet die Koalitionäre also zur absoluten Koalitionsräson, die durch Denk- und Handlungsverbote jede über den Koalitionsvertrag oder diese Wahlperiode hinausgehende Entwicklung unterbindet: eine Zementierung von Macht, die mit politischer Erstarrung erkauft wird.

Enorme Sprengkräfte

Dies alles wird der AfD als Opposition von den „Altparteien“ wie ein gefundenes Fressen auf dem Silbertablett präsentiert, und wenn sie sich gesammelt hat, wird sie als Antwort darauf eine politisch-parlamentarische Melodie vorspielen, die uns die Ohren klingen lassen wird.

Immerhin: Das gäbe dann Bewegung in diesem Theater, wenn auch mit ungewissem, womöglich unheilvollem Ausgang. Besser wäre es, wenn aus der SPD-Basis heraus ein eindeutig sozial- und friedenspolitisches Programm entwickelt würde, mit dem die sich anbahnende Erstarrung gesprengt werden könnte.

Zum Autor: Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2017 erschien von ihm im Westend Verlag eine überarbeitete und um 111 Seiten erweiterte Neuausgabe seines Buches „Die Eroberung Europas durch die USA“.

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